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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.284/2003 /mks 
 
Urteil vom 9. Dezember 2003 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterin Klett, Ersatzrichter Geiser, 
Gerichtsschreiber Widmer. 
 
Parteien 
A.________, 
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Bürgi, 
 
gegen 
 
X.________ Schriften, B.________, 
Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Werner Rechsteiner, 
 
Gegenstand 
Arbeitsvertrag, 
 
Berufung gegen den Entscheid des Obergerichtspräsidenten des Kantons Appenzell A.Rh. vom 21. August 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.________ (Kläger) und B.________ (Beklagter) nahmen im Jahre 2001 geschäftlichen Kontakt auf. Sie wollten zusammen im Bereich von Werbeschriften tätig werden. Am 21. September 2001 liess sich B.________ als Inhaber der Einzelfirma "X.________ Schriften B.________" in das Handelsregister des Kantons Appenzell A.Rh. eintragen. Am 19. September 2001 hatte das Amt für Ausländerfragen des Kantons Appenzell A.Rh. dem Kläger eine Aufenthaltsbewilligung zugesichert. Als Aufenthaltszweck galt ein befristeter Aufenthalt als Druckereifachmann bei "X.________ Schriften". 
 
Am 28. März 2002 schlossen der Kläger und die "X.________ Schriften" eine Vereinbarung, die unter anderem folgenden Text enthält: 
1. Gemäss Arbeitsvertrag zwischen den Parteien sollte A.________ am 1. Oktober 2001 die Stelle bei der X.________ Schriften antreten. Die Parteien stellen fest, dass A.________ die Stelle nicht angetreten hat und das Arbeitsverhältnis deswegen in Anwendung der Art. 337 ff. OR aufgelöst ist. 
 
(...) X.________ Schriften, B.________, teilt dem Betreibungsamt St. Gallen mit, dass A.________ nicht mehr bei ihr arbeitet. 
2. Die Parteien verzichten gegenseitig auf Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis. 
3. Mit separatem Vertrag hat die Firma X.________ Schriften, B.________, von A.________ die PC-Anlage mit Schneideplotter, Scanner und Software komplett inklusive Zubehör und Werkzeug für Folien-Schriftenherstellung sowie inklusive Notebook und Schneideplotter gekauft. In diesem Kauf ist ebenfalls der Dongel für die Software enthalten. 
 
Die X.________ Schriften B.________ hat A.________ für diese Anlage bereits Fr. 14'500.- bezahlt. Den Restkaufpreis von Fr. 2'400.- bezahlt die X.________ Schriften, B.________, wie folgt: 
 
(...) 
4. A.________ verpflichtet sich ab sofort nicht mehr im Namen der Firma X.________ Schriften, B.________, zu handeln. 
 
(...) 
7. Nach Vollzug dieser Vereinbarung erklären sich die Parteien per Saldo aller gegenseitigen Ansprüche als auseinandergesetzt (...)." 
 
B. 
Am 23. Januar 2003 belangte der Kläger den Beklagten beim Kantonsgerichts-Präsidium von Appenzell A.Rh. auf Bezahlung von Fr. 24'000.--. Gleichzeitig ersuchte er um Erteilung der Rechtsöffnung in der bereits vorher eingeleiteten Betreibung. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass ihm der Beklagte trotz der genannten Vereinbarung den Lohn von Fr. 4'000.-- pro Monat für ein halbes Jahr schuldig sei. Entgegen dem Text in der Vereinbarung habe er die Stelle angetreten. Der entsprechende Arbeitsvertrag sei auf eine feste Dauer von sechs Monaten eingegangen worden. Die Aufhebungsvereinbarung vom 28. März 2002 sei ungültig, weil sie gegen das arbeitsvertragsrechtliche Verzichtsverbot verstosse und weil der Kläger damit übervorteilt worden sei. 
 
Das Kantonsgerichts-Präsidium wies die Klage am 9. April 2003 ab. Auf Appellation des Klägers hin bestätigte der Obergerichtspräsident des Kantons Appenzell A.Rh. diesen Entscheid am 21. August 2003. 
C. 
Der Kläger führt gegen dieses Urteil eidgenössische Berufung. Er beantragt, die Sache zur Abklärung des massgeblichen Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventuell die Klage gutzuheissen. Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Beklagte stellt das Begehren, der in Deutschland domizilierte Kläger sei gestützt auf Art. 150 Abs. 2 OG zur Sicherstellung der Parteientschädigung zu verpflichten. Nach der Rechtsprechung kommt eine solche Sicherstellung jedoch dann nicht mehr in Frage, wenn im Zeitpunkt der Gesuchstellung die Kosten bereits erwachsen sind (BGE 118 II 87 E. 2; 79 II 295 E. 3 S. 305). Der Beklagte erstattete die Berufungsantwort gleichzeitig mit dem Gesuch, ungeachtet des Umstandes, dass ein Sicherstellungsbegehren die Antwortfrist von Gesetzes wegen unterbricht (Art. 28 Abs. 2 BZP in Verbindung mit Art. 40 OG; Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Vol. V, Berne 1992, N. 2.4. zu Art. 150 OG). Damit sind seine Kosten bereits entstanden. Das Begehren ist deshalb als gegenstandslos abzuschreiben. 
2. 
Der Kläger macht geltend, die Vereinbarung vom 28. März 2002 sei ungültig, weil er nach Art. 341 Abs. 1 OR während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung nicht gültig auf seinen Lohn habe verzichten können. Er rügt in diesem Zusammenhang, die Vorinstanz habe zu Unrecht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Abschluss der streitigen Vereinbarung nicht bestanden habe. 
 
Soweit der Kläger diese Feststellung mittels blosser, im Berufungsverfahren unzulässiger Kritik an der vorinstanzlichen Würdigung einzelner Beweise in Frage stellt, ist er nicht zu hören (BGE 127 III 73 E. 6a; 119 II 84 E. 3). Der Kläger macht allerdings auch geltend, die kantonalen Instanzen hätten ihre Feststellung, dass er die Arbeitsstelle nicht angetreten habe, in Verletzung des bundesrechtlichen Beweisführungsanspruchs getroffen (Art. 8 ZGB), weil sie die zu seiner gegenteiligen Behauptung beantragten Beweise nicht abgenommen hätten. Diese Rüge ist grundsätzlich zulässig (Art. 43 Abs. 3 und Art. 63 Abs. 2 OG). Der Kläger unterlässt es aber, hinreichend zu substanziieren, welche Beweismittel zur umstrittenen Frage er im kantonalen Verfahren beantragt hat und nicht abgenommen worden sind, und inwiefern die Vorinstanz damit gegen den Beweisführungsanspruch verstossen haben soll. Mit seinem blossen Verweis auf die im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragenen Plädoyernotizen vom 2. April 2003 und die darin beantragten Beweise, die offenbar verschiedene Sachverhaltsfragen betrafen, genügt der Kläger den Begründungsanforderungen nach Art. 55 Abs. 1 lit. c OG nicht. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, mangels entsprechender Ausführungen in der Berufungsschrift aus den verschiedenen Anträgen herauszulesen, welche prozesskonform beantragten Beweismittel zur strittigen Frage ungerechtfertigter Weise nicht abgenommen worden sein sollen. Das Bundesgericht kann auf die entsprechende Rüge nicht eintreten. 
 
Dringt der Kläger mit seiner Rüge, die Vorinstanz habe bundesrechtliche Beweisvorschriften verletzt, nicht durch, ist vom Sachverhalt auszugehen, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat. Danach hat der Kläger - wie im Vertrag vom 28. März 2002 festgehalten worden ist - seine Stelle nicht angetreten. Auf die Rüge, der angefochtene Entscheid verletze ein in Art. 341 Abs. 1 OR enthaltenes Verbot des Verzichts auf einen zu gewährenden Mindestlohn, braucht damit mangels Lohnforderung nicht eingegangen zu werden. 
3. 
3.1 Der Kläger hält sodann dafür, die Saldovereinbarung vom 28. März 2002 sei ungültig, weil er übervorteilt worden sei. Die kantonalen Instanzen hätten die von ihm dazu angebotenen Beweise in Verletzung von Art. 8 ZGB nicht abgenommen. Soweit sich die Frage der Übervorteilung nach dem vorstehend (Erwägung 2) Ausgeführten überhaupt noch stellt und damit auf die Rüge einzutreten ist, erweist sich auch diese als unbegründet. 
 
Art. 8 ZGB regelt in erster Linie die Verteilung der Beweislast. Das Bundesgericht leitet aus Art. 8 ZGB als Korrelat zur Beweislast insbesondere das Recht der beweisbelasteten Partei ab, zum ihr obliegenden Beweis zugelassen zu werden, soweit entsprechende Anträge im kantonalen Verfahren form- und fristgerecht gestellt worden sind. Der bundesrechtliche Beweisführungsanspruch gilt indessen nur für rechtserhebliche Tatsachen und schliesst insbesondere die vorweggenommene Beweiswürdigung nicht aus (BGE 126 III 315 E. 4a; 122 III 219 E. 3c S. 223, je mit Hinweisen). 
 
Die Bestimmung von Art. 21 OR setzt für eine Übervorteilung neben dem offenbaren Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung und der Schwäche des Übervorteilten voraus, dass diese Schwäche vom Vertragspartner ausgebeutet worden ist. Der Vertragspartner muss die Unterlegenheit der anderen Partei bewusst ausgenutzt haben, um den Vertragsschluss zu erwirken (BGE 92 II 168 E. 5b S. 177). Das blosse Kennenmüssen der Schwächesituation des Kontrahenten und des Missverhältnisses der Leistungen reicht dafür nicht aus (Kramer, Berner Kommentar, N. 33 zu Art. 21 OR). 
 
Nach den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, gegen die der Kläger keine substanziierte Sachverhaltsrüge im Sinne von Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG vorbringt (vgl. BGE 127 III 248 E. 2c; 115 II 484 E. 2a S. 485 f., mit Hinweis), hat der Kläger im kantonalen Verfahren bloss ein Beweismittel für seine Notlage angeboten, nicht aber zur Ausnützung derselben durch den Beklagten. Die kantonalen Instanzen haben Art. 8 ZGB nicht verletzt, indem sie das Beweismittel zur Notlage nicht abgenommen haben, da sich damit allein keine Übervorteilung beweisen lasse: Dazu wäre, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, namentlich erforderlich gewesen, dass der Kläger auch Beweis zum bestrittenen Tatbestandsmerkmal der Ausbeutung der Notlage angeboten hätte. 
3.2 Der Vorinstanz kann auch nicht vorgeworfen werden, sie habe den Untersuchungsgrundsatz nach Art. 343 Abs. 4 OR verletzt, weil sie den Kläger nicht aufgefordert habe, gegebenenfalls weitere Beweise zu beantragen. Aus dieser Bestimmung kann nicht abgeleitet werden, dass der schon vor erster Instanz anwaltlich vertretene Kläger vom Richter ausdrücklich darauf hätte aufmerksam gemacht werden müssen, dass es nicht genüge, die Bedürftigkeit nachzuweisen, und er auch Beweise für deren Ausbeutung beim Vertragsschluss benennen müsse. Die erste Instanz hatte immerhin darauf hingewiesen, dass der Tatbestand der Übervorteilung u.a. voraussetze, dass ein Schwächezustand ausgenutzt worden sei. Sie wies die Klage ausdrücklich mit der Begründung ab, die Voraussetzungen von Art. 21 OR seien nicht nachgewiesen. Dies hätte den Kläger veranlassen müssen, jedenfalls vor zweiter Instanz darzulegen, mit welchen Beweismitteln er den Nachweis der Ausbeutung erbringen wolle. Er tut auch in der Berufungsschrift nicht dar, welche Beweismittel er im kantonalen Verfahren offeriert hätte, falls ihn das Gericht ausdrücklich aufgefordert hätte, weitere Beweise zu bezeichnen. 
4. 
Die Berufung ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang hat der Kläger den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). Mit Blick auf den Streitwert ist das Verfahren kostenlos (Art. 343 Abs. 2 und 3 OR). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. 
3. 
Der Kläger hat den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergerichtspräsidenten des Kantons Appenzell A.Rh. schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 9. Dezember 2003 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: