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[AZA 0/2] 
5C.238/2001/min 
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ******************************** 
 
 
16. Oktober 2001 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung, 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer und 
Gerichtsschreiber Schett. 
 
--------- 
 
In Sachen 
T.________, Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Diggelmann, Poststrasse 18, 9000 St. Gallen, 
 
gegen 
Verwaltungsgericht von Appenzell A.Rh., II. Abteilung, 
 
betreffend 
Entmündigung, hat sich ergeben: 
 
A.-T.________ leidet seit Jahren an einer Geisteskrankheit, die schon verschiedentlich seine Einweisung in psychiatrische Kliniken notwendig gemacht hat. Seit 1990 ist für ihn eine Vertretungs- und Verwaltungsbeistandschaft bestellt, welche T.________ heute akzeptiert. Aufgrund eines Gutachtens von Dr. X.________, Facharzt für Psychiatrie, vom 28. Januar 2000 und nach Anhörung des Betroffenen errichtete die Vormundschaftskommission Z.________ mit Beschluss vom 4. September 2000 über T.________ eine Vormundschaft wegen Geisteskrankheit. 
 
 
 
B.-Mit Eingabe vom 6. Oktober 2000 focht T.________ den Beschluss der Vormundschaftskommission Z.________ an. Das zuständige Verwaltungsgericht holte bei Frau Dr. Y.________, Leitende Ärztin des sozialpsychiatrischen Dienstes der Psychiatrischen Klinik Z.________ ein neues, aktuelles psychiatrisches Gutachten ein, welches diese am 30. März 2001 erstattete. 
Am 27. Juni 2001 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und bestätigte die angeordnete Entmündigung von T.________. 
 
C.-Gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts von Appenzell A.Rh. hat T.________, nun vertreten durch einen Rechtsanwalt, Berufung eingelegt mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und es sei auf eine Entmündigung zu verzichten. Zudem hat er ein Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege eingereicht. Das Verwaltungsgericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.-Eine Entmündigung nach Art. 369 Abs. 1 ZGB setzt voraus, dass der Betroffene infolge von Geisteskrankheit oder Geistesschwäche seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag, zu seinem Schutze dauernd des Beistandes und der Fürsorge bedarf oder die Sicherheit anderer gefährdet. Gemäss dem Prinzip der Verhältnismässigkeit des vormundschaftlichen Eingriffs sollen Personen, die des vormundschaftlichen Schutzes bedürfen, gleichwohl nicht entmündigt werden, solange eine mildere Massnahme (z.B. eine Beistandschaft oder Beiratschaft) genügt (Schnyder/Murer, Berner Kommentar, N. 11 zu Art. 369 ZGB). 
 
2.-Es ist nicht bestritten, dass der Kläger seit längerem an einer chronisch paranoiden Schizophrenie leidet und deswegen eine Geisteskrankheit im Sinne von Art. 369 ZGB vorliegt (vgl. BGE 50 II 436; Schnyder/Murer, a.a.O., N. 56 zu Art. 369 ZGB). Der Kläger macht indessen geltend, die kantonalen Instanzen hätten die Schutzbedürftigkeit im Sinne des Gesetzes zu Unrecht bejaht. 
 
a) Das Gesetz unterscheidet drei besondere Schutzbedürftigkeiten, nämlich die Unfähigkeit zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten, das dauernde Bedürfnis nach Beistand und Fürsorge sowie die Gefährdung der Sicherheit anderer. Das Vorliegen mindestens einer dieser besonderen Schutzbedürftigkeiten genügt, wobei in der Regel zwei oder gar alle drei gleichzeitig gegeben sind (Egger, Zürcher Kommentar, N. 56 zu Art. 369 ZGB; Schnyder/Murer, a.a.O., N. 95 zu Art. 369 ZGB). 
Die Umschreibung der Schutzbedürftigkeit in Art. 369 Abs. 1 ZGB, insbesondere der Begriff des Unvermögens zur Regelung seiner Angelegenheiten, weist keine scharfen Konturen auf und gewährt folglich wegen seiner Unbestimmtheit dem behördlichen Ermessen breiten Spielraum (vgl. Schnyder/Murer, a.a.O., N. 103 zu Art. 369 ZGB). Ermessensentscheide kantonaler Instanzen überprüft das Bundesgericht zwar an sich frei. Doch übt es dabei eine gewisse Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgewichen ist, wenn sie Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen, oder aber wenn Umstände nicht in Betracht gezogen worden sind, die hätten beachtet werden müssen. Das Bundesgericht greift ausserdem in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 126 III 223 E. 4a S. 227/228; im vorliegenden Zusammenhang BGE 5C.23/2001 vom 19. Juni 2001 i.S. L., 5C.193/1997 vom 18. Dezember 1997 i.S. F.). 
 
b) Soweit sich der Kläger gegen Überlegungen wendet, welche die Vormundschaftskommission im erstinstanzlichen Entscheid angestellt hat, kann auf seine Berufung nicht eingetreten werden. Der Kläger hat nämlich in der Berufungsschrift darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts Bundesrecht verletzt (Art. 43 und 55 Abs. 1 lit. c OG). Da sich vorliegend nur einzelne Vorbringen als unzulässig erweisen, braucht das im Urteilsspruch nicht zum Ausdruck zu kommen (Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, S. 165). 
 
c) Das Verwaltungsgericht hat sich insbesondere dem Gutachten von Frau Dr. Y.________ angeschlossen, welche zum Schluss gekommen ist, dass es beim Kläger im Rahmen von psychotischen Episoden zu einer veränderten Realitätswahrnehmung sowie zu einer veränderten Verarbeitung von den wahrgenommenen Informationen komme. Dies führe zunehmend zu einem Leben in einer eigenen und für die Aussenwelt nicht mehr nachvollziehbaren Realität, so dass auch Interaktionen mit Nachbarn, Angehörigen oder andern Drittpersonen extrem beeinträchtigt sein könnten. Aufgrund der Erkrankung, insbesondere aufgrund der Möglichkeit der Fremdgefährdung, erscheine der Kläger schutzbedürftig. Deshalb sei eine Entmündigung des Klägers aufgrund des sehr schwierigen Krankheitsverlaufs sinnvoll und notwendig. Auch der Gutachter Dr. X.________ hat die Notwendigkeit einer Bevormundung bejaht. Das Verwaltungsgericht hat die Schutzbedürftigkeit des Klägers nicht nur wegen der Fremdgefährdung, sondern auch im Hinblick auf seine Unfähigkeit, während der psychotischen Krankheitsphasen seine eigenen Angelegenheiten zu besorgen, als gegeben erachtet. So habe er wiederholt unnütze Mietverträge abgeschlossen, Wohnungseinrichtungen demoliert oder das vom Beistand ihm aus der Einkommensverwaltung überlassene Geld vertan. Der Beistand habe im Anschluss an solche psychotischen Krankheitsphasen den angerichteten Schaden wieder gutmachen müssen, soweit dies noch möglich gewesen sei. Die Urteilsfähigkeit des Klägers sei während der akuten Schübe krankheitsbedingt stark eingeschränkt, so dass der Entzug der Handlungsfähigkeit, also die Entmündigung, krankheitsbedingt notwendig und seine Beistands- und Fürsorgebedürftigkeit zu bejahen sei. 
 
d) Der Kläger führt aus, bei den vom Verwaltungsgericht beanstandeten vertraglichen Verpflichtungen handle es sich um die Mietverträge, welche der Kläger jeweils gegen den Willen seines Beistandes abgeschlossen habe. Im Grunde werde aber nicht die mietvertragliche Verpflichtung als solche beanstandet, sondern man habe seitens der Vormundschaftskommission mittels einer geeigneten Unterbringung in einem Wohnheim die klinische Behandlung des Klägers durchsetzen wollen. Der mit der Entmündigung verbundene Entzug der Handlungsfähigkeit werde also für einen sachfremden Zweck eingesetzt. Zudem sei nicht ersichtlich, was ein Entzug der Handlungsfähigkeit in Bezug auf die Fremdgefährdung bieten könnte. Zu aggressiven Verhaltensweisen könne es kommen, ob eine Person bevormundet sei oder nicht. 
e) Richtig ist, dass sowohl die Klinik, als auch der bisherige Beistand jeweils in der Vorbereitungsphase für die Entlassung aus der Klinik dem Kläger ein begleitetes Wohnen in einem Wohnheim empfohlen hatten, was dieser jeweils ausschlug und eine eigene Wohnung mietete. Es hat sich jedoch wiederholt erwiesen, dass der Kläger mit dem Geld nicht umgehen konnte und sich dadurch selber wirtschaftlich gefährdete. 
Durch sein nach Aussage der Gutachterin aggressives Verhalten wurden auch Dritte persönlich extrem bedroht und das Mietobjekt und die Wohnungseinrichtung erheblich beschädigt. 
Da es in den vergangenen Jahren mit immer kürzeren Zeitabständen zu akuten Krankheitsausbrüchen gekommen ist, entstehen solche für die Aussenwelt nicht mehr nachvollziehbare Situationen, in denen der Kläger seine Angelegenheiten nicht mehr selber zu besorgen vermag, immer häufiger. Es trifft zwar zu, dass die Bevormundung allein den erforderlichen Schutz nicht zu gewährleisten vermag, weshalb wohl auch in Zukunft weitere Massnahmen, wie periodische Anstaltseinweisungen, erforderlich sein werden. Insbesondere kann der Vormund unbestrittenermassen auch keine Zwangsmedikation anordnen. 
Mit der Bevormundung besteht aber die Möglichkeit, dass dem Kläger kontrollierte, klar strukturierte und sowohl medizinisch, als auch persönlich betreute Lebens- und Wohnbedingungen geboten werden, die seinen existenziellen Bedürfnissen gerecht werden und geeignet sind, die Gefährdung von Personen und Sachen einzudämmen. Zudem kann gewährleistet werden, dass für ihn vernünftig entschieden wird, wenn seine Urteilsfähigkeit krankheitsbedingt stark vermindert ist. 
Es ist nicht ersichtlich, welche mildere Massnahme seiner Schutzbedürftigkeit gerecht werden könnte. Die Berufung ist abzuweisen. 
 
3.-Der Kläger stellt ein Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege. Das Bundesgericht gewährt einer bedürftigen Partei, deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint, auf Antrag Befreiung von der Bezahlung der Gerichtskosten sowie von der Sicherstellung der Parteientschädigung (Art. 152 Abs. 1 OG). Nötigenfalls kann ihr ein Rechtsanwalt beigegeben werden (Art. 152 Abs. 2 OG). Es ist zwar offensichtlich, dass der Kläger bedürftig ist. Angesichts der eindeutigen Gutachten und des fundierten vorinstanzlichen Entscheids muss sein Rechtsbegehren indessen als aussichtslos bezeichnet werden, so dass es abgewiesen werden muss. Bei dieser Sachlage hat der Kläger grundsätzlich die Verfahrenskosten zu bezahlen (Art. 156 Abs. 1 OG), und er hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 OG). Angesichts der engen finanziellen Verhältnisse des Klägers rechtfertigt es sich jedoch, ausnahmsweise auf das Erheben von Verfahrenskosten zu verzichten (Art. 156 Abs. 1OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.-Die Berufung wird abgewiesen, und das Urteil des Verwaltungsgerichts von Appenzell Ausserrhoden, II. Abteilung, vom 27. Juni 2001 wird bestätigt. 
 
2.-Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.-Dieses Urteil wird dem Berufungskläger sowie dem Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, II. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
_____________ 
Lausanne, 16. Oktober 2001 
 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: