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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_734/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 13. März 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber Schmutz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
W.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Figi, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des 
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 3. September 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
W.________, geboren am 7. November 1950, ist gelernter Maschinenmechaniker und arbeitete ab 1989 bis Ende April 2012 als Monteur in der N.________ AG. Am 1. November 2011 meldete er sich unter Hinweis auf schmerzende Druckstellen in der rechten Hand, starke Schmerzen bei Belastung in beiden Ellbogen und Beschwerden nach fünf Operationen am rechten Knie mit zur Zeit starker Ausstrahlung in die rechte Hüfte bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich tätigte beruflich-erwerbliche sowie medizinische Abklärungen. Sie zog die Akten des Krankentaggeldversicherers Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft (Allianz) bei. Mit Vorbescheid vom 20. Februar 2012 und Verfügung vom 4. April 2012 sprach die IV-Stelle dem Versicherten gestützt auf das Gutachten (z.H. der Allianz) des Zentrums X.________ vom 9. März 2012 eine Viertelsrente ab 1. April 2012 zu (Invaliditätsgrad von 41 %). Es wurde angemerkt, da zu einem späteren Zeitpunkt noch weitere medizinische Abklärungen angezeigt seien, sei eine Stellensuche und somit eine berufliche Eingliederungsmassnahme zurzeit nicht möglich. 
 
B.   
Die von W.________ gegen die Verfügung vom 4. April 2012 eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 3. September 2013 ab. 
 
C.   
W.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt, der kantonale Entscheid sowie der Vorbescheid vom 20. Februar 2012 und die Verfügung vom 4. April 2012 seien aufzuheben. Es sei ihm ab dem 1. April 2012 eine ganze IV-Rente zuzusprechen. Eventualiter sei ein neutrales, umfassendes, polydisziplinäres Gerichtsgutachten zu erstellen. Subeventualiter seien ihm Eingliederungsmassnahmen (insbesondere berufliche Massnahmen) zuzusprechen. 
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde. Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
Erwägungen: 
 
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand einer versicherten Person und der daraus resultierenden Arbeits (un) fähigkeit, die das Sozialversicherungsgericht gestützt auf medizinische Untersuchungen trifft, sind tatsächlicher Natur. Soweit die Beurteilung der Zumutbarkeit von Arbeitsleistungen auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt wird, geht es um eine Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.; Urteil 9C_133/2011 vom 29. April 2011 E. 1). Rechtsfrage ist auch, nach welchen Gesichtspunkten die Entscheidung über die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit erfolgt (Urteil 9C_190/2009 vom 11. Mai 2009 E. 3.3).  
 
2.  
 
2.1. Das trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung zumutbarerweise erzielbare Einkommen ist bezogen auf einen ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu ermitteln, wobei an die Konkretisierung von Arbeitsgelegenheiten und Verdienstaussichten keine übermässigen Anforderungen zu stellen sind (im Einzelnen dazu SVR 2008 IV Nr. 62 S. 203, 9C_830/2007 E. 5.1). Das fortgeschrittene Alter wird, obgleich an sich ein invaliditätsfremder Faktor, in der Rechtsprechung als Kriterium anerkannt, welches zusammen mit weiteren persönlichen und beruflichen Gegebenheiten dazu führen kann, dass die einer versicherten Person verbliebene Resterwerbsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt realistischerweise nicht mehr nachgefragt wird und ihr deren Verwertung auch gestützt auf die Selbsteingliederungslast nicht mehr zumutbar ist. Fehlt es an einer wirtschaftlich verwertbaren Resterwerbsfähigkeit, liegt eine vollständige Erwerbsunfähigkeit vor, die einen Anspruch auf eine ganze Invalidenrente begründet (Urteil I 831/05 vom 21. August 2006 E. 4.1.1 mit Hinweisen). Der Einfluss des Lebensalters auf die Möglichkeit, das verbliebene Leistungsvermögen auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu verwerten, lässt sich nicht nach einer allgemeinen Regel bemessen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Massgebend können die Art und Beschaffenheit des Gesundheitsschadens und seiner Folgen, der absehbare Umstellungs- und Einarbeitungsaufwand und in diesem Zusammenhang auch Persönlichkeitsstruktur, vorhandene Begabungen und Fertigkeiten, Ausbildung, beruflicher Werdegang oder Anwendbarkeit von Berufserfahrung aus dem angestammten Bereich sein (Urteile 9C_153/2011 vom 22. März 2012 E. 3.1; 9C_918/2008 vom 28. Mai 2009 E. 4.2.2 mit Hinweisen).  
 
2.2. Die Möglichkeit, die verbliebene Arbeitsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu verwerten, hängt nicht zuletzt auch davon ab, welcher Zeitraum der versicherten Person für eine berufliche Tätigkeit und vor allem auch für einen allfälligen Berufswechsel noch zur Verfügung steht. Die im gesamten Bereich des Sozialversicherungsrechts geltende Schadenminderungspflicht und die daraus abgeleitete Selbsteingliederungslast (vgl. BGE 113 V 22 E. 4a S. 28 mit Hinweisen; Urteil 9C_916/2010 vom 20. Juni 2011 E. 2.2) gebieten grundsätzlich, die Frage nach der Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit möglichst früh zu beantworten. Gemäss BGE 138 V 457 E. 3.4 S. 462 steht die medizinische Zumutbarkeit einer (Teil-) Erwerbstätigkeit fest, sobald die medizinischen Unterlagen diesbezüglich eine zuverlässige Sachverhaltsfeststellung erlauben.  
 
3.   
Streitgegenstand bildet die Frage, ob die Resterwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt realistischerweise nachgefragt wird und ihm deren Verwertung gestützt auf die Selbsteingliederungslast noch zumutbar ist. 
 
3.1. Mit dem Eingang des Gutachtens des Zentrums X.________ vom 9. März 2012 und der Antwort des Zentrums X.________ auf die gestellte Ergänzungsfrage am 30. März 2012 war grundsätzlich eine zuverlässige Sachverhaltsfeststellung möglich: Aufgrund der Schulterproblematik rechts bestand sowohl in der angestammten wie in einer angepassten Tätigkeit vorerst aus rheumatologisch-orthopädischer Sicht keine Arbeitsfähigkeit. Nach Klärung der medizinischen Situation war von einer ganztags zumutbaren adaptierten leichten, nicht schulterbelasteten Tätigkeit mit Wechselbelastung auszugehen. Sollte an der rechten Schulter ein operatives Vorgehen notwendig sein, verschob sich allerdings der berufliche Einstieg um die Nachbehandlungszeit.  
 
3.2. Nach Einleitung des vorinstanzlichen Verfahrens hielt der behandelnde Arzt Dr. med. G.________, Leitender Arzt Traumatologie des Spitals Y.________, am 16. Mai 2012 fest, die Schulterschmerzen persistierten. Er gab an, dass sich in der Zwischenzeit aufgrund einer Angina pectoris Herzprobleme eingestellt hätten. Der Patient sei mit Stents behandelt worden und aktuell müsse das Blut verdünnt werden. Die vorgesehene Schulterspiegelung an der rechten Schulter werde erst ein Jahr nach der Absetzung der Blutverdünnung möglich sein.  
 
3.3. Angesichts der nicht geklärten medizinischen Situation ist es nachvollziehbar, dass berufliche Eingliederungsmassnahmen vorerst unterblieben. Dass der Beschwerdeführer trotz Unterstützung durch das RAV keine behinderungsangepasste Stelle fand, zeigt auch, dass er nicht leicht vermittelbar ist. Die Vorinstanz hat jedoch die Zusprache lediglich einer Viertelsrente mit der Begründung geschützt, es sei erstellt, dass es dem Beschwerdeführer möglich sei, ganztags in einer adaptierten leichten, nicht schulterbelastenden Arbeit mit Wechselbelastung tätig zu sein. Dieser hält dagegen, so werde das Herzleiden unter den Tisch gewischt und die Knieleiden würden nicht gebührend berücksichtigt. Dass er trotz Unterstützung durch das RAV keine Stelle habe finden können, zeige, dass aufgrund seines fortgeschrittenen Alters von 61 1/2 Jahren im Zeitpunkt des Verfügungserlasses keine verwertbare Restarbeitsfähigkeit mehr vorliege.  
 
3.4. Dem Beschwerdeführer ist darin Recht zu geben, dass das fortgeschrittene Alter in Verbindung mit dem Herzleiden und der damit verknüpften Verzögerung einer allfälligen Schulteroperation eine Situation mit vielen Unwägbarkeiten schafft. Es muss damit gerechnet werden, dass eine Anstellung durch krankheitsbedingte Unterbrüche geprägt und eine halbwegs ungestörte Tätigkeit gar nicht möglich ist. Dies hält potenzielle Arbeitgeber davon ab, das Risiko einer mit solchen Komplikationen behafteten Anstellung einzugehen. Hinzu kommt aber, dass der zeitliche Horizont für eine Anstellung immer kürzer wird. Insgesamt ist realistischerweise die Resterwerbsfähigkeit nicht mehr nachgefragt und deren Verwertung auch gestützt auf die Selbsteingliederungslast nicht mehr zumutbar. Fehlt es an einer wirtschaftlich verwertbaren Resterwerbsfähigkeit, liegt eine vollständige Erwerbsunfähigkeit vor. Der Beschwerdeführer hat deshalb ab 1. April 2012 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente.  
 
4.   
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 3. September 2013 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 4. April 2012 werden aufgehoben. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer mit Wirkung ab 1. April 2012 eine ganze Invalidenrente auszurichten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 13. März 2014 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Schmutz