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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 432/00 
 
Urteil vom 9. März 2004 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Fessler 
 
Parteien 
G.________, 1962, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Felix Schmid, Oberer Graben 42, 9000 St. Gallen, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
(Entscheid vom 23. Mai 2000) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1962 geborene G.________ war seit 24. März 1986 als Maurer-Vorarbeiter in der Baufirma X.________ AG tätig. Wegen Rückenbeschwerden ersuchte er Anfang Juli 1987 die Invalidenversicherung um berufliche Massnahmen. Mit Verfügung vom 19. November 1987 sprach ihm die Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes die Umschulung zum technischen Kaufmann KS/ZbW an der Kaderschule Q.________ vorerst für ein Semester (vom 26. Oktober 1987 bis 30. April 1988) zu. Nach dem vorzeitigen Abbruch dieses Lehrganges im Februar 1988 - gemäss Berufsberater wegen Überforderung - begann G.________ am 25. April 1988 die Lehre als Hochbauzeichner in der Firma Architektengemeinschaft Y.________, für welche berufliche Massnahme die Invalidenversicherung unter dem Titel Umschulung die gesetzlichen Leistungen erbrachte. Die Lehrabschlussprüfung im Frühjahr 1991 bestand G.________ nicht. In der Folge begann er am 1. Mai 1991 als Hilfszeichner im Architekturbüro Z.________ zu arbeiten. Dabei ging es darum, die fehlende Praxis mit geeigneten Aufträgen wettzumachen, dies im Hinblick auf die Wiederholung des nicht bestandenen praktischen Teils der Prüfung im Frühjahr 1992. Diese ebenfalls von der Invalidenversicherung übernommene berufliche Massnahme wurde auf Gesuch des Versicherten bis 16. Oktober 1992 verlängert. 
Am 9. September 1992 teilte G.________ mit, er habe das Arbeitsverhältnis mit Herrn Z.________ auf Ende Juli 1992 aufgelöst, u.a. weil dieser ihm zu verstehen gegeben habe, dass er nicht bereit sei, die Verantwortung für seine Nachprüfung zu übernehmen. Da er bisher keine andere Zeichnerstelle gefunden habe, eigne er sich auf eigene Rechnung und Verantwortung Kenntnisse in CAD an. Nach dem erneuten Nichtbestehen der Lehrabschlussprüfung Ende September 1992 und nach Arbeitslosigkeit arbeitete G.________ vom 14. Juni bis 1. Oktober 1993 als Aushilfe im Amt für Archäologie. In dieser Zeit wurde er an der Klinik für Orthopädische Chirurgie des Spitals A.________ von Dr. med. J._________ untersucht und begutachtet. Auf Betreiben seines Rechtsvertreters und gestützt auf den Bericht des Berufsberaters vom 26. April 1994 sprach die Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes G.________ mit Verfügung vom 22. Juni 1994 die Umschulung zum Hochbauzeichner in Form einer Vorbereitung auf die Abschlussprüfung vom 8. August 1994 bis 7. Februar 1995 zu. Nach dem erneutern Scheitern an der Abschlussprüfung im Frühjahr 1995 begann G.________ im März 1995 als selbstständiger Kundenmaurer zu arbeiten. 
Nach weiteren Abklärungen und nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens lehnte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen mit Verfügung vom 12. Februar 1998 das Gesuch um eine Invalidenrente ab. 
B. 
G.________ liess beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen Beschwerde einreichen und beantragen, in Aufhebung der Verfügung vom 12. Februar 1998 sei ihm rückwirkend ab 1. April 1995 eine halbe Rente zuzusprechen; eventuell seien neue berufliche Massnahmen zu prüfen und durchzuführen. Nach Vernehmlassung der IV-Stelle und zweitem Schriftenwechsel wies das Gericht das Rechtsmittel mit Entscheid vom 23. Mai 2000 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt G.________ die im kantonalen Verfahren gestellten Rechtsbegehren erneuern, im Subeventualstandpunkt die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Verwaltung beantragen. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung keine Vernehmlassung einreicht. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ist vorliegend nicht anwendbar (BGE 129 V 4 Erw. 1.2). 
2. 
Im Streite liegt der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung, allenfalls Umschulung. 
3. 
3.1 Im angefochtenen Entscheid werden die Gesetzesbestimmungen zum Begriff der Invalidität (alt Art. 4 Abs. 1 IVG) sowie seine Konkretisierung bei Massnahmen der Umschulung nach Art. 17 IVG, über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung) und die Bemessung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen (alt Art. 28 Abs. 2 IVG) richtig wiedergegeben. Zutreffend sind auch die Ausführungen der Vorinstanz zur Bedeutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen) sowie zu der dem Rentenanspruch vorgehenden Pflicht der Versicherten zur Selbsteingliederung (BGE 127 V 297 Erw. 4b/cc). Darauf wird verwiesen. 
3.2 Die Invaliditätsbemessung hat in der Regel in der Weise zu erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen (Validen- und Invalideneinkommen) ziffernmässig möglichst genau ermittelt und einander gegenübergestellt werden. Die daraus sich ergebende Erwerbseinbusse bezogen auf das Einkommen ohne gesundheitliche Beeinträchtigung, ausgedrückt in Prozenten, entspricht dem Invaliditätsgrad (allgemeine Methode des Einkommensvergleichs; BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 f. Erw. 2a und b). 
Für den Einkommensvergleich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des (frühest möglichen) Beginns des Rentenanspruchs massgebend. Dabei sind Validen- und Invalideneinkommen auf zeitidentischer Grundlage zu ermitteln. Allfällige rentenwirksame Änderungen der Vergleichseinkommen bis zum Verfügungserlass sind zu berücksichtigen (BGE 129 V 222; vgl. BGE 128 V 174). 
3.3 
3.3.1 Für die rechnerische Bestimmung des Invalideneinkommens ist primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person konkret steht. Übt sie nach Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung eine Erwerbstätigkeit aus, bei der - kumulativ - besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass sie die ihr verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft und dass das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn erscheint, gilt grundsätzlich der damit erzielte Verdienst als Invalidenlohn (BGE 126 V 76 Erw. 3b/aa mit Hinweisen). Ist kein solches tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen gegeben, namentlich weil die versicherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, können nach der Rechtsprechung Tabellenlöhne beigezogen werden. Das Eidgenössische Versicherungsgericht stellt zu diesem Zweck in der Regel auf die vom Bundesamt für Statistik im Zweijahresrhythmus - erstmals für 1994 - herausgegebene Schweizerische Lohnstrukturerhebung (LSE) ab, genauer auf die im Anhang dieser Publikation enthaltenen A-Tabellen mit den bezogen auf ein Vollzeitäquivalent von 4 1/3 Wochen à 40 Arbeitsstunden und nach verschiedenen Merkmalen aufgeschlüsselten monatlichen Bruttolöhnen (Zentralwerte; BGE 126 V 77 Erw. 3b/bb, 124 V 322 f. Erw. 3b/aa). 
3.3.2 Wird das Invalideneinkommen auf der Grundlage von statistischen Durchschnittswerten ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert (Tabellenlohn) allenfalls zu kürzen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale einer versicherten Person, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Ausbildung, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können (BGE 124 V 323 Erw. 3b/aa). Der Abzug hat nicht automatisch, sondern dann zu erfolgen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die versicherte Person wegen eines oder mehrerer dieser Merkmale ihre gesundheitlich bedingte (Rest-)Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann. Bei der Bestimmung der Höhe des Abzugs vom Tabellenlohn sodann ist nicht in der Weise vorzugehen, dass für jedes in Betracht fallende Merkmal separat eine Reduktion vorgenommen wird, weil damit Wechselwirkungen ausgeblendet würden. Vielmehr ist der Einfluss aller Merkmale auf das Invalideneinkommen (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienst jahre, Ausbildung, Nationalität, Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad) unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen. Dabei ist der Abzug auf insgesamt höchstens 25 % zu begrenzen (BGE 126 V 75 und AHI 2002 S. 62). 
4. 
Das kantonale Gericht hat durch Einkommensvergleich einen Invaliditätsgrad von 21 % ermittelt. Das Valideneinkommen hat die Vorinstanz auf Fr. 67'400.- festgesetzt. Diese Summe entspricht dem Verdienst, den der Beschwerdeführer nach Angaben seines letzten Arbeitgebers als Maurer-Vorarbeiter 1997 erzielt hätte. 
Das Invalidenenkommen hat die Vorinstanz auf der Grundlage der Lohnstrukturerhebungen 1996 des Bundesamtes für Statistik (LSE 96) bestimmt. Dabei ist sie zu Gunsten des Versicherten davon ausgegangen, er könne zwar zu 100 %, aber nur in der Baubranche und dort lediglich als Hilfsarbeiter tätig sein. Der durchschnittliche monatliche Bruttolohn von Männern im privaten Sektor 2 Produktion/Baugewerbe für einfache und repetitive Tätigkeiten (Anforderungsniveau 4) beträgt Fr. 4442.- (LSE 96 S. 17). Diesen Betrag (x 12) hat die Vorinstanz dem Invalideneinkommen für 1997 gleichgesetzt. 
5. 
5.1 Das Valideneinkommen von Fr. 67'400.- für 1997 ist unbestritten und nicht zu beanstanden. 
5.2 
5.2.1 Für die Ermittlung des Invalideneinkommens hat das kantonale Gericht zu Recht statistische Durchschnittslöhne herangezogen. Der tatsächlich erzielte Verdienst als selbstständiger Kundenmaurer bildet keine zuverlässige Grundlage für die Bestimmung des trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung bei ausgeglichener Arbeitsmarklage zumutbarerweise erzielbaren Verdienstes. Dabei kann offen bleiben, ob der Versicherte nach der Umschulung zum Hochbauzeichner mit dieser seit März 1995 ausgeübten Tätigkeit seine Arbeitsfähigkeit in zumutbarem Masse voll ausschöpft. 
Die in diesem Zusammenhang vorgetragene Rüge der Verweigerung des rechtlichen Gehörs ist unbegründet. 
5.2.2 Im Weitern ist mit der Vorinstanz von einer Arbeitsfähigkeit von 100 % in wenig belastenden Tätigkeiten auszugehen. Die Einschätzungen der Arbeitsfähigkeit als Hochbauzeichner der Dres. med. J.________ und K.________ im Gutachten vom 31. August 1995 resp. im Bericht vom 12. Juli 1996 geben zu keiner andern Beurteilung Anlass. 
5.2.3 Der durchschnittliche monatliche Bruttolohn von Männern im privaten Sektor 2 Produktion für einfache und repetitive Tätigkeiten (Anforderungsniveau 4) beträgt Fr. 4503.- (LSE 96 S. 17). Unter Berücksichtigung einer betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41,7 Stunden und der Nominallohnentwicklung 1996/97 von 0,2 Prozent (Die Volkswirtschaft 8-2001 Anhang S. 92 f. Tabellen B9.2 und B10.2) ergibt sich für 1997 ein Invalideneinkommen von Fr. 56'445.- (Fr. 4503.- x 12 x [41,7/40] x 1.002). 
Es sind keine Umstände ersichtlich, welche einen namentlich leidensbedingten Abzug von diesem Tabellenlohn rechtfertigten. Daran ändern die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts. 
5.3 Aus der Gegenüberstellung von Valideneinkommen (Fr. 67'400.-) und Invalideneinkommen (Fr. 56'445.-) ergibt sich für 1997 ein Invaliditätsgrad von 16 %. Für 1995, 1996 und 1998 resultiert im Maximum eine Erwerbsunfähigkeit von 18,5 %. Somit besteht bis zum Zeitpunkt der Verfügung vom 12. Februar 1998 kein Anspruch auf eine Rente. 
Ebenfalls ist ein Anspruch auf Umschulung zu verneinen (BGE 124 V 110 f. Erw. 2b). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 9. März 2004 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: