Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 373/05 
 
Urteil vom 14. Oktober 2005 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiberin Durizzo 
 
Parteien 
R.________, 1957, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Schaffhausen, Oberstadt 9, 8200 Schaffhausen, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen 
 
(Entscheid vom 15. April 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
R.________, geboren 1957, leidet seit Geburt an Schwerhörigkeit. Von 1975 bis 1977 absolvierte sie eine Ausbildung zur Arztgehilfin, wobei die Invalidenversicherung die invaliditätsbedingten Mehrkosten übernahm. In der Folge war R.________ in einem chirurgischen Labor tätig. Nach ihrer Verheiratung und der Geburt von drei Kindern absolvierte sie 1991 auf eigene Initiative einen Kurs für Wiedereinsteigerinnen, fand jedoch keine Stelle als Arztgehilfin oder Laborantin. Die Invalidenversicherung gewährte deshalb am 14. Februar 1997 rückwirkend die Umschulung zur Pflegehelferin SRK. Die Versicherte wurde daraufhin im Alters- und Pflegeheim X.________ als Schwesternhilfe angestellt. Am 22. Februar 2002 ersuchte sie erneut um berufliche Umschulung und beantragte die Übernahme der Kosten für die Ausbildung zur Sozialpädagogin. Der zuständige Berufsberater unterstützte diesen Vorschlag. Auf negative Stellungnahmen des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) hin lehnte die IV-Stelle Schaffhausen das Gesuch jedoch mit Verfügung vom 3. Oktober 2003 und Einspracheentscheid vom 6. Februar 2004 ab. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 15. April 2005 ab. 
C. 
R.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sowie der Verfügung vom 3. Oktober 2003 und des Einspracheentscheides vom 6. Februar 2004 sei die IV-Stelle zu verpflichten, die Kosten der Umschulung zur Sozialpädagogin vollumfänglich zu übernehmen. 
 
Die IV-Stelle und das BSV verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1 IVG in der seit 1. Januar 2004 in Kraft stehenden Fassung) und auf Umschulung im Besonderen (Art. 17 IVG in der seit 1. Januar 2004 in Kraft stehenden Fassung; BGE 130 V 491 unten; 124 V 111 Erw. 2b; AHI 2000 S. 61, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
2. 
Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin invaliditätsbedingt nicht mehr in der Lage war, ihrer - während sechs Jahren ausgeübten - Tätigkeit als Pflegehelferin nachzugehen. Die Vorinstanz war mit dem BSV der Ansicht, dass der Gesundheitszustand gemäss Bericht des behandelnden Arztes Dr. med. H.________ vom 8. März 2002 stationär sei und die Versicherte ihre Stelle im Alters- und Pflegeheim X.________ aus freien Stücken gekündigt habe, um im Hinblick auf die gewünschte Ausbildung das dafür erforderliche Praktikum zu absolvieren. Die geltend gemachte Unzumutbarkeit, den Beruf einer Pflegehelferin weiterhin auszuüben, sei daher auf invaliditätsfremde Gründe zurückzuführen und eine leistungsbegründende Invalidität könne nicht angenommen werden. 
3. 
3.1 Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar besteht kein Zweifel daran, dass die Beschwerdeführerin grundsätzlich in der Lage ist, eine Tätigkeit als Pflegehelferin auszuüben. Jedoch fehlt es an einer bei der Pflege insbesondere von alten Menschen unabdingbaren Voraussetzung, nämlich der Möglichkeit einer uneingeschränkten Verständigung. Aus den Akten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin beidseitig an einem Hörverlust von über 95 % leidet. Zu Recht hat die Versicherte im vorinstanzlichen Verfahren auf die im Berufsalltag entstehenden Probleme hingewiesen und geltend gemacht, dass gerade betagte Personen häufig nicht mehr langsam und deutlich artikulieren können und teilweise nicht begreifen, warum sie ihre Pflegerin von vorne ansprechen oder ihr Anliegen auch einmal wiederholen müssen. Die Versicherte vermag ihrerseits keine Hilferufe wahrzunehmen. Damit kann sie nie selbstständig, sondern höchstens zur Unterstützung einer Kollegin eingesetzt werden, sodass ihr Einsatz auf reine Hilfstätigkeiten reduziert ist. Dies ist ihr jedoch aufgrund ihrer qualifizierten Ausbildung nicht zuzumuten. 
 
Das Erfordernis, sich als Pflegehelferin uneingeschränkt verständigen zu können, ist nicht abhängig von konjunkturellen Bedingungen. Der Hinweis auf invaliditätsfremde Gründe der Erwerbsunfähigkeit hält daher einer Überprüfung nicht stand. So geht schon aus dem Bericht der vormaligen Berufsberaterin vom 2. Dezember 1996 hervor, dass die Beschwerdeführerin die Stelle im Altersheim nur dank einer verständnisvollen Vorgesetzten erhalten habe. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, auch mit der Hörbehinderung eine Stelle zu finden. Jedoch ist die Beschwerdeführerin bei ihrer Suche auf einen sehr kleinen Kreis von möglichen Arbeitsplätzen beschränkt. Der allgemeine Arbeitsmarkt steht ihr dabei nicht offen. 
3.2 Rechtsprechungsgemäss setzt der Anspruch auf Umschulung einen Invaliditätsgrad von etwa 20 % voraus (BGE 130 V 491 und 124 V 111 Erw. 2b; AHI 2000 S. 61, je mit Hinweisen), wobei im Rahmen der gemischten Methode Erwerbs- und Haushaltsbereich strikt zu trennen sind, die Umschulung nur direkte Auswirkungen auf den Erwerbsbereich haben kann (vgl. BGE 124 V 110 Erw. 2b) und der Mindestinvaliditätsgrad einzig im Erwerbsbereich - und nicht bezüglich der Gesamtinvalidität - erfüllt sein muss (Urteil G. vom 6. Dezember 2001 [I 190/01] Erw. 2b). Gemäss Auszug aus dem Individuellen Konto verdiente die Beschwerdeführerin im Jahr 2001 als Pflegerin mit 50 %-Pensum Fr. 28'793.-. Dem ist das Einkommen gegenüberzustellen, das sie in einer Hilfstätigkeit erzielen könnte. Nach der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung 2000 belief sich der Zentralwert für die mit einfachen und repetitiven Tätigkeiten (Anforderungsniveau 4) beschäftigten Frauen im privaten Sektor auf Fr. 3'658.- (bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden). Umgerechnet auf die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit von 41,7 Stunden (Die Volkswirtschaft, 2003 Heft 6, S. 98, Tabelle B 9.2) und angepasst an die Nominallohnentwicklung bei Frauenlöhnen von 2,5 % (Bundesamt für Statistik, Lohnentwicklung 2002, S. 33, Tabelle T1.2.93; BGE 129 V 408) ergibt sich für das Jahr 2001 ein Einkommen von Fr. 46'906.-, beziehungsweise Fr. 23'453.- für ein 50 %-Pensum. Zufolge der Hörbehinderung ist dieser Tabellenlohn um einen leidensbedingten Abzug zu reduzieren (BGE 126 V 78 ff. Erw. 5), wobei 15 % als angemessen erscheinen. Das Invalideneinkommen beläuft sich damit auf Fr. 19'935.-. Verglichen mit dem Valideneinkommen von Fr. 28'793.- resultiert ein Invaliditätsgrad von 31 % (vgl. zur Rundung des Invaliditätsgrades BGE 130 V 121). In dieser Beziehung ist die Anspruchsvoraussetzung für die Umschulung daher erfüllt. 
4. 
Das BSV führt in seinen Stellungnahmen aus, dass das Erfordernis der Gleichwertigkeit mit der angestrebten Ausbildung zur Sozialpädagogin nicht erfüllt sei. Der Berufsberater hat sich dazu in seinem Bericht vom 5. Januar 2004 einlässlich geäussert. Zutreffend stellt er fest, dass die Versicherte ihr vorhandenes Potential nicht in eine entsprechende Berufstätigkeit hat umsetzen können. Gemäss dem ersten berufsberaterischen Bericht wollte die IV-Stelle eine Ausbildung zur Krankenschwester oder Ergotherapeutin gewähren; zuletzt musste die Versicherte die Tätigkeit als Schwesternhilfe aus behinderungsbedingten Gründen aufgeben. Der Berufsberater hat die Berufsmöglichkeiten der Beschwerdeführerin einlässlich evaluiert und ist zum Schluss gekommen, dass im medizinischen Bereich keine valablen beruflichen Alternativen zu der beantragten Ausbildung bestehen. Aufgrund der Hörbehinderung ist weder die Tätigkeit als Arztgehilfin noch die einer Arztsekretärin möglich. Ebenfalls nicht in Betracht kommen die verwandten Berufe wie etwa Dentalassistentin, Fachfrau für medizinisch-technische Radiologie, Technische Operationsfachfrau oder Pharmaassistentin zufolge der Anforderungen an die mündliche Kommunikationsfähigkeit. Nach seinen Abklärungen werden Laborantinnen in einem medizinischen Spitallabor telefonisch kontaktiert, weshalb dieser Beruf ebenfalls ungeeignet ist. In anderen Arbeitsbereichen wäre die Tätigkeit als Laborantin zwar grundsätzlich denkbar, die Beschwerdeführerin müsste jedoch - 25 Jahre nach ihrem Arztgehilfinnen-Diplom - zuerst die vollständige dreijährige Ausbildung durchlaufen. Dies dürfte auch für die zuvor genannten Berufe gelten. Schliesslich finden sich nach den Angaben des Berufsberaters einfache Routinetätigkeiten, die eine Hörbehinderte mit entsprechender Grundausbildung und Einarbeitungszeit ausüben könnte, in der pharmazeutischen Industrie. Wie der Berufsberater zu Recht festhält, wären solche (Hilfs-) Arbeiten der Beschwerdeführerin jedoch insbesondere aufgrund ihrer qualifizierten Ausbildung nicht zumutbar, zumal sie dabei invaliditätsbedingt eine Einkommenseinbusse hinnehmen müsste. 
 
Rechtsprechungsgemäss soll der Versicherten eine einkommensmässig der früheren annähernd gleichwertige Erwerbsmöglichkeit vermittelt werden, und in der Regel besteht nur ein Anspruch auf die dem jeweiligen Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen, nicht aber auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen Vorkehren (BGE 124 V 109 Erw. 2a mit Hinweisen). Diesbezüglich ist hier zu berücksichtigen, dass der Versicherten, wie ausgeführt, keine anderen sozialen oder medizinischen Berufe offen stehen, die ihr auch zumutbar wären. Bei der gewünschten Ausbildung zur Sozialpädagogin handelt es sich daher um eine notwendige Massnahme, um die Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Da das Eingliederungsziel durch die Massnahme voraussichtlich erreicht werden kann, besteht dementsprechend Anspruch auf Kostenübernahme für die gesamte Ausbildung (BGE 124 V 110 Erw. 2a in fine mit Hinweis). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 15. April 2005 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle Schaffhausen vom 6. Februar 2005 aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf Umschulung zur Sozialpädagogin hat. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen, der Ausgleichskasse des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 14. Oktober 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: