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[AZA 7] 
K 81/00 Gb 
 
III. Kammer 
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiber Nussbaumer 
 
Urteil vom 8. September 2000 
 
in Sachen 
Krankenkasse Zurzach, Hauptstrasse 62, Zurzach, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
D.________, Beschwerdegegner, 
 
und 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
A.- D.________ war als Arbeitnehmer der Firma Z.________ AG im Rahmen eines Kollektivvertrages bei der Krankenkasse Zurzach für ein Taggeld von Fr. 130.- ab 
31. Tag versichert. Mit eingeschrieben der Post übergebenem Brief vom 25. April 1995 brachte die Krankenkasse einen Vorbehalt auf "Morbus Bechterew" für die Zeit vom 1. April 1995 bis 31. März 2000 an. Das an die Adresse des Versicherten zugestellte Schreiben sandte die Post der Krankenkasse wieder zurück. Mit dem Ausscheiden aus der Arbeitgeberfirma per 1. Oktober 1996 trat D.________ in die Einzelversicherung über. Mit Verfügung vom 17. März 1998 lehnte die Krankenkasse die Ausrichtung von Taggeldleistungen auf Grund der Krankheitsdiagnose "Morbus Bechterew" gestützt auf den Vorbehalt ab. 
Auf die daraufhin eingereichte Beschwerde trat das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 29. April 1998 nicht ein und überwies die Eingabe vom 16. April 1998 an die Krankenkasse Zurzach zum Erlass eines Einspracheentscheides. Am 3. August 1998 erliess die Krankenkasse einen Einspracheentscheid, mit dem sie an ihrer Verfügung festhielt und auf eine Rückforderung der in der Zeit vom 7. November 1997 bis 15. Februar 1998 ausgerichteten Taggeldleistungen in Höhe von Fr. 3692.- verzichtete. 
 
 
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 26. April 2000 gut und wies die Sache zur Festsetzung der weiteren Leistungen an die Krankenkasse zurück. 
 
 
C.- Die Krankenkasse Zurzach führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Rechtmässigkeit der Verfügung vom 17. März 1998 zu bestätigen. 
D.________, kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Der Streit um die Mitgliedschaft, einen Versicherungsvorbehalt oder den Übertritt von der Kollektivversicherung in die Einzelversicherung betrifft nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG, weshalb das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen hat, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG; BGE 124 V 120 Erw. 1a mit Hinweisen). Daran ändert nichts, dass die Beschwerde führende Krankenkasse dem Versicherten zunächst Taggelder ausbezahlt hat, auf deren Rückforderung sie verzichtet (vgl. RKUV 2000 Nr. K 111 S. 117 f. 
Erw. II./2b). 
 
b) Im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG ist die Möglichkeit, im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht neue tatsächliche Behauptungen aufzustellen oder neue Beweismittel geltend zu machen, weitgehend eingeschränkt. 
Nach der Rechtsprechung sind nur jene neuen Beweismittel zulässig, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte erheben müssen und deren Nichterheben eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 121 II 99 Erw. 1c, 120 V 485 Erw. 1b, je mit Hinweisen). 
 
2.- Scheidet eine versicherte Person aus der Kollektivversicherung aus, weil sie nicht mehr zu dem im Vertrag umschriebenen Kreis der Versicherten zählt oder weil der Vertrag aufgelöst wird, so hat sie gemäss Art. 71 Abs. 1 KVG (in der hier anwendbaren, am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen Fassung) das Recht, in die Einzelversicherung des Versicherers überzutreten. Soweit die versicherte Person in der Einzelversicherung nicht höhere Leistungen versichert, dürfen keine neuen Versicherungsvorbehalte angebracht werden; das im Kollektivvertrag massgebende Eintrittsalter ist beizubehalten. 
 
3.- a) Wer sich während eines hängigen Verfahrens für längere Zeit von dem den Behörden bekannt gegebenen Adressort entfernt, ohne für die Nachsendung der an die bisherige Adresse gelangenden Korrespondenz zu sorgen und ohne der Behörde zu melden, wo er nunmehr zu erreichen ist, bzw. 
ohne eine Vertretung zu beauftragen, nötigenfalls während seiner Abwesenheit für ihn zu handeln, hat eine am bisherigen Ort versuchte Zustellung als erfolgt gelten zu lassen. 
Voraussetzung ist allerdings, dass die Zustellung eines behördlichen Aktes während der Abwesenheit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und ein Verfahrens- oder Prozessrechtsverhältnis besteht, welches die Parteien verpflichtet, sich nach Treu und Glauben zu verhalten, d.h. 
unter anderem dafür zu sorgen, dass ihnen Entscheide, welche das Verfahren betreffen, zugestellt werden können (BGE 119 V 94 Erw. 4b/aa mit Hinweisen). 
 
b) Unbestritten ist, dass der Beschwerdegegner beim Übertritt in die Einzelversicherung keine höheren Leistungen versichert hat, sodass im Zeitpunkt des Übertritts kein neuer Versicherungsvorbehalt zulässig ist (Art. 71 Abs. 1 zweiter Satz KVG). Umstritten ist hingegen, ob die Beschwerdeführerin im Rahmen der Kollektiv-Taggeldversicherung am 25. April 1995 rechtsgültig einen Vorbehalt für "Morbus Bechterew" angebracht hat. Auf Grund der Akten ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin dem Versicherten den Vorbehalt mit Schreiben vom 25. April 1995 eingeschrieben zugestellt hat, die Sendung aber von der Post der Krankenkasse retourniert worden ist. Ein nochmaliger Versand dieses Schreibens wird weder von der Beschwerdeführerin behauptet noch ist ein solcher aus den Akten ersichtlich. 
Es stellt sich daher die Frage, ob dem Beschwerdegegner die Vorbehaltserklärung rechtsgültig mitgeteilt worden ist. Diese Frage hat das kantonale Gericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung zur Zustellung eingeschriebener Sendungen (vgl. Erw. 3a hievor) verneint, da der Beschwerdegegner nicht mit der Zusendung einer Vorbehaltserklärung rechnen musste. An und für sich wendet die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang zu Recht ein, dass die erwähnte Rechtsprechung nur bei Abwesenheit vom angegebenen Adressort im Zeitpunkt der Zustellung zur Anwendung gelangt. 
Gleichwohl hält der vorinstanzliche Entscheid aus den nachfolgenden Gründen vor Bundesrecht stand. Die Beschwerdeführerin hat die Vorbehaltserklärung vom 25. April 1995 nicht in die Form einer Verfügung gekleidet, sondern als gewöhnliches Schreiben ausgefertigt. Es enthält am Schluss den Hinweis an den Beschwerdegegner, dass er, falls er mit dem Vorbehalt nicht einverstanden sei, das Schreiben mit der unterzeichneten Verzichtserklärung (auf die Taggeldversicherung) innert 10 Tagen zurücksenden könne. Nachdem der Beschwerdegegner das Schreiben nicht abgeholt und damit dessen Inhalt für die Beschwerdeführerin erkennbar nicht zur Kenntnis genommen hat sowie aufgrund der bis zum erstinstanzlichen Entscheid eingereichten Akten und Vorbringen (vgl. dazu Erw. 1b hievor) auch nicht mit einer solchen Zustellung rechnen musste, wäre die Beschwerdeführerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehalten gewesen, eine nochmalige Zustellung vorzunehmen oder den Vorbehalt in Form einer Verfügung zu eröffnen (vgl. dazu den im Zeitpunkt der Zustellung in Kraft gewesenen Art. 30 Abs. 1 KUVG). Sie durfte nicht einfach von der Fiktion der Kenntnisnahme und dem Einverständnis mit dem Vorbehalt ausgehen und den Beschwerdegegner über die zukünftige versicherungsrechtliche Situation im Ungewissen lassen. Unter diesen Umständen ist der Vorbehalt vom 25. April 1995 nicht rechtsgültig angebracht worden. Ohnehin ist weder aufgrund der Akten noch auf Grund der Darlegungen der Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren ersichtlich, aus welchem Grund am 25. April 1995 ein Vorbehalt erfolgt ist, nachdem die Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren in der Beschwerdeantwort vorgebracht hat, der Beschwerdegegner sei seit 1982 im Rahmen des Kollektivvertrages versichert. Im Lichte von Art. 105 Abs. 2 OG ist die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erstmals vorgebrachte Darstellung, der Beschwerdeführer sei als Arbeitnehmer der Firma Z.________ AG per 1. Mai 1995 in die Kollektivversicherung eingetreten, verspätet und unzulässig. 
 
4.- Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht (Erw. 1a hievor), ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 156 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht 
 
des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
zugestellt. 
Luzern, 8. September 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: