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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5D_130/2011 
 
Urteil vom 22. September 2011 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichter L. Meyer, von Werdt, 
Gerichtsschreiber V. Monn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staat Zürich und Gemeinde Thalwil und Römisch-Katholische Kirchgemeinde, 
vertreten durch das Steueramt der Gemeinde Thalwil, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Definitive Rechtsöffnung, 
 
Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 15. Juni 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Auf Begehren des Staates Zürich, der Gemeinde Thalwil und der römisch-katholischen Kirchgemeinde (nachfolgend "Gläubiger") stellte das Betreibungsamt Thalwil am 16. September 2010 in der Betreibung Nr. xxxx gegen X.________ den Zahlungsbefehl aus. Die Betreibung betrifft eine Steuerforderung von Fr. 2'153.45 nebst Zins zu 4.5 % seit 15. September 2010, Zinsen bis 14. September 2010 von Fr. 91.10 sowie Betreibungskosten von Fr. 84.--. X.________ erhob Rechtsvorschlag. 
 
B. 
Namens der Gläubiger ersuchte das Steueramt der Gemeinde Thalwil beim Bezirksgericht Horgen in der Betreibung Nr. xxxx um definitive Rechtsöffnung (Eingabe vom 26. Januar 2011). Mit Verfügung vom 11. Februar 2011 ordnete der Rechtsöffnungsrichter das schriftliche Verfahren an. Er setzte X.________ eine Frist von sieben Tagen zur Stellungnahme, und drohte ihm an, andernfalls werde aufgrund der Akten entschieden. X.________ liess sich nicht vernehmen. Darauf entschied das Bezirksgericht Horgen aufgrund der Akten. Mit Urteil vom 7. März 2011 erteilte es den Gläubigern die definitive Rechtsöffnung. 
 
C. 
Gegen diesen Entscheid erhob X.________ Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich. Er verlangte sinngemäss die Aufhebung des erstinstanzlichen Entscheides, da er die Aufforderung zur Stellungnahme nie erhalten habe und über das laufende Rechtsöffnungsverfahren nicht informiert gewesen sei. Das Obergericht wies die Beschwerde ab (Urteil vom 15. Juni 2011). 
 
D. 
Mit Beschwerde vom 28. Juli 2011 gelangt X.________ (nachfolgend "Beschwerdeführer") an das Bundesgericht. Er beantragt sinngemäss, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 15. Juni 2011 aufzuheben und die Vorinstanzen anzuweisen, ihn ordentlich zu einem neuen Rechtsöffnungsprozess vorzuladen. 
Die Gläubiger (nachfolgend "Beschwerdegegner") und das Obergericht des Kantons Zürich haben sich zur Beschwerde nicht vernehmen lassen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die rechtzeitig (Art. 100 BGG) eingereichte Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG) in einer vermögensrechtlichen Schuldbetreibungs- und Konkurssache (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Die Streitwertgrenze von Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) ist offensichtlich nicht erreicht. Eine gesetzliche Ausnahme vom Streitwerterfordernis (Art. 74 Abs. 2 BGG) ist nicht gegeben und wird auch nicht geltend gemacht. Mangels Erfüllung des Streitwerterfordernisses ist die Beschwerde in Zivilsachen folglich nicht zulässig. In diesem Fall nimmt das Bundesgericht die Eingabe als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegen. Auf diese tritt es allerdings nur ein, wenn alle formellen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. BGE 134 III 379 E. 1.2 S. 382). 
 
1.2 Neu legt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht diverse Schreiben an die Poststelle Y.________ und "als Musterexemplar" eine Abholungseinladung der Post vom 13. Juli 2011 vor. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht jedoch nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Die rechtssuchende Partei muss in der Beschwerde dartun, inwiefern diese Voraussetzung erfüllt sein soll (BGE 133 III 393 E. 3 S. 395 mit Hinweisen). Diesen Nachweis erbringt der Beschwerdeführer nicht. Die neu ins Recht gelegten Schriftstücke sind daher unbeachtlich. 
 
1.3 Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Das Bundesgericht prüft solche Rügen nicht von Amtes wegen, sondern nur insofern, als sie in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden sind (Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Die rechtssuchende Partei muss präzise angeben, welches verfassungsmässige Recht durch den angefochtenen kantonalen Entscheid verletzt wurde, und im Einzelnen substantiiert darlegen, worin die Verletzung besteht (Rügeprinzip; BGE 133 III 439 E. 3.2 S. 444). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 133 II 396 E. 3 S. 399 f.). Sind die Anforderungen des Rügeprinzips erfüllt, prüft das Bundesgericht allerdings frei, ob die angerufenen verfassungsmässigen Rechte verletzt sind (vgl. BGE 130 I 26 E. 2.1 S. 31 mit Hinweisen). Als willkürlich hebt das Bundesgericht nach seiner ständigen Praxis einen Entscheid auf, wenn dieser offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht schreitet jedoch nur ein, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 134 II 124 E. 4.1 S. 133 mit Hinweisen). 
 
2. 
Der Beschwerdeführer bestreitet unter anderem, dass er mit der Zustellung der Verfügung vom 11. Februar 2011 (s. Bst. B) hätte rechnen müssen. Wenn das Obergericht dies in Anlehnung an Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO behaupte, so sei dies falsch. Zumindest sinngemäss macht der Beschwerdeführer damit geltend, das Obergericht habe die zitierte Prozessvorschrift offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich im Sinne von Art. 9 BV angewendet. Dieser Vorwurf ist begründet: 
 
2.1 Stellt das Gericht eine Vorladung, eine Verfügung oder einen Entscheid durch eingeschriebene Postsendung zu und wurde die Postsendung nicht abgeholt, so gilt die Zustellung am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste (Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO). Die Tatbestände, die der Gesetzgeber in der zitierten Vorschrift der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung niedergelegt hat, entsprechen der bewährten Rechtsprechung (s. die Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7307 Ziff. 5.9.2). Danach kann die Zustellung eines behördlichen Aktes nur dann fingiert werden, wenn sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwartet werden musste. Ein Prozessrechtsverhältnis, das die Parteien verpflichtet, sich nach Treu und Glauben zu verhalten, entsteht freilich erst mit der Rechtshängigkeit. Ist ein solches Verfahrensverhältnis begründet, haben die Parteien unter anderem dafür zu sorgen, dass ihnen Entscheide, die das Verfahren betreffen, auch zugestellt werden können. Mithin müssen die Parteien während des hängigen Verfahrens mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit der Zustellung eines behördlichen Aktes rechnen (BGE 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399 mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat weiter festgehalten, ein Betreibungsverfahren, das durch Rechtsvorschlag eingestellt wurde (Art. 78 Abs. 1 SchKG), könne nur nach Aufhebung des Rechtsvorschlages durch den Richter im Rechtsöffnungsverfahren (Art. 80-84 SchKG) oder auf dem ordentlichen Prozessweg (Art. 79, 153 Abs. 3 und 186 SchKG) fortgesetzt werden. Der Rechtsöffnungsprozess stellt somit ein neues Verfahren dar. Daraus folgt, dass der Schuldner allein aufgrund der Zustellung eines Zahlungsbefehls bzw. des dagegen erhobenen Rechtsvorschlags noch nicht mit einem Rechtsöffnungsverfahren bzw. mit der Zustellung gerichtlicher Verfügungen rechnen muss. Die Zustellungsfiktion kann nur für ein hängiges bzw. laufendes Verfahren gelten (BGE a.a.O., E. 1.2.3 S. 400 f.). In einem neueren Urteil hat das Bundesgericht diese Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt und ausgeführt, es bestehe kein Anlass, einen Betriebenen bereits nach Eingang des Zahlungsbefehls mit der Obliegenheit zu belasten, mit einem späteren Rechtsöffnungsverfahren rechnen zu müssen (Urteil 5A_710/2010 vom 28. Januar 2011 E. 3.2). 
 
2.2 Das Obergericht des Kantons Zürich äussert sich nicht zur Frage, ob die Verfügung des Bezirksgerichts Horgen vom 11. Februar 2011 dem Beschwerdeführer tatsächlich zugestellt wurde, dieser also Kenntnis von der entsprechenden Abholungseinladung erhalten hat. Es stützt seinen Entscheid auf das Institut der Zustellungsfiktion und kommt zum Schluss, der Beschwerdeführer habe nach angehobener Betreibung, Zustellung des Zahlungsbefehls und erhobenem Rechtsvorschlag mit gerichtlichen Zustellungen rechnen müssen. Damit steht der angefochtene Entscheid in einem klaren Widerspruch zur geschilderten Rechtsprechung. Das Obergericht äussert sich mit keinem Wort zur Frage, weshalb gerade im vorliegenden Fall von der bundesgerichtlichen Praxis abgewichen werden könnte. Insbesondere nennt es auch keine besonderen Umstände, in Anbetracht derer sich der Beschwerdeführer geradezu dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs (Art. 2 Abs. 2 ZGB) aussetzen würde, wenn er sich darauf beruft, dass allein aufgrund einer - infolge Rechtsvorschlags eingestellten (Art. 78 Abs. 1 SchKG) - Betreibung nicht mit einer gerichtlichen Verfügung gerechnet werden müsse. Mithin erweist sich der angefochtene Entscheid als offensichtlich unhaltbar. Indem das Obergericht die Zustellung der Verfügung des Rechtsöffnungsrichters vom 11. Februar 2011 fingiert, wendet es die in Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO enthaltene Vorschrift in einer Weise an, die vor dem verfassungsmässigen Willkürverbot (Art. 9 BV) nicht standhält. Im Ergebnis wurde damit dem Beschwerdeführer - wie dieser selbst zu Recht geltend macht - das rechtliche Gehör verweigert, was ungeachtet der Erfolgsaussichten seiner Prozessstandpunkte zur Rückweisung an die mit der Hauptsache befasste Instanz führt (s. BGE 135 I 279 E. 2.6.1 S. 285 mit Hinweisen). 
 
2.3 Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als begründet. Sie ist gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Gestützt auf Art. 117 in Verbindung mit Art. 107 Abs. 2 BGG ist die Sache direkt an das Bezirksgericht Horgen zurückzuweisen, damit dieses dem Beschwerdeführer erneut eine Frist zur Stellungnahme ansetze. 
3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens unterliegen die Beschwerdegegner. Sie werden kostenpflichtig, da sie in ihren Vermögensinteressen betroffen sind (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Die Kostenpflicht wird ihnen zu gleichen Teilen und in solidarischer Haftbarkeit auferlegt (Art. 66 Abs. 5 BGG). Der Beschwerdeführer ist nicht anwaltlich vertreten und hat im Übrigen keinen Antrag auf Ausrichtung einer Parteientschädigung gestellt. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil der I. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 15. Juni 2011 wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bezirksgericht Horgen zurückgewiesen, damit dieses dem Beschwerdeführer erneut eine Frist ansetze, um zum Rechtsöffnungsbegehren der Beschwerdegegner Stellung zu nehmen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden den Beschwerdegegnern zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 22. September 2011 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Hohl 
 
Der Gerichtsschreiber: V. Monn