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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_621/2023  
 
 
Urteil vom 30. November 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichterinnen Moser-Szeless, Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiberin Bögli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Treuhand- und 
Revisionsgesellschaft Mattig-Suter und Partner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse Schwyz, 
Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung (Beitragsfestsetzung, Erwerbstätigkeit, Nichterwerbstätigkeit), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 22. August 2023 (II 2023 49). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geb. 1959, war Alleinaktionär und seit Gründung Geschäftsführer/Verwaltungsratsmitglied (ab Januar 2021 Verwaltungsratspräsident) mit Einzelunterschrift der am xx. August 1991 im Handelsregister eingetragenen B.________ AG. Dabei erzielte er ab 2019 ein Einkommen von Fr. 12'000.- (2019), Fr. 6'000.- (2020) und Fr. 1'500.- (2021). Per 31. März 2021 verlegte er seinen Wohnsitz nach U.________. Nach einer Meldung der Steuerverwaltung des Kantons Schwyz über das Einkommen und Vermögen von A.________ kam die Ausgleichskasse Schwyz mit Verfügung vom 12. August 2022 zum Schluss, A.________ sei als nicht dauernd voll Erwerbstätiger im Sinne von Art. 28 bis AHVV (SR 831.101) zu betrachten, weshalb seine Beiträge wie bei Nichterwerbstätigen auf Basis seines massgebenden Vermögens (von Fr. 28'587'295.- [2020], Fr. 29'582'561.- [2021]) zu bemessen seien. Daraus resultierten - unter Anrechnung der bereits geleisteten Beiträge - provisorische Akontobeiträge in der Höhe von Fr. 24'013.50 (2019; zzgl. Verzugszinsen von Fr. 2'808.25), Fr. 25'375.35 (2020; zzgl. Verzugszinsen von Fr. 2'051.15) und Fr. 6'434.80 (2021; zzgl. Verzugszinsen von Fr. 198.40).  
Die dagegen erhobene Einsprache wies die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 26. April 2023 ab. 
 
B.  
A.________ liess dagegen Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz erheben, welches diese mit Entscheid vom 22. August 2023 abwies. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, die AHV-Beiträge und Verzugszinsen seien auf Fr. 0.- festzusetzen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen sind die Beiträge des Beschwerdeführers als Nichterwerbstätiger (AHV/IV/EO samt Verwaltungskosten und Verzugszinsen) für die Jahre 2019 und 2020 sowie Januar bis März 2021.  
 
2.2. Die Vorinstanz hat die massgebenden gesetzlichen Bestimmungen zum Kreis der beitragspflichtigen Personen (Art. 3 Abs. 1 AHVG), zur Beitragspflicht der Erwerbstätigen (Art. 4 Abs. 1 AHVG) und der Nichterwerbstätigen (Art. 28 AHVV) zutreffend wiedergegeben. Ebenfalls richtig dargelegt wurde, dass nach Art. 28 bis Abs. 1 AHVV in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 AHVG Personen, die nicht dauernd voll erwerbstätig sind (d.h. entweder nicht während mindestens neun Monaten pro Kalenderjahr [nicht dauernd] oder nicht während mindestens der halben üblichen Arbeitszeit [nicht voll]; vgl. dazu Rz. 2035 und 2039 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherungen BSV über die Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen [WSN] in der AHV, IV und EO; BGE 140 V 338 E. 1.2), die Beiträge wie Nichterwerbstätige leisten, wenn ihre Beiträge vom Erwerbseinkommen zusammen mit denen ihres Arbeitgebers in einem Kalenderjahr nicht mindestens der Hälfte des Beitrages nach Art. 28 AHVV entsprechen (Satz 1). Ihre Beiträge vom Erwerbseinkommen müssen auf jeden Fall den Mindestbeitrag nach Art. 28 AHVV erreichen (Satz 2).  
Rechtsprechungsgemäss ist nicht die gesamte zeitliche Inanspruchnahme massgeblich, wenn nicht (nur) eine Erwerbsabsicht verfolgt, sondern die Tätigkeit etwa (auch) als gemeinnütziges Ehrenamt oder aus persönlichem Interesse versehen wird. Diesfalls ist der Zeitaufwand nur im Umfang seiner Erwerbsorientierung zu berücksichtigen. Für eine Qualifikation als erwerbstätig muss für einen Teil, der mindestens der halben üblichen Arbeitszeit entspricht, Erwerbsabsicht - in Form eines angemessenen Verhältnisses zwischen Leistung und Entgelt - zum Ausdruck kommen (BGE 140 V 338 E. 2.2.2 f. mit Hinweis). 
 
2.3. Bei der Bezeichnung der Anforderungen für die Annahme einer vollen Erwerbstätigkeit geht es um eine Rechtsfrage, die letztinstanzlich frei überprüfbar ist. Feststellungen der Vorinstanz zu den konkreten Umständen der Beschäftigung sind dagegen tatsächlicher Natur und für das Bundesgericht grundsätzlich bindend (zum Ganzen: BGE 140 V 338 E. 2.1).  
 
3.  
 
3.1. Uneinigkeit besteht darüber, ob der Beschwerdeführer, wie von der Vorinstanz und der Beschwerdegegnerin angenommen, im Sinne von Art. 28 in Verbindung mit Art. 28 bis Abs. 1 AHVV Beiträge wie ein Nichterwerbstätiger zu leisten hat (unter Anrechnung der Beiträge vom Erwerbseinkommen, Art. 28 bis Abs. 2 in Verbindung mit Art. 30 AHVV und Art. 10 Abs. 3 i.f. AHVG).  
 
3.2.  
 
3.2.1. Der Beschwerdeführer macht zum einen geltend, die B.________ AG sei im reinen Projektgeschäft tätig, was zu stark schwankenden Umsätzen und Gewinnen führe. Die Erträge fielen jeweils bei Projektende an, was aber nicht bedeute, dass in Jahren mit tiefem Ertrag eine reduzierte Geschäftstätigkeit stattgefunden habe. In den Jahren 2019 und 2021 habe die Gesellschaft Verluste erlitten, was es unmöglich gemacht habe, ihm als Geschäftsführer einen höheren Lohn auszuzahlen. Im Jahr 2020 seien zwar Gewinne erwirtschaftet worden, ein hoher Verlustvortrag habe aber eine namhafte Lohnauszahlung verhindert. Aufgrund seiner persönlichen finanziellen Verhältnisse sei er wirtschaftlich in der Lage gewesen, zeitlich begrenzt auf einen marktüblichen Lohn zu verzichten. Er sei jedoch unverändert für seine Gesellschaft aktiv gewesen und habe im Jahr 2019 an 201 von 220 Arbeitstagen (Pensum 91 %), im Jahr 2020 an 157 von 220 Arbeitstagen (Pensum 71 %) und im Jahr 2021 bis zum 31. März an 66 von 55 Arbeitstagen (Pensum 120 %) für die B.________ AG gearbeitet. Es seien in dieser Zeit auch hohe Telefonkosten angefallen; der gesamte Geschäftsaufwand sei von den Steuerbehörden stets anerkannt worden. Er sei demnach in den fraglichen Jahren dauernd voll erwerbstätig gewesen und habe ein Pensum von 71-120 % geleistet, weshalb eine Beitragspflicht als Nichterwerbstätiger nicht in Frage komme.  
 
3.2.2. Der Beschwerdeführer scheint zu verkennen, dass die Vorinstanz den zeitlichen Einsatz für die B.________ AG nicht anzweifelt. Die Ausführungen in Bezug auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie seine Reisetätigkeit, Telefon- und Hotelkosten etc. vermögen daher keine Verletzung von Bundesrecht durch den angefochtenen Entscheid aufzuzeigen. Zur Beurteilung der Frage, ob volle Erwerbstätigkeit gegeben ist, ist ausserdem überall dort, wo nicht (nur) eine Erwerbsabsicht verfolgt, die Tätigkeit vielmehr (auch) als gemeinnütziges Ehrenamt oder aus persönlichem Interesse versehen wird, nicht die gesamte zeitliche Inanspruchnahme massgebend; der Zeitaufwand ist vielmehr nur im Umfang seiner Erwerbsorientierung zu berücksichtigen (BGE 140 V 338 E. 2.2.2).  
 
3.3.  
 
3.3.1. Weiter rügt der Beschwerdeführer, er sei weder ehrenamtlich noch aus anderen persönlichen Gründen für die B.________ AG tätig gewesen, sondern ausschliesslich aus erwerblichen Gründen. Eine Tätigkeit dürfe nicht alleine wegen des fehlenden Gewinns als Liebhaberei qualifiziert werden. Das Unternehmen habe zudem in den Jahren 2013 bis 2018 und 2020 stets Gewinn erzielt. Die hohen Kosten für Personal, der übrige Betriebsaufwand und die Abschreibungen sprächen klar gegen die Annahme einer blossen Liebhaberei. Konkret habe er viel Zeit, Geld und persönlichen Effort in die Erwirtschaftung von Umsatz und namhaftem Gewinn investiert. Einen Vergleich zwischen Leistung und Entgelt zu ziehen sei nur dann angebracht, wenn eine teilweise ehrenamtliche, teilweise erwerbliche Tätigkeit zu prüfen sei; dies sei hier jedoch nicht der Fall. Wer Beiträge in der Höhe des Mindestbeitrags oder mehr entrichte, sei immer als Erwerbstätiger zu erfassen, unabhängig davon, ob er für Vermögen und Renteneinkommen höhere Beiträge zu bezahlen hätte.  
 
3.3.2. Soweit der Beschwerdeführer argumentiert, wer Beiträge in der Höhe des Mindestbeitrags oder mehr entrichte, sei stets als Erwerbstätiger zu erfassen, kann ihm nicht gefolgt werden. Dies ist gemäss Art. 28 bis AHVV (vgl. vorne E. 2.2) nur dann der Fall, wenn die versicherte Person dauernd voll erwerbstätig ist, was vorliegend gerade umstritten ist. Auch sein Einwand, er verfolge keine persönlichen Interessen mit seiner Tätigkeit für die B.________ AG (vgl. vorne E. 2.2), vermag nicht zu überzeugen. Da er unbestritten Alleinaktionär der B.________ AG ist, liegt das finanzielle Überleben des Unternehmens zweifelsfrei in seinem persönlichen Interesse.  
 
 
3.4.  
 
3.4.1. Der Versicherte verweist ferner auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen Erwerbstätigkeit und Liebhaberei (BGE 115 V 161 E. 11; Urteil 9C_428/2016 vom 22. Mai 2017 E. 4.5.3). Dabei verkennt er, dass die Vorinstanz nicht davon ausgegangen ist, er habe mit seiner Arbeitsleistung für die B.________ AG keine Erwerbsabsichten verfolgt oder habe das Unternehmen lediglich als Hobby geführt. Es ist unbestritten, dass zumindest teilweise von einer Erwerbstätigkeit auszugehen ist. Hingegen ist zu prüfen, ob seine gesamte Leistung in den strittigen Jahren als solche qualifiziert werden kann.  
 
3.4.2. Gestützt auf die vom Beschwerdeführer selbst geltend gemachten Arbeitstage (vorne E. 3.2.1) erzielte er - bei einer Arbeitszeit von 8,4 Stunden täglich - in den fraglichen Jahren einen Stundenlohn zwischen Fr. 2.70 und Fr. 7.10. Im Vergleich dazu betrug sein Jahreseinkommen in den Jahren 2015 bis 2018 Fr. 156'000.- bis Fr. 201'000.-, was bei durchschnittlich 220 Arbeitstagen à 8,4 Stunden einem Stundenlohn von Fr. 84.40 bis Fr. 108.75 entspricht. Der Lohn, den sich der Beschwerdeführer in den Jahren 2019 bis 2021 ausbezahlt hat (Monatslohn von Fr. 500.- bis Fr. 1'000.-), entspricht bei weitem nicht dem üblichen Einkommen eines Geschäftsführers, sondern wäre bereits für einen Praktikanten sehr tief bemessen. Zwischen dem unbestrittenen zeitlichen Einsatz für die B.________ AG und dem Entgelt bestand daher ab 2019 ein massives Ungleichgewicht. Werden die in den Jahren 2015 bis 2018 ausgerichteten Löhne als Basis genommen, so entsprechen die in den Jahren 2019 bis 2021 vergüteten Löhne einer Arbeitsleistung von maximal (bei einem Stundenlohn von Fr. 84.40) 17 Arbeitstagen im Jahr 2019, 8,5 Arbeitstagen im Jahr 2020 und zwei Arbeitstagen in den ersten drei Monaten des Jahres 2021. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist zur Beurteilung des Ausmasses der Erwerbstätigkeit auch das dabei erzielte Einkommen beizuziehen (vorne E. 2.2; BGE 140 V 338 E. 2.2.3; Urteile 9C_228/2021 vom 9. Juli 2021 E. 3; 9C_699/2018 vom 25. März 2019 E. 3.2). Auffällig ist auch, dass der Umsatz der B.________ AG über mehrere Jahre hinweg zwar schwankte, jedoch stets im siebenstelligen Frankenbereich blieb, im Jahr 2018 auf Null sank und sich danach lediglich auf knapp Fr. 750'000.- im Jahr 2020 steigern konnte, was in der Beschwerdeschrift nicht erklärt oder begründet wird. Nicht ausser Acht zu lassen ist zudem, dass der Beschwerdeführer die finanzielle Situation der B.________ AG, welche gemäss seiner Argumentation zu den sehr tiefen Löhnen von 2019 bis 2021 geführt hat, selbst verursacht hat, indem er sich im Jahr 2018 eine Dividende in der Höhe von Fr. 6'500'000.- entrichten liess. Ohne diese Dividendenzahlung wäre die B.________ AG zweifellos in der Lage gewesen, dem Beschwerdeführer auch ab 2019 einen den Jahren 2015 bis 2018 entsprechenden Lohn auszurichten.  
Anhand der ausbezahlten Löhne ist demnach beim Beschwerdeführer von einer Erwerbstätigkeit in einem Pensum von weit unter 50 % auszugehen. Die Vorinstanz hat daher zu Recht festgestellt, dass der Beschwerdeführer von 2019 bis März 2021 nicht dauernd voll erwerbstätig war und darum wie ein Nichterwerbstätiger zu veranlagen ist. Die Beitragsberechnung als solche wird - wie bereits vor Vorinstanz - nicht als fehlerhaft gerügt. 
 
4.  
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. November 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Bögli