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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.353/2002 /sta 
 
Urteil vom 18. Juli 2002 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Féraud, 
Gerichtsschreiber Steiner. 
 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Pascal Veuve, c/o Hablützel Veuve Blöchlinger, Lutherstrasse 4, Postfach 3176, 8021 Zürich, 
 
gegen 
 
Bezirksamt Lenzburg, Bezirksgebäude, Metzgplatz 18, Postfach, 5600 Lenzburg 2, 
Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, Präsidium, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau. 
 
Art. 10 Abs. 2 BV, Art. 5 Ziff. 1 EMRK (Haftentlassung) 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, Präsidium, vom 19. Juni 2002 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Bezirksamt Lenzburg ermittelt gegen X.________ wegen Widerhandlungen gegen die sexuelle und körperliche Integrität seiner Ehefrau. Am 9. Mai 2002 wurde er aufgrund der Anzeige seiner Gattin verhaftet. Mit Verfügung vom 13. Mai 2002 setzte der Bezirksamtmann-Stellvertreter als amtlichen Verteidiger Rechtsanwalt Pascal Veuve ein, der den Beschwerdeführer auch im Eheschutzverfahren vor Bezirksgericht Lenzburg vertreten hat. Am 19. Mai 2002 waren die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen und der Fall wurde von der Kantonspolizei an das Bezirksamt Lenzburg überwiesen. 
B. 
Mit Fax vom 22. Mai 2002 beantragte der Bezirksamtmann-Stellvertreter die Verlängerung der Untersuchungshaft. Der Vizepräsident der Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau verfügte noch am 22. Mai 2002 die Haftverlängerung wie beantragt, ohne dem amtlichen Verteidiger Gelegenheit zu schriftlicher Stellungnahme gegeben zu haben. X.________ führte hiergegen unter anderem wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs staatsrechtliche Beschwerde, welche mit Urteil 1P.295/2002 vom 14. Juni 2002 gutgeheissen wurde. Daraufhin wurde dem amtlichen Verteidiger Frist angesetzt, um zum Haftverlängerungsantrag Stellung zu nehmen. Dieser schloss auf Abweisung des Antrags sowie sofortige Haftentlassung. Mit Verfügung vom 19. Juni 2002 verlängerte der Vizepräsident der Beschwerdekammer die Untersuchungshaft antragsgemäss bis zum Eingang der Anklage beim Gericht. 
C. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 25. Mai 2002 gelangt X.________ ans Bundesgericht mit den Anträgen, die Verfügung der Vorinstanz vom 19. Juni 2002 sei aufzuheben und der Beschwerdeführer sei - allenfalls unter Anordnung von Ersatzmassnahmen - unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Zudem wird beantragt, dem Beschwerdeführer sei für das vorliegende Verfahren die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu bewilligen. 
 
Der Bezirksamtmann-Stellvertreter Lenzburg schliesst mit Vernehmlassung vom 2. Juli 2002 sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde. Es bestehe nach wie vor Kollusionsgefahr. Inzwischen seien zudem drei Fälle bekannt geworden, bei welchen der Angeschuldigte aufgrund von DNA-Analysen des Diebstahls von Servierportemonnaies überführt worden sei. Der Vizepräsident der Beschwerdekammer teilt mit Eingabe vom 3. Juli 2002 mit, er verzichte unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid auf eine Vernehmlassung. Der Beschwerdeführer macht mit Replik vom 10. Juli 2002 insbesondere geltend, die vom Bezirksamt Lenzburg angeführten Vorwürfe des mehrfachen Diebstahls von Serviceportemonnaies seien neu und nicht zu berücksichtigen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Der Beschwerdeführer ficht eine Haftverlängerungsverfügung gemäss § 76 Abs. 2 des Gesetzes über die Strafrechtspflege des Kantons Aargau vom 11. November 1958 (StPO; SR 251.100) an und verlangt nebst der Aufhebung dieser Verfügung die unverzügliche Entlassung aus der Untersuchungshaft. Obwohl die staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich rein kassatorischer Natur ist, ist im Rahmen der Beschwerde wegen Verletzung der persönlichen Freiheit das Begehren zulässig, die kantonalen Behörden seien anzuweisen, den Beschwerdeführer aus der Haft zu entlassen (BGE 124 I 327 E. 4b/aa S. 333; 115 Ia 293 E. 1a S. 297). Auf die gegen einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid erhobene und im Übrigen frist- und formgerechte Beschwerde ist daher einzutreten. 
1.2 Neue tatsächliche Vorbringen sind im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde grundsätzlich nicht erlaubt. Das Novenverbot gilt für den Beschwerdegegner ebenso wie für den Beschwerdeführer (BGE 118 III 37 E. 2a S. 38 f.). Ausnahmsweise zulässige neue Vorbringen sollen sich auf Tatsachen und Beweismittel beziehen, die bereits im Zeitpunkt des letzten kantonalen Entscheides gegeben waren (Walter Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Auflage, Bern 1994, S. 370). Soweit der Bezirksamtmann-Stellvertreter vorbringt, es bestehe neu auch dringender Tatverdacht sowie Kollusionsgefahr bezüglich mehrerer Diebstähle von Servierportemonnaies, sind die Ausführungen der Strafverfolgungsbehörde nicht zu berücksichtigen. 
2. 
Die Anordnung und Aufrechterhaltung der Haft ist als Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 und 31 BV, Art. 5 EMRK) nur zulässig, wenn sie auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist (Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 36 BV; vgl. BGE 125 I 361 E. 4a; 124 I 80 E. 2c, je mit Hinweisen). Das Bundesgericht prüft die Auslegung und Anwendung der kantonalen Eingriffsnormen mit freier Kognition (BGE 124 I 80 E. 2; 123 I 31 E. 3a). Auf eine Willkürprüfung beschränkt es sich, soweit Sachverhaltsfeststellungen sowie Fragen der Beweiswürdigung in die Beurteilung miteinzubeziehen sind (BGE 123 I 31 E. 3a und 268 E. 2d; 117 Ia 72 E. 1, je mit Hinweisen). 
3. 
Gemäss § 67 Abs. 1 StPO darf ein Haftbefehl nur erlassen bzw. verlängert werden, wenn der Angeschuldigte einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Handlung verdächtig und ausserdem eine der zusätzlichen Voraussetzungen der Untersuchungshaft gegeben ist. 
3.1 Im Gegensatz zum erkennenden Sachrichter hat das Bundesgericht bei der Überprüfung des allgemeinen Haftgrundes des dringenden Tatverdachtes keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Macht ein Inhaftierter geltend, er befinde sich ohne ausreichenden Tatverdacht in strafprozessualer Haft, ist vielmehr zu prüfen, ob aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und eine Beteiligung des Beschwerdeführers an dieser Tat vorliegen, die kantonalen Behörden somit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften. Im Haftprüfungsverfahren genügt dabei der Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten, wonach das inkriminierte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte (BGE 116 Ia 143 E. 3c S. 146). 
3.2 Im vorliegenden Fall bestreitet der Beschwerdeführer zunächst den dringenden Tatverdacht der mehrfachen Vergewaltigung in der Ehe sowie der wiederholten sexuellen Nötigung. Dieser sei einzig bezüglich der von der Ehefrau des Beschwerdeführers behaupteten sexuellen Nötigung vom 9. Mai 2002 gegeben. Der ferner erhobene Vorwurf der mehrfachen Vergewaltigung in der Ehe sei bis heute in jeder Hinsicht äusserst vage und unbestimmt geblieben, namentlich hinsichtlich der Handlungsweisen, mit denen der Beschwerdeführer seine Ehefrau zur Duldung des Beischlafs genötigt haben soll. 
3.3 Nach dem Gesagten anerkennt der Beschwerdeführer jedenfalls den dringenden Tatverdacht bezüglich desjenigen Falles von behaupteter sexueller Nötigung, welcher zur Strafanzeige der Ehefrau vom 9. Mai 2002 geführt hat. Damit ist die Hauptvoraussetzung der Untersuchungshaft grundsätzlich gegeben. Der Vizepräsident der Beschwerdekammer führt zum Vorwurf der mehrfachen Vergewaltigung in der Ehe sowie der wiederholten sexuellen Nötigung aus, alle Familienangehörigen schilderten nicht nur den Vorfall, welcher Anlass zur Anzeige gegeben habe, sondern auch vorausgehende weitere Übergriffe übereinstimmend. Auch wenn bezüglich der Handlungsweisen, mit denen der Beschwerdeführer seine Ehefrau zur Duldung des Beischlafs genötigt haben soll, noch nicht letzte Klarheit besteht, bedeutet das nicht, dass damit der dringende Tatverdacht entfällt. Denn die erforderliche Intensität des Zwangs kann auch anders als durch direkte Gewalteinwirkung oder Drohung erreicht werden (vgl. beispielsweise zum psychischen Druck BGE 126 IV 124 ff.); dabei ist auch der gesundheitlichen Beeinträchtigung des mutmasslichen Opfers Rechnung zu tragen, die die Unterwerfung als verständlich erscheinen lassen könnte (BGE 119 IV E. 2b f. S. 101). Die Strafverfolgungsbehörden werden die Untersuchung in diesem Punkt allerdings zu vertiefen haben, da mit fortschreitender Dauer der Haft strengere Anforderungen an den Tatverdacht zu stellen sind als zu Beginn des Verfahrens (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 3. Auflage, Zürich 1997, Rz. 698). 
4. 
§ 67 Abs. 1 Ziff. 2 StPO nennt als Haftgrund unter anderem das Bestehen von Kollusionsgefahr. Kollusion bedeutet, dass sich der Beschuldigte mit Zeugen, Auskunftspersonen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten ins Einvernehmen setzt oder sie zu wahrheitswidrigen Aussagen veranlasst (BGE 123 I 31 E. 3c S. 35; 117 Ia 257 E. 4b S. 260 f.). Die entsprechende Umschreibung in der kantonalen Strafprozessordnung hat insofern aufgrund der Generalklausel "oder sonst den Zweck der Untersuchung gefährden" eine Erweiterung erfahren (Felix Fischer, Die materiellen Voraussetzungen der ordentlichen Untersuchungshaft im rechtsstaatlichen Strafprozess, Diss. Zürich 1995, S. 92 f.). Jedoch genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die theoretische Möglichkeit, dass der Angeschuldigte in Freiheit kolludieren könnte, nicht, um die Fortdauer der Haft zu rechtfertigen. Es müssen vielmehr konkrete Indizien für eine solche Gefahr sprechen (BGE 123 I 31 E. 3c S. 35; 117 Ia 257 E. 4b S. 260 f.). 
Mit Fortschreiten der Strafuntersuchung wird die Kollusionsgefahr regelmässig vermindert. Die Strafuntersuchung ist, soweit möglich, derart zu planen und durchzuführen, dass der Kollusion der Boden entzogen wird, namentlich sind Auskunftspersonen unmittelbar nach Einleitung der Strafuntersuchung einzuvernehmen (Rudolf Tschumper, Haft und Haftüberprüfung im aargauischen Strafprozess, in: Aargauischer Juristenverein [Hrsg.], Festschrift für Dr. Kurt Eichenberger, Aarau 1990, S. 211 ff., insb. S. 216). Die Gefahr, dass der Beschuldigte kolludiert, kann indessen auch nach Abschluss der Untersuchung unter Umständen fortbestehen, denn im Strafverfahren des Kantons Aargau besteht sowohl im Haupt- als auch im Berufungsverfahren zumindest noch teilweise das Prinzip der Unmittelbarkeit; neue tatsächliche Behauptungen und Beweismittel wie Zeugen bzw. Zeugenaussagen sind in diesen Verfahren vollumfänglich zulässig (§§ 220 und 222 StPO; BGE 117 Ia 257 E. 4b S. 260 f.). 
4.1 Nach Auffassung des Vizepräsidenten der Beschwerdekammer stellt die Familiensituation des Beschwerdeführers ein konkretes Indiz dafür dar, dass der Angeschuldigte in Freiheit seine Familienangehörigen zu beeinflussen versuchen könnte. Anlass zu dieser konkreten Befürchtung bestehe auch wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung der Ehefrau des Angeschuldigten und des erheblichen Gewichts der ihm zur Last gelegten, mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus bedrohten Delikte. Diese Gefahr werde durch den Umstand akzentuiert, dass es sich bei der Vergewaltigung in der Ehe um ein Antragsdelikt handle. 
Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen der Kollusionsgefahr; es seien keine konkreten Anhaltspunkte gegeben. Der Eheschutzrichter habe ihn mit einem strikten Verbot belegt, während des Getrenntlebens die eheliche Wohnung zu betreten. Er habe die entsprechenden Begehren der Ehefrau anerkannt, was zeige, dass er gewillt sei, Frau und Kinder in Ruhe zu lassen. 
4.2 Zunächst ist unstreitig, dass im Falle eines Verfahrens wegen Vergewaltigung in der Ehe, wo die Geschädigte - und im vorliegenden Fall zudem die Kinder der Ehegatten - Druckversuchen des Angeschuldigten ausgesetzt sein können, grundsätzlich ein Kollusionsrisiko bestehen kann (Peter Albrecht, Die Kollusionsgefahr als Haftgrund, in: Basler Juristische Mitteilungen [BJM] 1999, S. 1 ff., insb. S. 4). Im vorliegenden Fall führen gemäss den Feststellungen im angefochtenen Entscheid sämtliche Auskunftspersonen übereinstimmend aus, der Beschuldigte wende gegenüber allen Familienangehörigen Gewalt an, wenn seine Meinung nicht akzeptiert werde. Damit darf grundsätzlich Kollusionsgefahr angenommen werden, denn zu deren Begründung werden auch Umstände anerkannt, die in der Person des Täters liegen (Albrecht, a.a.O., S. 9). Der Behauptung des Beschwerdeführers, er sei gewillt, Frau und Kinder in Ruhe zu lassen, kommt angesichts dieser Umstände keine entscheidende Bedeutung zu. Soweit im angefochtenen Entscheid indes darauf hingewiesen wird, dass es sich bei den in Frage stehenden Straftaten um Antragsdelikte handelt, ist allerdings präzisierend festzuhalten, dass ein Angeschuldigter, falls er hierfür keine widerrechtlichen Mittel wie Zwang oder Drohung anwendet, die Geschädigte zum Rückzug ihres Strafantrags oder einen Zeugen zum Gebrauch des Zeugnisverweigerungsrechts bewegen darf (Albrecht, a.a.O., S. 7). 
4.3 Der Beschwerdeführer macht eventualiter zur Frage der Verhältnismässigkeit der Untersuchungshaft geltend, das Verbot des Eheschutzrichters, die Familienwohnung zu betreten, sei ein geeignetes milderes Mittel, um der Kollusionsgefahr zu begegnen. Ausserdem könne er nach seiner Entlassung bei einer Drittperson in Zürich, also in grosser räumlicher Distanz zu seiner Familie, wohnen. Der Vizepräsident der Beschwerdekammer führt dazu aus, auch mit der milderen Massnahme einer Haftentlassung unter Auflagen könne der Kollusionsgefahr nicht wirksam genug begegnet werden. 
4.4 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochtener Entscheid erst dann aufzuheben, wenn er im Ergebnis gegen die Verfassung oder die EMRK verstösst, nicht schon dann, wenn sich die Begründung oder ein Teil derselben als verfassungs- oder konventionswidrig erweist. Das Bundesgericht hat somit die Möglichkeit, die Motive des umstrittenen Entscheids zu ersetzen (BGE 117 Ia 135 E. 2c S. 139). 
Aufgrund der derzeit einzig aktenkundigen und lediglich polizeilichen Einvernahmen erscheinen die Ergebnisse der Untersuchung noch als zu wenig konkret, soweit die vor dem Anzeigedatum liegenden Delikte gegen die sexuelle Integrität in Frage stehen (vgl. dazu das Urteil 1P.650/2000 vom 26. Januar 2001, publiziert in; Die Praxis 2000 Nr. 93 E. 3d S. 549). Demnach besteht die Kollusionsgefahr unter anderem darin, dass der Angeschuldigte beim heutigen Stand der Untersuchung auf den Inhalt der Aussagen bzw. im Sinne deren Verfälschung auf die Auskunftspersonen einwirken könnte. Dieser Gefahr ist durch Beweissicherung, d.h. durch weitere Einvernahmen der Auskunftspersonen bzw. Zeugen, beizukommen. Soweit Art. 5 Abs. 5 OHG nicht entgegensteht, ist allenfalls sogar eine Konfrontationseinvernahme nicht ausgeschlossen (nicht publiziertes Urteil 1P.194/1998 vom 21. April 1998, E. 4b f.). Allenfalls ergeben sich anlässlich der Einvernahmen auch Anzeichen bezüglich der Beeinflussbarkeit der Auskunftspersonen (vgl. dazu Fischer, a.a.O., S. 93). Aufgrund des Ergebnisses der - beschleunigt durchzuführenden - Untersuchung wird dann zu beurteilen sein, ob weiterhin eine die Untersuchungshaft rechtfertigende Kollusionsgefahr besteht. Dies einerseits mit Blick auf die Unmittelbarkeit, andererseits in dem Sinne, dass auf die Auskunftspersonen in widerrechtlicher Weise eingewirkt werden könnte mit dem Ergebnis, dass die Betroffenen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen bzw. dass das mutmassliche Opfer den Strafantrag unter diesem Druck zurückzieht. 
Die Haft erweist sich ohne weiteres als verhältnismässig, solange die Untersuchung zum Vorwurf der mehrfachen Vergewaltigung und der wiederholten sexuellen Nötigung, vom detailliert geschilderten mutmasslichen Übergriff vom 9. Mai 2002 abgesehen, nicht ergänzt worden ist. Die dargestellte Möglichkeit der Kollusion im Sinne der Beeinträchtigung des Wahrheitsgehalts der Aussagen lässt eine blosse Ersatzmassnahme als zu riskant erscheinen. Damit kann der Angeschuldigte jedenfalls zur Zeit nicht aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Hingegen durfte der Vizepräsident angesichts der bisher nicht genügend vertieften Untersuchung die Haft nicht bis zum Eingang der Anklage beim Gericht verlängern. Denn es ist denkbar, dass sich der Tatverdacht nur mit Bezug auf die behauptete Nötigungshandlung vom 9. Mai 2002, welche zur Strafanzeige geführt hat, verdichtet. Damit ist nicht auszuschliessen, dass die Aufrechterhaltung der Haft bis zum Eingang der Klage bei Gericht und damit faktisch bis zur Hauptverhandlung angesichts des Ergebnisses der Untersuchung als unverhältnismässig erscheint. 
5. 
Zusammenfassend ist das Gesuch um sofortige Haftentlassung nach dem Gesagten mit Blick auf die noch ausstehende vertiefte Untersuchung abzuweisen. Andererseits ist das Dispositiv des angefochtenen Entscheides, mit welchem die Untersuchungshaft bis zum Eingang der Anklage bei Gericht bewilligt werden sollte, aufzuheben. Somit wird das Präsidium der Beschwerdekammer die Haft entgegen dem Antrag des Beschwerdeführers im Sinne der Erwägungen angemessen zu verlängern haben. 
6. 
Der Beschwerdeführer hat vergeblich die sofortige Haftentlassung verlangt und ist demzufolge als im Hauptpunkt unterliegend anzusehen (Art. 156 Abs.1 und Art. 159 Abs. 2 OG). Da indessen die Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung gegeben sind (Art. 152 OG), ist auf die Erhebung von Verfahrenskosten zu verzichten und der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die Verfügung des Vizepräsidenten der Beschwerdekammer vom 19. Juni 2002 aufgehoben. 
2. 
Das Haftentlassungsbegehren wird abgewiesen. 
3. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gewährt: 
3.1 Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3.2 Rechtsanwalt Pascal Veuve wird als unentgeltlicher Vertreter des Beschwerdeführers bezeichnet und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'500.-- entschädigt. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bezirksamt Lenzburg und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, Präsidium, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 18. Juli 2002 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: