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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_11/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 27. April 2017  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Traub. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Adriano Marti, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
KESB Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Bülach Nord, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
(Partei-) Entschädigung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 17. November 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Bülach Nord (KESB) richtete für A.________ eine Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung ein (Entscheid vom 26. Januar 2016). Auf Beschwerde von A.________ hin hob der Bezirksrat Bülach am 3. August 2016 den Entscheid der KESB auf. Die für das Verfahren vor der KESB beantragte Parteientschädigung sprach er ihr indes nicht zu. 
 
B.   
A.________ führte Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich und verlangte die Zusprechung einer Parteientschädigung für die Verfahren vor KESB und Bezirksrat. Das Obergericht wies die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Urteil vom 17. November 2016). 
 
C.   
A.________ reichte am 6. Januar 2017 Beschwerde beim Bundesgericht ein. Sie beantragt, es sei vorfrageweise die Verfassungs- und Konventionswidrigkeit des zürcherischen Einführungsgesetzes zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (EG KESR) - resp. einzeln genannter Bestimmungen daraus - festzustellen, "soweit in Erwachsenenschutzverfahren dadurch eine Parteientschädigung verhindert wird, wie sie § 17 Abs. 2 VRG für Rekurs- und Gerichtsverfahren von Verwaltungsentscheiden vorsieht und § 183 GOG bis Ende 2012 im Bereich FFE konstituierte". Es sei ihr eine Parteientschädigung von Fr. 13'178.--, im einzelnen Fr. 4'339.-- (VO.2016.6), Fr. 3'231.-- (VO.2011.355) und Fr. 5'608.-- (KESB), zuzusprechen. Ausserdem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung und Verbeiständung). 
Das Bundesgericht zog die kantonalen Akten bei, holte aber keine Vernehmlassungen ein. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Das Bundesgericht prüft die Sachurteilsvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 III 252 E. 1.1). 
 
1.1. Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid (Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG) betreffend eine Parteikostenentschädigung im Vorverfahren. Strittig ist nicht bloss der Nebenpunkt zu einem Sachentscheid über eine Streitsache ohne Vermögenswert (vgl. Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG; BGE 137 III 47 E. 1.2). Der angefochtene Entscheid kann daher nicht unabhängig von der Höhe der strittigen Parteientschädigung mit dem gleichen Rechtsmittel wie der Sachentscheid an das Bundesgericht weitergezogen werden (vgl. Urteil 5A_945/2013 vom 24. Dezember 2013 E. 1.2). Der massgebende Streitwert richtet sich nach dem vor der letzten kantonalen Instanz strittigen Betrag der Entschädigung (Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG; vgl. 5D_86/2012 vom 14. September 2012 E. 1; 5A_396/2012 vom 5. September 2012 E. 1.2), hier über insgesamt Fr. 13'178.--. Mit Blick auf die Streitwertgrenze von Fr. 30'000.-- ist die Beschwerde in Zivilsachen nicht gegeben (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Zulässig ist einzig die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 BGG).  
 
1.2. Die Beschwerdeführerin bezeichnet und begründet ihre Eingabe als Beschwerde in Zivilsachen. Nach ständiger Rechtsprechung schadet die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels nicht, sofern sämtliche Prozessvoraussetzungen des stattdessen zulässigen Rechtsmittels erfüllt sind (BGE 138 I 367 E. 1.1 S. 370; 134 III 379 E. 1.2 S. 382). Das Bundesgericht nimmt eine Rechtsschrift von Amtes wegen a priori als dasjenige Rechtsmittel entgegen, dessen gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind. Auf Rügen und dazugehörende Begründungen, welche den einschlägigen Sachurteilsvoraussetzungen nicht entsprechen, tritt es gegebenenfalls nicht ein. Die Eingabe ist als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegenzunehmen.  
 
1.3. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Sache ist einzutreten, soweit die Beschwerdeführerin unter anderem präzise rügt und begründet, der angefochtene Entscheid beruhe auf einer offensichtlich unrichtigen - mithin willkürlichen (vgl. BGE 140 III 115 E. 2 S. 117, 264 E. 2.3 S. 266) - Sachverhaltsfeststellung (dazu unten E. 4 a.E.).  
 
2.   
 
2.1. Die Vorinstanz führt aus, die Beschwerdeführerin verlange den Ersatz von Aufwendungen, die ihr durch anwaltliche Vertretung in drei erwachsenenschutzrechtlichen Verfahren vor der KESB resp. dem Bezirksrat entstanden sein sollten. Allerdings beziffere sie den Aufwand nur summarisch; nur teilweise sei dieser anhand der rechtlichen Vorgaben nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin lege nicht näher dar, woraus sich der geltend gemachte Aufwand im Einzelnen zusammensetze und zu welchem Ansatz ihr der Rechtsvertreter tatsächlich Rechnung gestellt habe. Insgesamt sei der Aufwand, den die Beschwerdeführerin unter dem Titel der Parteientschädigung für mehrere Verfahren ersetzt haben wolle, unsubstantiiert geblieben. Damit erübrige es sich zu prüfen, ob die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin zutreffe, was die kantonalen Rechtsgrundlagen für die geltend gemachten Parteientschädigungen (insbesondere § 17 Abs. 2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes [VRG]) angehe.  
 
2.2. Die Beschwerdeführerin hält dagegen, sie habe die verfahrensbezogenen Bemühungen im Einzelnen dargetan. Indem die Vorinstanz vom Gegenteil ausgehe, habe sie den Sachverhalt im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG qualifiziert unrichtig festgestellt. Damit seien das Willkürverbot (Art. 9 BV) sowie Art. 29 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt. Mit ihren Rügen betreffend die Frage der fehlenden Rechtsgrundlage für Parteientschädigungen im vorangegangenen Verfahren habe sich das Obergericht nicht befasst. Dadurch verletze es das rechtliche Gehör. In der Sache führt die Beschwerdeführerin zusammengefasst Folgendes aus: Das Bundesgericht habe es im Urteil 5P.156/1991 vom 22. Juli 1991 als unbefriedigend bezeichnet, dass die obsiegende Partei auf den Weg des Haftungsprozesses gegen den Kanton verwiesen werde. Daraufhin habe das Kantonsparlament eine gesetzliche Grundlage für Parteientschädigungen geschaffen, die mit dem neuen EG KESR allerdings wieder aufgehoben worden sei. Damit bestehe der ursprüngliche Missstand erneut. Die geltende Regelung verhindere, dass sich die private Partei im Erwachsenenschutzverfahren auf § 17 Abs. 2 VRG berufen könne, welche Bestimmung die Entschädigung der obsiegenden privaten Partei gegenüber Behörden und Staat regle. Die einschlägigen Bestimmungen des EG KESR verletzten - genauso wie die Verweigerung der Entschädigung als solche - Art. 6 Ziff. 1 und Art. 14 EMRK sowie Art. 29 Abs. 1 BV. Die Entschädigung sei anhand des Gebührenrahmens in § 5 Abs. 1 der kantonalen Verordnung über die Anwaltsgebühren zu bemessen.  
 
3.   
Das Bundesgericht hat sich in BGE 140 III 385 mit dem Anspruch auf Parteientschädigung im Verfahren vor gerichtlichen Beschwerdeinstanzen in Belangen des Erwachsenenschutzes (Art. 450 ff. ZGB) befasst. Danach regelt der kantonale Gesetzgeber die Parteientschädigung. Soweit die Kantone nichts anderes bestimmen, sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung sinngemäss anwendbar (Art. 450f ZGB); diese gelten als ergänzendes kantonales Recht, dessen Anwendung das Bundesgericht hier nur auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte hin überprüfen kann (BGE 140 III 385 E. 2.3 S. 386). Im Kanton Zürich besteht weder im Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht noch im subsidiär anwendbaren kantonalen Recht (vgl. § 40 EG KESR) eine gesetzliche Grundlage für einen Anspruch auf Parteientschädigung gegenüber dem Staat im Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen (BGE 140 III 385 E. 3.2 - 4.1 S. 388 f.). Nach den kantonalen Verfahrensregeln besteht ferner kein Raum für eine Anwendung von § 17 Abs. 2 VRG. Des Weitern ist es - unter Willkürgesichtspunkten - nicht zu beanstanden, dass die KESB als verfügende Behörde im Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen nicht als (unterliegende) Partei im Sinne von Art. 106 Abs. 1 ZPO betrachtet wird (BGE 140 III 385 E. 4.2 und 4.3 S. 389 f.). 
Gemäss § 40 Abs. 2 zweiter Satz EG KESR gelten die für die gerichtlichen Beschwerdeinstanzen geltenden Bestimmungen für das Verfahren vor der KESB sinngemäss. Soweit die Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung für das Verfahren vor der KESB fordert, kann auf das soeben Ausgeführte verwiesen werden. 
Hinsichtlich der Frage der gesetzlichen Grundlage hält das angefochtene Urteil der Willkürprüfung stand (vgl. BGE 140 III 385 E. 5 S. 390). Dies gilt auch unter dem Gesichtswinkel der weiteren angerufenen Bestimmungen der BV oder der EMRK: Die Beschwerdeführerin sieht diese nur als Folge der ihrer Rechtsauffassung nach vorhandenen Rechtsgrundlage als verletzt. Die Beschwerde ist ohne Weiteres abzuweisen, nachdem die Beschwerdeführerin keine Gesichtspunkte nennt, die nicht schon in BGE 140 III 385 behandelt worden wären resp. jenen Entscheid in einem neuen Licht erscheinen lassen könnten. 
Schliesslich kann dahingestellt bleiben, wie weit die Begründungserfordernisse nach Art. 42 Abs. 2 BGG überhaupt erfüllt sind, soweit die Beschwerdebegründung die in BGE 140 III 385 beurteilten Fragen erneut aufrollt, aber nicht auf die dortigen Entscheidmotive eingeht. 
 
4.   
Aus der Begründung der Vorinstanz (oben E. 2.1) könnte geschlossen werden, dass sie den Entschädigungsanspruch nicht als solchen - mangels Rechtsgrundlage - verworfen hat, sondern nur mit Blick auf eine im Einzelfall unzureichende Substantiierung des Vertretungsaufwands. So war es aus ihrer Sicht denn auch entbehrlich, sich mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend die Rechtsgrundlagen für eine Entschädigungspflicht auseinanderzusetzen. Zum einen wäre ein Substantiierungsmangel aber kein Grund gewesen, um den Entschädigungsanspruch vollumfänglich abzulehnen. Vielmehr hätte der mutmassliche Aufwand im Rahmen der gutheissenden Entscheide eingeschätzt werden müssen, wenn der Begründungslinie der Vorinstanz zu folgen wäre. Zum andern ist der Beschwerdeführerin zuzugeben, dass die vorinstanzlichen Feststellungen in diesem Punkt schwerlich mit der Aktenlage vereinbar sind.  Im Ergebnis ist der vorinstanzliche Entscheid nach dem Gesagten jedoch nicht willkürlich.  
 
5.   
 
5.1. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.  
 
5.2. Angesichts der klaren Rechtslage, für deren Neubeurteilung derzeit kein Grund besteht (oben E. 3), war die Beschwerde letztlich aussichtslos. Jedoch ist die vorinstanzliche Begründung, weshalb die streitgegenständlichen Entschädigungen nicht gesprochen werden, für sich genommen nicht haltbar (oben E. 4). Insofern wurde die Beschwerde durch das angefochtene Urteil provoziert. Aufgrund dieses besondern Umstandes ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Allerdings ist nur der notwendige Aufwand zu entschädigen, das heisst nicht auch derjenige, welcher im Zusammenhang mit der generellen Infragestellung der kantonalen Entschädigungsordnung für erwachsenenschutzrechtliche Beschwerdeverfahren entstanden ist.  
 
5.3. Umständehalber werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs. 1 BGG).  
 
 
  
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen. 
 
3.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.   
Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, Rechtsanwalt Adriano Marti, wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'200.-- entschädigt. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. April 2017 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: Traub