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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_476/2018  
 
 
Urteil vom 4. Juni 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Gerichtsschreiber Kocher. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________ B.V., 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch 
Rechtsanwalt Thomas Verschuuren Kopfstein, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, 
Eigerstrasse 65, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Amtshilfe DBA (CH-NL), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 15. Mai 2018 (A-2732/2018). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der niederländische Belastingdienst unterbreitete der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) ein Gesuch um Amtshilfe hinsichtlich von A.________, mit Wohnsitz in U.________ (PA), und der B.________ BV mit Sitz in V.________ (NL). Mit Schlussverfügung vom 6. April 2018 ordnete die ESTV an, es werde in beiden Fällen internationale Amtshilfe in Steuersachen geleistet. Sie versandte die Schlussverfügung im Verfahren "A-Post Plus" und übergab sie am 6. April 2018 der Schweizerischen Post. Diese legte das Schreiben am Samstag, 7. April 2018 in das Postfach des die beiden amtshilfebetroffenen Personen vertretenden Anwalts. Dieser erhob am Mittwoch, 9. Mai 2018 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde.  
 
1.2. Mit Entscheid A-2732/2018 vom 15. Mai 2018 trat das Bundesverwaltungsgericht auf die Beschwerde nicht ein. Es erkannte, die 30tägige Rechtsmittelfrist habe am 8. April 2018 zu laufen begonnen und daher am Montag, 7. Mai 2018 geendet. Die am 9. Mai 2018 erfolgte Beschwerdeeinreichung sei verspätet erfolgt.  
 
1.3. Mit Eingabe vom 28. Mai 2018 erheben die beiden amtshilfebetroffenen Personen beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht verlangen sie, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.  
 
1.4. Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG [SR 173.110]) hat von Instruktionsmassnahmen abgesehen.  
 
2.  
 
2.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sind unter Vorbehalt des Nachfolgenden gegeben (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a, Art. 89 Abs. 2 lit. a und Art. 100 Abs. 2 lit. b BGG).  
 
2.2.  
 
2.2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe, mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen (Art. 83 lit. h BGG). Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde aber nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt (Art. 84a BGG; BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410). Die beschwerdeführende Person hat in ihrer Eingabe detailliert aufzuzeigen, dass und weshalb diese besondere Sachurteilsvoraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 Satz 2 BGG), es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (auch dazu BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410).  
 
2.2.2. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn deren Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich, wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Damit Fälle als gleichartig angesehen werden können, genügt es nicht, dass sich dieselbe Rechtsfrage in weiteren Verfahren stellen wird. Die zu beurteilende Streitsache muss überdies geeignet sein, die Frage auch mit Bezug auf die anderen Fälle zu klären. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn entscheidrelevante Eigenheiten bestehen, die bei den anderen Fällen in der Regel nicht gegeben sind (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410; 139 II 340 E. 4 S. 342 mit Hinweisen). Vor allem aber muss es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung  auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen handeln (vgl. BGE 143 II 120 E. 2.2.2 S. 123; 143 II 425 E. 1.3 S. 427; 137 II 313 E. 1.1.1 S. 316).  
 
2.3.  
 
2.3.1. Streitig und zu prüfen ist vorab, ob die vorinstanzliche Annahme, die gesetzliche Beschwerdefrist von 30 Tagen sei versäumt worden, als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder aus anderen Gründen als besonders bedeutender Fall zu würdigen ist.  
 
2.3.2. Die Vorinstanz erkannte, eine Verfügung oder ein Entscheid gelte als eröffnet, sobald er ordnungsgemäss zugestellt ist und die betroffene Person davon Kenntnis nehmen kann. Dass sie davon tatsächlich Kenntnis nimmt, ist nicht erforderlich (BGE 122 I 139 E. 1 S. 143; zur "A-Post Plus" insbesondere Urteil 2C_392/2017 vom 11. Januar 2018 E. 2.1). Für die ordnungsgemässe Zustellung der Verfügungen ist die Verwaltungsbehörde beweisbelastet, wobei - bei eingeschriebener Briefpost - praxisgemäss eine natürliche Vermutung für die ordnungsgemässe Zustellung der Abholungseinladung (im Briefkasten, im Postfach) besteht. Dasselbe gilt für das Verfahren "A-Post Plus", bei welchem der Briefträger den Brief nicht nur in den Briefkasten legt, sondern zugleich den Zustellzeitpunkt in seinem elektronischen System festhält (dazu etwa Urteil 2C_195/2018 vom 2. März 2018 E. 2.2).  
 
2.3.3. Die amtshilfebetroffenen Personen machen im Wesentlichen eine "Verletzung des Grundsatzes der Rechtsgleichheit in der Rechtsanwendung sowie eine Verletzung des Anspruchs auf Gleichbehandlung geltend und verlangen eine Präzisierung bzw. Klarstellung in Bezug auf die vom Bundesgericht bisher noch unbeantwortete Grundsatzfrage, ob die ESTV generell Schlussverfügungen in Amtshilfeverfahren mit A-Post Plus zustellen darf". Darüber hinaus rügen sie namentlich Verstösse gegen Art. 9 BV, gegen das StAhiG und gegen Art. 12 VwVG. Schliesslich bringen sie vor, ihrem Rechtsvertreter sei es am 7. April 2018 (und auch später) benommen gewesen, Zugang zum Postfach zu erlangen (hierzu befugt sei lediglich das administrative Kanzleipersonal).  
 
2.3.4. Die Vorinstanz hat hauptsächlich Art. 21 Abs. 1 VwVG ausgelegt und angewandt, wonach schriftliche Eingaben spätestens am letzten Tag der Frist zu Handen der schweizerischen Post zu übergeben sind. Zur Frage, ob die ESTV befugt sei, auch in Verfahren der internationalen abgaberechtlichen Amtshilfe zum Mittel der "A-Post Plus" zu greifen, um eine Schlussverfügung zu versenden, fehlt eine vorinstanzliche Auseinandersetzung. Anders, als die amtshilfebetroffenen Personen dies vorbringen, stellt sich die Frage im Bereich der internationalen fiskalrechtlichen Amtshilfe, verglichen mit anderen Rechtsbereichen, aber nicht zwingend in einem anderen Licht dar. Weshalb es unmöglich sein soll, zwar Veranlagungsverfügungen (zumeist sogar mit uneingeschriebener Briefpost versandt), nicht aber Schlussverfügungen auf diese Weise zu versenden, bleibt unklar. Die amtshilfebetroffenen Personen vermögen denn auch keine Norm des internationalen Doppelbesteuerungsrechts oder des unilateralen Amtshilfevollzugsrechts (StAhiG) anzurufen, welche eine Zweiteilung nahelegen könnten.  
 
2.3.5. Die Fragestellung nach der Form der Eröffnung kann sich grundsätzlich in jedem Verwaltungsverfahren, vor allem auch in jedem abgaberechtlichen Verfahren stellen. Die einzige Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, dass ein internationaler Kontext vorliegt. Dennoch handelt es sich letztlich um eine rein nationale Angelegenheit, die höchstens reflexweise auf den Vertragsstaat ausstrahlt. So oder anders ist die Grundbedingung, dass es sich um eine Rechtsfrage  aus dem Bereich von Art. 84a BGG (konkret: aus dem  materiellen [DBA CH-NL]  oder formellen Amtshilferecht [StAhiG]) handeln muss, nicht erfüllt (siehe zu einem vergleichbaren Fall Urteil 2C_223/2018 vom 14. März 2018).  
 
2.3.6. Auf die Beschwerde ist daher im Verfahren nach Art. 107 Abs. 3 und Art. 109 Abs. 1 BGG nicht einzutreten.  
 
2.4. Das Gesuch um Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, das die amtshilfebetroffenen Personen zur Wahrung aller Rechte stellen, erweist sich als gegenstandslos. Gemäss Art. 103 Abs. 2 lit. d BGG entfaltet die Beschwerde in Verfahren auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung. Soweit über das Gesuch zu befinden gewesen wäre, hätte sich mit dem vorliegenden Entscheid ohnehin Gegenstandslosigkeit eingestellt.  
 
3.  
 
3.1. Nach dem Unterliegerprinzip haben die beschwerdeführenden amtshilfebetroffenen Personen die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 BGG), dies je hälftig und unter solidarischer Haftung (Art. 66 Abs. 5 BGG).  
 
3.2. Der Eidgenossenschaft, die in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern je hälftig und unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. Juni 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher