Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
[AZA 7] 
H 60/99 Vr 
 
IV. Kammer 
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und nebenamtlicher Richter Walser; Gerichtsschreiber Arnold 
 
Urteil vom 6. September 2000 
 
in Sachen 
 
M.________, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse Luzern, Würzenbachstrasse 8, Luzern, 
Beschwerdegegnerin, 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern 
 
A.- M.________ verkaufte im Jahre 1994 seine landwirtschaftliche Liegenschaft X.________ dem Sohn T.________, geboren 1964. Am 3. April 1997 erhob die Steuerverwaltung des Kantons Luzern bei T.________ für das Jahr 1994 eine Sondersteuer auf einem Lidlohn von Fr. 63'600. -, welcher zur Tilgung des Kaufpreises verwendet worden sei. Die Ausgleichskasse des Kantons Luzern verpflichtete am 21. Juli 1998 M.________ verfügungsweise zur Bezahlung paritätischer AHV/IV/EO-Beiträge auf dem gewährten Lidlohn im Betrag von Fr. 6616. 30.- (inkl. Verwaltungskostenbeitrag). In einer zweiten, gleichentags erlassenen Verfügung erhob sie Verzugszinsen im Betrag von Fr. 1389. 35. Mit Schreiben vom 17. September 1998 orientierte die Ausgleichskasse T.________ über die verfügte Nachzahlung geschuldeter Beiträge. 
 
B.- M.________ und T.________ reichten je Beschwerde gegen die beiden Nachtragsverfügungen ein. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern vereinigte die Verfahren und wies die Beschwerden ab (Entscheid vom 14. Januar 1999). 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt M.________ die Aufhebung des kantonalen Entscheides und der Verfügungen der Ausgleichskasse vom 21. Juli 1998. 
Die Vorinstanz und die Ausgleichskasse schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Der als Mitinteressierter zur Vernehmlassung eingeladene T.________ und das Bundesamt für Sozialversicherung reichen keine Stellungnahme ein. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht. 
b) Im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG ist die Möglichkeit, im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht neue Beweismittel geltend zu machen, weitgehend eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung sind nur jene neuen Beweismittel zulässig, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte erheben müssen und deren Nichterheben eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 121 II 99 Erw. 1c, 120 V 485 Erw. 1b, je mit Hinweisen). Diese für neue Beweismittel massgebende Rechtsprechung gilt umso mehr, wenn vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht nicht einmal solche Beweismittel geltend gemacht, sondern lediglich neue Behauptungen aufgestellt werden, welche die betreffende Partei ohne weiteres schon im vorinstanzlichen Verfahren hätte vorbringen können. Unzulässig und mit der weit gehenden Bindung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts an die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung gemäss Art. 105 Abs. 2 OG unvereinbar ist es ferner, dem Eidgenössischen Versicherungsgericht Beweismittel vorzulegen, die schon durch das kantonale Gericht angefordert waren, die aber nicht fristgerecht unterbreitet wurden (BGE 121 II 100 Erw. 1c, 102 Ib 127; ZAK 1990 S. 396 Erw. 1). 
 
2.- a) Erlässt eine Ausgleichskasse im Gebiet der paritätischen Beiträge eine Verfügung, so stellt sie eine Beitragsschuld sowohl des Arbeitgebers wie des Arbeitnehmers fest (Art. 4 und 5 sowie Art. 12 und 13 AHVG). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind in gleicher Weise betroffen, weshalb die Verfügung im Hinblick auf die Wahrung des rechtlichen Gehörs grundsätzlich beiden zu eröffnen ist. Ausnahmen von diesem Grundsatz hat das Eidgenössische Versicherungsgericht indessen dort zugelassen, wo der Ausgleichskasse aus praktischen Gründen die Zustellung von Verfügungen an die Arbeitnehmer nicht zugemutet werden kann. Dies trifft beispielsweise zu, wenn es sich um eine grosse Zahl von Arbeitnehmern handelt, wenn sich der Wohnsitz der Arbeitnehmer im Ausland befindet oder wenn es sich lediglich um geringfügige Beiträge handelt (BGE 113 V 3 Erw. 2 mit Hinweisen). Diese Grundsätze gelten nicht nur, wenn das Beitragsstatut oder die Natur einzelner Zahlungen streitig ist, sondern auch bei nachträglichen Lohnerfassungen, wenn umstritten ist, ob bestimmte Vergütungen zum massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG gehören (BGE 113 V 4 Erw. 3a). 
Ist eine Beitragsverfügung nur dem Arbeitgeber eröffnet worden und hat dieser Beschwerde erhoben, so hat das erstinstanzliche Gericht - ausser in den genannten Ausnahmefällen - entweder den Arbeitnehmer beizuladen oder die Sache an die Verwaltung zurückzuweisen, damit diese durch Zustellung der Beitragsverfügung an den oder die betroffenen Arbeitnehmer deren Verfahrensrechte wahrt (BGE 113 V 5 Erw. 4a). 
 
b) Die Verwaltung hat die strittigen Nachzahlungsverfügungen ausweislich der Akten einzig dem Adressaten M.________ zugestellt. Indem sie mit Schreiben vom 17. September 1998 den betroffenen Arbeitnehmer T.________ über die verfügte Nachzahlung geschuldeter Beiträge orientierte und ihm ein Beschwerderecht einräumte, wovon dieser mit an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern gerichteter Eingabe vom 30. September 1998 Gebrauch machte, wurden dessen Verfahrensrechte im Verwaltungsverfahren und im vorinstanzlichen Prozess indessen gewahrt. Letztinstanzlich wurde T.________ als Mitinteressiertem zudem die Möglichkeit zur Vernehmlassung eingeräumt, wobei er keine Stellungnahme einreichte. 
 
3.- a) Es steht fest und ist im Übrigen unbestritten, dass die Verfügung der Steuerverwaltung des Kantons Luzern vom 3. April 1997, mit welcher auf einem Lidlohn von Fr. 63'600. - eine Sondersteuer veranlagt worden war, unangefochten in Rechtskraft erwuchs. Während T.________ im vorinstanzlichen Verfahren gleichwohl geltend machte, die Sondersteuer sei zu Unrecht erhoben wurde, tut dies der Beschwerdeführer erstmals letztinstanzlich. Zur Bestätigung legt er eine Erklärung des Gemeindeschreibers von Willisau- Land vom 12. Februar 1999 auf. Danach ist die Meldung der Steuerbehörde an die -verwaltung über Lidlohn im Betrag von Fr. 63'600. - irrtümlich erfolgt, da nicht von Lidlohn, sondern von einer ausstehenden Lohnforderung auszugehen sei und die Löhne jeweils korrekt abgerechnet worden seien. 
 
b) Art. 39 AHVV regelt die Nachzahlung geschuldeter Beiträge. Art. 23 AHVV normiert das Zusammenwirken der Steuerbehörde und der Ausgleichskasse bei der Festsetzung der Beiträge von Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit. Die Angaben der kantonalen Steuerbehörden über das massgebende Einkommen und das betriebliche Eigenkapital gemäss Art. 23 Abs. 1 AHVV sind für die Ausgleichskassen absolut (Art. 23 Abs. 4 AHVV) und für das Sozialversicherungsgericht rechtsprechungsgemäss insoweit relativ verbindlich, als nur unter bestimmten Voraussetzungen davon abgewichen werden darf. Diese Bindung betrifft indes namentlich nicht die beitragsrechtliche Qualifikation eines von der Steuerbehörde gemeldeten Einkommens. Die Ausgleichskassen haben vielmehr ohne Bindung an die Steuermeldung auf Grund des AHV-Rechts zu beurteilen, wer für das gemeldete Einkommen beitragspflichtig ist (BGE 121 V 83 Erw. 2c, 114 V 75 Erw. 2, 110 V 86 Erw. 4 und 370 Erw. 2a, 102 V 30 Erw. 3b mit Hinweisen). Letzteres gilt insoweit auch für die beitragsrechtliche Qualifikation eines von der kantonalen Steuerbehörde gemeldeten Lidlohns, als Ausgleichskasse wie Sozialversicherungsgericht einzig nach Massgabe des AHV-Rechts zu beurteilen haben, ob hiefür Beiträge geschuldet sind oder eine allfällige Beitragsschuld bereits getilgt wurde. Ob die unangefochten in Rechtskraft erwachsene Verfügung der sachlich und örtlich zuständigen kantonalen Steuerverwaltung vom 3. April 1997 (betreffend Sondersteuer auf Lidlohn) zu Recht erfolgte und inwieweit die Bescheinigung des Gemeindeschreibers (vom 12. Februar 1999) geeignet ist, Gegenteiliges zu belegen, kann demnach ebenso offen bleiben, wie die Frage, ob das entsprechende Vorbringen des Beschwerdeführers und die zum Zwecke des Beweises eingereichte Bescheinigung des Gemeindeschreibers prozessual zulässig sind (vgl. Erw. 1 hievor). 
 
4.- a) Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung zutreffend dargelegt, dass Lidlohn, der zur Entschädigung geleisteter Arbeit ausgerichtet wird, massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG darstellt (vgl. insbesondere ZAK 1989 S. 27 ff.). Anders verhält es sich, wenn die Entschädigung für früher zugewendete Einkünfte ausgerichtet wird. Es handelt sich dann um eine Darlehensrückzahlung, welche nicht Einkommen, sondern eine Vermögensumschichtung darstellt (Käser, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl. , S. 148 f.). 
 
b) Das kantonale Gericht qualifizierte den Lidlohn als Entschädigung für geleistete Arbeit und bejahte folgerichtig die Pflicht, auf dem Entgelt paritätische Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Dem ist zuzustimmen, nachdem der Beschwerdeführer und sein Sohn vorinstanzlich übereinstimmend ausgeführt haben, vereinbarungsgemäss seien vom monatlichen Barlohn von Fr. 1000. - jeweils nur Fr. 500. - ausbezahlt worden, während der Rest an den Kaufpreis für die Liegenschaft anzurechnen war. Weder auf Grund der Akten noch den Vorbringen des Beschwerdeführers bestehen Anhaltspunkte dafür, dass T.________ seinem Vater M.________ den nicht ausbezahlten Barlohn von insgesamt Fr. 63'500. - als Darlehen und damit "das Eigentum an einer Summe Geld" (Art. 312 OR) übertragen hat. Der Beschwerdeführer hat vorinstanzlich denn auch eingeräumt, in seinen Steuererklärungen keine entsprechende Darlehensschuld seinem Sohn gegenüber ausgewiesen zu haben. 
 
5.- Es ist unbestritten und steht fest, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1982 bis 1994 für seinen Sohn auf einem Lohn von insgesamt Fr. 191'900. - Sozialversicherungsbeiträge mit der Beschwerdegegnerin abgerechnet hat, während das Globaleinkommen (Art. 14 Abs. 3 AHVV) für den fraglichen Zeitraum Fr. 136'008. - betrug. Stellt man auf die Angaben des Beschwerdeführers ab, hat er in den genannten Jahren auf nicht effektiv ausbezahlten Barlohnbestandteilen von insgesamt Fr. 62'300. - AHV-Beiträge abgerechnet. Eine Tilgung der Beitragsschuld gemäss Verfügung vom 21. Juli 1998 durch Leistung der für 1982 bis 1994, gemessen an den ausbezahlten Löhnen, zuviel entrichteten Beiträgen steht indes ausser Frage. Nach Art. 14 Abs. 1 AHVG hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmerbeiträge bei jeder Lohnzahlung in Abzug zu bringen und zusammen mit den Arbeitgeberbeiträgen zu bezahlen. Mit der Beitragspflicht einher geht die Abrechnungspflicht des Arbeitgebers (Art. 34 ff. AHVV). Gemäss Art. 35 Abs. 1 AHVV umfasst die Abrechnung die nötigen Angaben für die Verbuchung der Beiträge und für die Eintragung in das individuelle Konto. Das System der AHV kennt die Möglichkeit nicht, auf rein hypothetischen, nicht effektiv erzielten Einkommen freiwillig Beitragsleistungen zu erbringen und auf diese Weise höhere Leistungen zu versichern. Soweit eine versicherte Person dies gleichwohl macht, leistet sie nicht geschuldete Beiträge, deren Rückforderung einzig nach Massgabe von Art. 41 AHVV zu beurteilen ist, mithin auch unter dem Vorbehalt der Verjährung gemäss Art. 16 Abs. 3 AHVG steht. Da Verrechnung mit der rechtens erhobenen Forderung der Ausgleichskasse gemäss Verfügung vom 21. Juli 1998 mangels ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung gegen den Willen der Behörde nicht möglich ist (BGE 110 V 185 f. Erw. 2 und 3 mit Hinweisen; Imboden/Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, 6. Aufl. , Nr. 33, insbesondere S. 196, Ziff. III lit. d), erübrigen sich vorliegend weitere Darlegungen hinsichtlich Geltendmachung und Bestand eines allfälligen Rückforderungsanspruchs. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Die Gerichtskosten von total Fr. 900. - werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Abgaberechtliche Abteilung, dem Bundesamt für Sozialversicherung und T.________ zugestellt. 
 
Luzern, 6. September 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: