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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.335/2004 /ast 
 
Urteil vom 3. Februar 2005 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch, 
Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss, 
Gerichtsschreiber Gelzer. 
 
Parteien 
X.________ AG, 
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Maître Philipp Ganzoni, 
 
gegen 
 
A.________, 
Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Maître Christian Schilly. 
 
Gegenstand 
Gerichtsstandsgesetz (GestG), 
 
Berufung gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 22. März 2004. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a Die X.________ AG mit Sitz in Arbon stellt Textilmaschinen her. Die Y.________ SA, Panama, (nachstehend: Y.________ SA) hat sich in Syrien für den Verkauf von Maschinen der X.________ AG eingesetzt und von ihr dafür zwei Provisionszahlungen von je DM 1 Mio. erhalten. Die Y.________ SA verlangte eine weitere Provisionszahlung von DM 1 Mio., wobei sie anführte, sie sei von A.________, Verwaltungsratsmitglied der X.________ AG, mit Wohnsitz im Kanton Genf mit der Vermittlung beauftragt worden. Die X.________ AG war nicht bereit, eine weitere Provisionszahlung zu leisten. 
A.b Am 2. Juni 1998 klagte die Y.________ SA beim Genfer Tribunal de Première Instance gegen A.________ auf Zahlung einer Provision in der Höhe von DM 1 Mio. A.________ unterstützte die Klage, verkündete der X.________ AG ausserprozessual den Streit und machte ihr gegenüber Rückgriffsansprüche geltend. Die Sauer AG bestritt den Provisionsanspruch und verlangte, als Streitberufene am Prozess teilnehmen zu können. Diesen Antrag hat das Tribunal de Première Instance abgelehnt. Die X.________ AG focht diesen Entscheid ohne Erfolg zunächst bei der Genfer Cour de Justice und danach beim Schweizerischen Bundesgericht an. 
A.c Am 3. Januar 2000 reichte A.________ beim Tribunal de Première Instance in Genf gegen die X.________ AG eine erste Gewährleistungs- bzw. Regressklage ein, mit der er sinngemäss verlangte, falls er im Prozess gegen die Y.________ SA in Genf zur Zahlung einer Provision verurteilt werde, habe die X.________ AG ihm diese zu erstatten. Das Tribunal de Première Instance ist am 28. September 2000 auf diese Klage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht eingetreten. In der Folge kündigte A.________ an, er werde nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 24. März 2000über den Gerichtsstand in Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz, GestG; SR 272) im Januar 2001 erneut eine Gewährleistungsklage erheben. 
A.d Mit Vermittlungsbegehren vom 21. Dezember 2000 stellte die X.________ AG beim Friedensrichteramt Arbon gegen die Y.________ SA den Klageantrag, es sei festzustellen, dass ihr gegenüber der X.________ AG keinerlei Ansprüche aus Vermittlungstätigkeit oder anderen Interventionen im Zusammenhang mit der Lieferung von Textilmaschinen für das Idleb-Projekt in Syrien zustehen, insbesondere nicht die geltend gemachte Provision von DM 1 Mio. bzw. Fr. 820.000.--. 
 
B. 
B.a Ebenfalls am 21. Dezember 2000 reichte die X.________ AG (nachstehend: Klägerin) beim Friedensrichteramt Arbon ein Vermittlungsbegehren gegen A.________ (nachstehend: Beklagter) ein, mit dem sie folgende Klagebegehren stellte: 
"1. Es sei der Beklagte gerichtlich zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von CHF 69'008.25 nebst 5% Zins ab 14. September 2000 anzuerkennen und zu bezahlen, im Sinn einer Teilsumme und unter ausdrücklichem Vorbehalt des Nachklagerechtes. 
2. In der von der Klägerin gegen den Beklagten angehobenen Betreibung Nr. [...] des Betreibungsamtes Arve-Lac (Genève) vom 8./14. September 2000 sei für den Teilbetrag von CHF 68'406.25 nebst 5% Zins ab 14. September 2000 der Rechtsvorschlag des Beklagten aufzuheben. 
3. Es sei festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin für allen weiteren Schaden, Kosten und Entschädigungsfolgen haftet und ersatzpflichtig ist, welche der Klägerin aus einer allfälligen gerichtlich auferlegten Zahlungsverpflichtung gegenüber der Y.________ SA, Panama, betreffend eine bestrittene Provisionszahlung, insbesondere aus dem in Genf zwischen der Y.________ SA, Panama, und dem Beklagten anhängigen Streitverfahren erwachsen, einschliesslich aller damit zusammenhängenden oder nachfolgenden Haupt-, Zwischen- oder Nebenverfahren. 
4. Es sei festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen Ansprüchen der Y.________ SA, Panama, freizustellen bzw. diese zu eigenen Lasten ohne Rückgriff gegenüber der Klägerin zu tragen, insbesondere dass ihm kein Freistellungs- oder Rückgriffsanspruch gegenüber der Klägerin aus einem allfälligen Unterliegen des Beklagten in der vor dem Tribunal de Première Instance, Genève, unter Geschäftsnummer C/15610/1998 gegen ihn von der Y.________ SA angehobenen Forderungsklage zusteht, lautend auf die Forderungssumme von CHF 820'000.-- (entsprechend dem Gegenwert von DM 1 Mio), nebst Zinsen zu 5% seit dem 24. September 1997, sowie Kosten und Entschädigungsfolgen." 
Gemäss der Interpretation des Bezirksgerichts Arbon weisen die Klagebegehren 3 und 4 folgende Teilbegehren auf: 
"3.1. Feststellung der Schadenersatzpflicht des Beklagten für allen Schaden (insbesondere Prozesskosten) der Klägerin, welcher ihr aus einer allfällig auferlegten Zahlungsverpflichtung gegenüber der Y.________ SA entstehen könnte. 
3.2. Feststellung einer Schadenersatzpflicht des Beklagten für allen Schaden (insbesondere Prozesskosten) der Klägerin, welcher ihr aus dem Verfahren zwischen der Y.________ SA und dem Beklagten in Genf entstehen könnte. 
4.1. Feststellung der Rückerstattungspflicht des Beklagten ("freizustellen") gegenüber der Klägerin, sollte die Y.________ SA mit ihren Provisionsanspruch gegen die Klägerin im zweiten Prozess in Arbon obsiegen. 
4.2. Feststellung, dass dem Beklagten kein Rückgriffsrecht gegenüber der Klägerin zustehe, sollte dieser im Verfahren der Y.________ SA gegen ihn in Genf unterliegen und zu einer Provisionszahlung verpflichtet werden." 
B.b Am 3. Januar 2001 erhob der Beklagte gemäss seiner Ankündigung beim Tribunal de Première Instance in Genf gegen die Klägerin eine zweite Gewährleistungsklage auf Regressname für den Fall, dass er im Genfer Prozess gegen die Y.________ SA zur Zahlung einer Provision verpflichtet werde. Der Beklagte berief sich dabei auf das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gerichtsstandsgesetz, das in Art. 8 vorsieht, das kantonale Recht könne für eine Interventions- und Gewährleistungsklage, insbesondere aufgrund eines Regressrechts des Beklagten, die Zuständigkeit des Gerichts des Hauptprozesses vorsehen. Gestützt auf diese Bestimmung und eine entsprechende Genfer Regelung bejahte das Tribunal de Première Instance seine örtliche Zuständigkeit zur Beurteilung der zweiten Gewährleistungsklage des Beklagten. Es ging jedoch davon aus, diese Klage sei mit dem von der Klägerin bereits am 21. Dezember 2000 in Arbon gestellten Klagebegehren in Ziff. 4 auf negative Feststellung identisch. Demnach sistierte das Tribunal de Première Instance mit Entscheid vom 26. April 2001 das Verfahren bezüglich der Gewährleistungsklage gemäss Art. 35 GestG bis das thurgauische Gericht über seine Zuständigkeit befunden habe. Dieser Genfer Sistierungsentscheid wurde bis an das Bundesgericht weitergezogen, welches ihn am 8. Mai 2002 bestätigte. 
B.c Am 31. Januar 2001 stellte der Friedensrichter in Arbon fest, dass eine Einigung zwischen den Parteien bezüglich der von der Klägerin am 21. Dezember 2000 gegen den Beklagten gestellten Klagebegehren (vgl. lit. B.a hiervor) nicht zustande kam. Die Klägerin reduzierte in ihrer entsprechenden Klageschrift an das Bezirksgericht Arbon vom 6. April 2001 den in Ziff. 1 geforderten Betrag auf Fr. 68'406.25. Zur Begründung der Forderung machte sie geltend, ihr sei seit Beginn der Klageeinreichung durch die Y.________ SA gegen den Beklagten (vgl. lit. A.b hiervor) ein (Teil-)Schaden entstanden, da die Klägerin gemäss der Honorarnote vom 13. September 2000 Anwaltskosten von Fr. 68'406.25 habe bezahlen müssen. Der Beklagte habe in seiner Zeit als Verwaltungsratsmitglied ohne jede Beauftragung durch die Klägerin gehandelt und sei ihr für dieses Verhalten haftpflichtig. Da er gemeinsam mit dem Verwaltungsratspräsidenten der Y.________ SA versuche, von der Klägerin die nicht geschuldete Provision erhältlich zu machen, hafte er aus unerlaubter Handlung für die Folgekosten in der Zeit nach seinem Austritt aus dem Verwaltungsrat. 
Mit Beschluss vom 3./14. November 2003 entschied das Bezirksgericht Arbon über die von der Klägerin am 21. Dezember 2000 gegen den Beklagten eingeleitete Klage. Es trat auf das Begehren Ziff. 1 und 2 (Bezahlung von Fr. 68'406.25, Aufhebung des Rechtsvorschlags) ein, bat indessen das Tribunal de Première Instance in Genf, das Verfahren bezüglich dieser Begehren gestützt auf Art. 36 Abs. 2 GestG zu übernehmen, ansonsten das Verfahren in Thurgau bis zum rechtskräftigen Abschluss der Genfer Prozesse der Y.________ SA gegen den Beklagten und des Beklagten gegen die Klägerin sistiert werde. Auf die Klagebegehren Ziff. 3 und 4 trat das Bezirksgericht Arbon nicht ein. 
Diesen Beschluss focht die Klägerin mit kantonaler Berufung an, welche das Obergericht des Kantons Thurgau am 22. März 2004 abwies. 
 
C. 
Die Klägerin erhebt eidgenössische Berufung mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 22. März 2004 sei aufzuheben und es sei die örtliche Zuständigkeit der Gerichte des Kantons Thurgau bezüglich der von der Klägerin am 21. Dezember 2000 gestellten Anträge und diesbezüglich ein erhebliches Rechtsschutzinteresse festzustellen. Weiter sei die Anwendung von Art. 36 GestG zu untersagen und die Sache an das Obergericht des Kantons Thurgau zum Entscheid in der Sache zurückzuweisen. 
Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Das Urteil wird in der Regel in der Sprache des angefochtenen Entscheides verfasst. Sprechen die Parteien eine andere Amtssprache, so kann die Ausfertigung in dieser Sprache erfolgen (Art. 37 Abs. 3 OG). 
 
Im vorliegenden Fall haben die Parteien ihre Rechtsschriften in französischer Sprache eingereicht. Da der angefochtene Entscheid auf Deutsch redigiert wurde und die Klägerin ihren Sitz in der Deutschschweiz hat, rechtfertigt sich gemäss der Regel in Art. 37 Abs. 3 OG, das Urteil auf Deutsch zu verfassen. 
 
2. 
Die Voraussetzungen für die Berufung sind insoweit erfüllt, als der angefochtene Entscheid eine Zivilrechtsstreitigkeit mit einem Streitwert von über Fr. 8'000.-- betrifft (Art. 46 OG) und er nicht durch ein ordentliches kantonales Rechtsmittel angefochten werden kann (Art. 48 Abs. 1 OG). Soweit im angefochtenen Entscheid auf die Klagebegehren 3 und 4 nicht eingetreten wird, liegt ein Endentscheid eines oberen kantonalen Gerichts vor, gegen den die Berufung gemäss Art. 48 Abs. 1 OR zulässig ist (BGE 128 III 250 E. 1b S. 252). 
 
Soweit gemäss dem angefochtenen Entscheid das Tribunal de Première Instance in Genf aufgefordert wird, das Verfahren bezüglich der Rechtsbegehren 1 und 2 zu übernehmen, liegt ein Zwischenentscheid über die Zuständigkeit vor, der gemäss Art. 49 Abs. 1 OG mit Berufung angefochten werden kann. 
 
Demnach ist auf die form- und fristgerechte Berufung der durch den angefochtenen Entscheid belasteten Klägerin einzutreten. 
 
3. 
3.1 Das Bundesgericht ging in seinem Entscheid vom 8. Mai 2002 davon aus, die am 21. Dezember 2000 in Arbon anhängig gemachte negative Feststellungsklage der Klägerin (lit. B.a, Rechtsbegehren 4) sei mit der am 3. Januar 2001 in Genf eingereichten Leistungsklage des Beklagten (lit. B.b) identisch im Sinne von Art. 35 GestG (BGE 128 III 284 E. 3). Da die Klage in Arbon unter Berücksichtigung des Thurgauer Prozessrechts vor der Klage in Genf rechtshängig geworden sei, komme dieser keine zeitliche Priorität zu (BGE 128 III 284 E. 4). Demnach hätten die Thurgauer Richter die Voraussetzungen der negativen Feststellungsklage zu prüfen, welche nur gegeben seien, wenn die Klägerin ein Feststellungsinteresse habe (vgl. Urteil 4C.385/2001 vom 8. Mai 2002, E. 5 nicht publ. in BGE 128 III 284). 
Das Bezirksgericht Arbon nahm an, ein hinreichendes Interesse an einer negativen Feststellungsklage sei zu bejahen, wenn beide Parteien bemüht seien, möglichst schnell an einem ihnen vorteilhaft erscheinenden Gerichtsstand zu klagen (sog. forum running). Da eine solche Konstellation vorliege, habe die Klägerin ein hinreichendes Interesse an ihrem am 21. Dezember 2000 gestellten Klagebegehren Ziff. 4.2 auf Feststellung, dass der Beklagte im Falle seiner Verurteilung zur Zahlung einer Provision an die Y.________ SA kein Regressrecht gegen die Klägerin habe. Dennoch trat das Bezirksgericht auf dieses negative Feststellungsbegehren nicht ein, da es seine zeitliche Priorität gegenüber der damit identischen zweiten Gewährleistungsklage des Beklagten in Genf entgegen dem Entscheid des Bundesgerichts vom 8. Mai 2002 verneinte. Das Obergericht des Kantons Thurgau schloss sich dieser Auffassung an und prüfte daher im angefochtenen Urteil das Interesse der Klägerin am negativen Feststellungsbegehren nicht mehr. 
 
3.2 Die Klägerin rügt, das Obergericht sei an den Bundesgerichtsentscheid vom 8. Mai 2002 gebunden gewesen und habe daher von der zeitlichen Priorität der in Arbon eingereichten negativen Feststellungsklage ausgehen müssen. Diese sei zulässig, da ein hinreichendes Feststellungsinteresse zu bejahen sei. 
 
3.3 Da sich die Frage der zeitlichen Priorität der Verfahren nur stellt, wenn ein hinreichendes Feststellungsinteresse am Klagebegehren auf negative Feststellung vorliegt, rechtfertigt es sich, diese Frage vorweg zu prüfen. 
 
3.4 Zur Begründung des Feststellungsinteresses verweist die Klägerin auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des Bezirksgerichts Arbon und macht geltend, diese seien vom Obergericht und auch vom Beklagten in seiner Rekursantwort nicht in Frage gestellt worden. Weiter führt die Klägerin an, gemäss Art. 8 GestG und der entsprechenden Genfer Regelung habe der Beklagte ein Regressrecht beim Gericht des Hauptprozesses in Genf einklagen können. Die Thurgauer Gerichte hätten daher ein Rechtsschutzinteresse bezüglich der damit übereinstimmenden negativen Feststellungsklage bejahen müssen. 
 
3.5 Unter welchen Voraussetzungen die gerichtliche Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens bundesrechtlicher Ansprüche verlangt werden kann, ist eine Frage des Bundesrechts (BGE 129 III 295 E. 2.2 S. 299 mit Hinweisen). Dieses wendet das Bundesgericht im Berufungsverfahren von Amtes wegen an, ohne an die Vorbringen der Parteien gebunden zu sein (BGE 130 III 136 E. 1.4). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Feststellungsklage zuzulassen, wenn der Kläger an der sofortigen Feststellung ein erhebliches schutzwürdiges Interesse hat, welches kein rechtliches zu sein braucht, sondern auch bloss tatsächlicher Natur sein kann. Diese Voraussetzung ist namentlich gegeben, wenn die Rechtsbeziehungen der Parteien ungewiss sind und die Ungewissheit durch die richterliche Feststellung behoben werden kann. Dabei genügt nicht jede Ungewissheit; erforderlich ist vielmehr, dass ihre Fortdauer dem Kläger nicht mehr zugemutet werden darf, weil sie ihn in seiner Bewegungsfreiheit behindert (BGE 120 II 20 E. 3a S. 22; 123 III 414 E. 7b S. 429, je mit Hinweisen). Namentlich bei negativen Feststellungsklagen ist zudem auch auf die Interessen des Beklagten Rücksicht zu nehmen. Wer auf Feststellung klagt, dass eine Forderung nicht besteht, zwingt damit den beklagten Gläubiger zu vorzeitiger Prozessführung. Damit wird die Regel durchbrochen, dass grundsätzlich der Gläubiger und nicht der Schuldner den Zeitpunkt für die Geltendmachung eines Anspruches bestimmt. Der vorzeitige Prozess kann den Gläubiger benachteiligen, wenn er zur Beweisführung gezwungen wird, bevor er dazu bereit und in der Lage ist (BGE 120 II 20 E. 3a S. 22 f.). Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts vermag das blosse Interesse einer Partei, unter mehreren möglichen Gerichtsständen den ihr zusagenden durch schnelleres Einleiten einer Klage wählen zu können, für sich allein kein schutzwürdiges Feststellungsinteresse zu begründen (BGE 123 III 414 E. 7b S. 430; Urteil des Bundesgerichts 4C.400/1994 vom 3. April 1995 E. 2a). Dagegen wird in der Literatur für internationale Verhältnisse die Auffassung vertreten, wenn beide Parteien daran seien, ein Gericht an einem ihnen genehmen Gerichtsstand anzurufen (sog. forum running), so bestehe zwar für den Feststellungskläger keine nicht mehr länger zumutbare Ungewissheit bezüglich der Rechtslage, dagegen werde der Feststellungsbeklagte nicht zu einer vorzeitigen Prozessführung gezwungen. Damit seien die bezüglich des Feststellungsinteresses abzuwägenden Parteiinteressen grundsätzlich ausgewogen, weshalb in solchen Konstellationen das Vorliegen eines Feststellungsinteresses zur Wahrung der zuständigkeitsrechtlichen Waffengleichheit zu bejahen sei (Gio Jegher, Abwehrmassnahmen gegen ausländische Prozesse im Internationalen Zivilverfahrensrecht, Diss. Basel 2003, S. 71 f.; derselbe, "Mit schweizerischer negativer Feststellungsklage ins europäische Forum Running - Gedanken anlässlich BGE 123 III 414; ZSR 118/1999 I S. 31 ff., S. 43 f.). Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs zu Art. 21 des Europäischen Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheide in Zivil- und Handelssachen [EuGVÜ] (vgl. Urteil des BGH vom 11. Dezember 1996, publ. in: Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen [BGHZ] 134 S. 201 ff., 211, wo ausgeführt wird, der Schuldner habe durch schnelle Erhebung einer negativen Feststellungsklage die gleiche Chance, sich das streitentscheidende Gericht auszusuchen, wie der Gläubiger; zustimmend Jan Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar zu EugVO und Lugano-Übereinkommen, 7. Aufl. 2002, N. 10 zu Art. 27 EugVO bzw. Art. 21 LugÜ; vgl. auch Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrecht und des internationalen Zivilprozessrechts der Schweiz, 7. Aufl. 2001, S. 196 f. Rz. 32b). Dieser Meinung kann jedenfalls für das nationale Schweizer Recht nicht gefolgt werden. Ist in kurzer Zeit mit einer Leistungsklage zu rechnen, so ist eine unzumutbare Fortdauer der Rechtsunsicherheit und damit ein hinreichendes Interesse an der Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage durch ein Feststellungsurteil grundsätzlich zu verneinen. Da das Feststellungsinteresse unabhängig vom Gerichtsstand vorliegen muss, kann es nicht durch das Interesse an einem bestimmten Gerichtsstand ersetzt werden. Ansonsten würde die vom Gesetzgeber getroffene Regelung der Gerichtsstände umgangen bzw. ausser Kraft gesetzt (vgl. Stefan Tiefentaler, in: Kurzkommentar Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, EuGVO und Lugano Übereinkommen, von Dietmar Czernich et al., 2. Aufl., Wien 2003, N. 12 zu Art. 27 EuGVO, der annimmt, die Gefahr des Missbrauchs negativer Feststellungsklagen sei dadurch beschränkt, dass gemäss dem innerstaatlichen Verfahrensrecht der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung haben müsse). Zudem würde die Zulassung des "forum running" dazu führen, dass die Parteien möglichst schnell und ohne vorherige Ankündigung zu den ihnen genehmen Gerichten "rennen" und klagen müssten, um ihren Gerichtsstand zu sichern. Dies wäre nicht sachgerecht, da damit aussergerichtliche Vergleichsverhandlungen oder einvernehmliche Streitlösungsverfahren gefährdet und die Gerichte mit unnötigen parallelen Verfahren belastet würden. Aus diesen Gründen ist an der Rechtsprechung festzuhalten, wonach das Interesse des Schuldners, die Leistungsklage des Gläubigers an einem bestimmten Gerichtsstand durch eine frühere Feststellungsklage an einem anderen Gerichtsstand zu verhindern, kein schutzwürdiges Feststellungsinteresse zu begründen vermag. 
 
3.6 Im vorliegenden Fall hat der Beklagte, nachdem auf seine erste Gewährleistungsklage vom 3. Januar 2000 in Genf nicht eingetreten wurde, angekündigt, er werde nach dem Inkrafttreten des Gerichtsstandsgesetzes am 1. Januar 2001 bei den Genfer Gerichten für den Fall des Unterliegens gegen die Y.________ SA erneut sein Regressrecht gegen die Klägerin einklagen. Dass das Abwarten dieser Leistungsklage für die Klägerin unzumutbar gewesen sei, macht sie nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich, da sie mit der Einreichung einer entsprechenden negativen Feststellungsklage bis zum 21. Dezember 2001 zuwartete. Demnach ist bezüglich dieser Klage ein hinreichendes Feststellungsinteresse der Klägerin zu verneinen. 
 
3.7 Da nach dem Gesagten auf das Klagebegehren Ziff. 4.2 mangels eines hinreichenden Feststellungsinteresses nicht einzutreten war, ist unerheblich, ob das Verfahren insoweit vor der zweiten Gewährleistungsklage des Beklagten vom 3. Januar 2001 in Genf rechtshängig wurde. Die Rüge der Klägerin betreffend die zeitliche Priorität der sich entsprechenden Klagen in Arbon und Genf braucht daher mangels Rechtserheblichkeit nicht geprüft zu werden. 
 
4. 
4.1 Das Obergericht nahm an, bezüglich der von der Klägerin am 21. Dezember 2000 in Arbon gestellten Feststellungsbegehren gemäss Ziff. 3 und 4.1 fehle ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse, weil diese Begehren insoweit bedingt seien, als sie das Unterliegen des Beklagten im Genfer Prozess gegen die Y.________ SA voraussetzten. Da diese Voraussetzung bzw. Bedingung noch nicht feststehe, bestehe kein hinreichendes Interesse, über die Feststellungsbegehren zu entscheiden. 
 
4.2 Die Klägerin macht geltend, sowohl die Genfer als auch die Thurgauer Gerichte hätten bezüglich des Rechtsbegehrens Ziff. 4.2. ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse bejaht. Da auch der Entscheid über die Begehren Ziff. 3 und 4.1 vom Ausgang des Verfahrens der Y.________ SA gegen den Beklagten abhänge, sei ein genügendes Rechtsschutzinteresse für alle Begehren zu bejahen. So hätte keines der Thurgauer Gerichte erklärt, aus welchem Grund sich eine unterschiedliche Behandlung der vier Begehren rechtfertige. Dies sei auch nicht ersichtlich. 
 
4.3 Ein erhebliches Rechtsschutzinteresse an der Feststellung kann rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein. Ein solches Interesse fehlt in der Regel, wenn der Kläger in der Lage ist, über eine blosse Feststellung hinaus eine vollstreckbare Leistung zu verlangen (BGE 114 II 253 E. 2a; Urteil des Bundesgerichts 4C.147/2004 vom 17. August 2004 E. 2 mit weiteren Hinweisen). Ist eine Leistungsklage möglich, so kann ausnahmsweise ein Feststellungsinteresse gegeben sein, wenn es darum geht, nicht nur die fällige Leistung zu erhalten, sondern den Bestand des ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses auch für dessen künftige Abwicklung rechtsverbindlich feststellen zu lassen (BGE 84 II 685 E. 2 S. 692). Die Feststellungsklage dient in solchen Fällen dazu, widersprüchliche Urteile zu vermeiden (BGE 99 II 172 E. 2 S. 174). Die Gefahr von widersprüchlichen Urteilen ist jedoch so lange nicht gegeben, wie über den Bestand des den Forderungen zu Grunde liegenden Verhältnisses nicht entschieden werden kann, weil der entsprechende Sachverhalt noch nicht abgeschlossen ist. In solchen Fällen ist daher ein Feststellungsinteresse zu verneinen (Urteil des Bundesgerichts 4C.64/2004 vom 7. Juni 2004, E. 3). 
 
4.4 Mit den Rechtsbegehren gemäss Ziff. 3 und 4.1 will die Klägerin die Schadenersatz- bzw. Freistellungspflicht des Beklagten für den Fall ihres Unterliegens in Prozessen gegen die Y.________ SA und den Beklagten im Zusammenhang mit der umstrittenen Provision festgestellt haben. Ob überhaupt ein Schaden eintreten bzw. die Klägerin zur Zahlung einer Provision verurteilt wird, ergibt sich erst aus dem Ausgang der genannten Prozesse. Da dieser unbekannt ist, steht der massgebende Sachverhalt noch nicht fest, weshalb die Klägerin vor dem Abschluss der genannten Prozesse kein Feststellungsinteresse hat. Danach ist der Klägerin ein möglicher Schaden bzw. eine mögliche Zahlungspflicht bekannt, weshalb sie gegen den Beklagten eine Leistungsklage auf Zahlung von Schadenersatz erheben kann und daher grundsätzlich kein Interesse an einer blossen Feststellung hat. Dass die Klägerin dann nicht den ganzen Schaden geltend machen und deshalb die Gefahr widersprüchlicher Urteile entstehen könnte, legt die Klägerin nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Demnach hat das Obergericht zu Recht angenommen, bezüglich der Klagebegehren 3 und 4.1 fehle ein Feststellungsinteresse. Daran vermag entgegen der Annahme der Klägerin die von ihr aufgezeigte Parallele zum Klagebegehren 4.2 auf negative Feststellung nichts zu ändern, da auch bezüglich dieses Begehrens ein Feststellungsinteresse fehlt (vgl. E. 3 hiervor). 
 
5. 
5.1 Alsdann ging das Obergericht davon aus, das Bezirksgericht Arbon habe das Tribunal de Première Instance in Genf auffordern können, die Rechtsbegehren 1 und 2 gemäss Art. 36 Abs. 2 GestG zu übernehmen, da ein sachlicher Zusammenhang im Sinne dieser Bestimmung gegeben sei. 
 
5.2 Die Klägerin macht nicht geltend, das Obergericht habe mit dieser Erwägung Bundesrecht verletzt, was auch nicht ersichtlich ist. 
 
5.3 Die Klägerin bringt dagegen dem Sinne nach vor, gemäss Art. 7 Abs. 2 GestG sei für mehrere Ansprüche gegen eine beklagte Partei, welche in einem sachlichen Zusammenhang stehen, jedes Gericht zuständig, das für einen der Ansprüche zuständig ist. Daraus, dass das Bezirksgericht Arbon seine Zuständigkeit bezüglich der Rechtsbegehren 1 und 2 rechtskräftig bejaht habe, folge, dass es auch für die Begehren 3 und 4 zuständig sei, zumal insoweit ein sachlicher Zusammenhang bestehe. Demnach sei das Bezirksgericht Arbon auch zur Beurteilung der Rechtsbegehren 3 und 4 örtlich zuständig. 
 
Da gemäss den vorstehenden Erwägungen auf diese Rechtsbegehren mangels eines hinreichenden Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten ist, stellt sich diesbezüglich die Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht. Die Klägerin kann daher aus Art. 7 Abs. 2 GestG nichts zu ihren Gunsten ableiten. 
 
5.4 Schliesslich macht die Klägerin geltend, gemäss Erwägung 3b/bb des Bundesgerichtsentscheids vom 8. Mai 2002 bezüglich der Genfer Gewährleistungsklage des Beklagten würden im vorliegenden Fall identische und nicht bloss in Zusammenhang stehende Klagen erhoben, was eine Anwendung von Art. 36 GestG ausschliesse. 
 
In der angerufenen Erwägung ist das Bundesgericht zum Ergebnis gelangt, das in Genf gestellte Regressbegehren des Beklagten sei mit dem von der Klägerin in Arbon gestellten negativen Feststellungsbegehren identisch (BGE 128 III 284 E. 3b/bb). Damit ist insoweit die Anwendung von Art. 36 GestG, der sich auf in Zusammenhang stehende Klagen bezieht, ausgeschossen. Daraus kann jedoch die Klägerin bezüglich der in der Klage vom 21. Dezember 2000 gestellten Leistungsbegehren 1 und 2, welche nicht mit dem negativen Feststellungsbegehren identisch sind, nichts ableiten. 
 
6. 
Nach dem Gesagten ist die Berufung abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Klägerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). Bei der Bemessung der Parteientschädigung wird die Mehrwertsteuer im Rahmen des geltenden Tarifs pauschal berücksichtigt (Beschluss der Präsidentenkonferenz vom 8. Mai 1995). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 9'000.-- wird der Klägerin auferlegt. 
 
3. 
Die Klägerin hat den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 10'000.-- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 3. Februar 2005 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: