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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
H 4/06 
 
Urteil vom 21. November 2006 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Lanz 
 
Parteien 
D.________, 1939, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Erik Wassmer, Fischmarkt 12, 4410 Liestal, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal 
 
(Entscheid vom 23. November 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1939 geborene D.________ bezieht eine Altersrente der AHV. Er leidet unter anderem an Erkrankungen am Herz und an der Wirbelsäule. Im Dezember 2004 meldete er sich zum Bezug einer Hilflosenentschädigung der AHV an. Die Ausgleichskasse Basel-Landschaft veranlasste eine Abklärung an Ort und Stelle und wies das Leistungsbegehren mit der Begründung, es sei keine zumindest mittlere Hilflosigkeit gegeben, ab (Verfügung vom 18. März 2005). Daran hielt die Verwaltung auf Einsprache hin und nach Einholung ergänzender Stellungnahmen der Abklärungsperson fest (Einspracheentscheid vom 22. August 2005). 
B. 
Die von D.________ hiegegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag, es sei mit Wirkung ab 1. September 2004 eine Hilflosenentschädigung aufgrund mittlerer Hilflosigkeit zuzusprechen, wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft unter Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung ab (Entscheid vom 23. November 2005). 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt D.________ sein vorinstanzliches Rechtsbegehren erneuern. Weiter wird um unentgeltliche Verbeiständung für das letztinstanzliche Verfahren ersucht. 
 
Die Ausgleichskasse, handelnd durch die IV-Stelle Basel-Landschaft, und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der AHV ab 1. September 2004. Die hiefür massgeblichen Bestimmungen (soweit von den mit dem ATSG zum 1. Januar 2003 und im Rahmen der 4. IV-Revision zum 1. Januar 2004 erfolgten Rechtsänderungen betroffen, jeweils in der neuen, nachfolgend sofern nicht anders vermerkt stets gemeinten Fassung) und Grundsätze sind im kantonalen Entscheid richtig wiedergegeben. Danach setzt der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der AHV Hilflosigkeit schweren oder mittleren Grades voraus (Art. 43bis Abs. 1 AHVG), wobei die Hilflosigkeit nach Art. 37 Abs. 1 sowie Abs. 2 lit. a und b IVV bemessen wird (Art. 43bis Abs. 5 letzter Satz AHVG in Verbindung mit Art. 66bis Abs. 1 AHVV). Laut Art. 37 Abs. 1 IVV gilt die Hilflosigkeit als schwer, wenn die versicherte Person vollständig hilflos ist; dies ist der Fall, wenn sie in allen alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist und überdies der dauernden Pflege oder der persönlichen Überwachung bedarf. Gemäss Art. 37 Abs. 2 IVV - soweit für die Belange der Hilflosenentschädigung der AHV anwendbar, was nach Art. 66bis Abs. 1 AHVV für lit. a und b, nicht aber für lit. c der Bestimmung gilt - ist eine mittelschwere Hilflosigkeit gegeben, wenn die versicherte Person trotz der Abgabe von Hilfsmitteln in den meisten alltäglichen Lebensvorrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist (lit. a) oder in mindestens zwei alltäglichen Lebensvorrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist und überdies einer dauernden persönlichen Überwachung bedarf (lit. b). Als relevant gelten gemäss Rechtsprechung die sechs alltäglichen Lebensverrichtungen Ankleiden/Auskleiden, Aufstehen/Absitzen/Abliegen, Essen, Körperpflege, Verrichten der Notdurft sowie Fortbewegung im oder ausser Haus/Kontaktaufnahme (BGE 107 V 141 Erw. 1c und 149 Erw. 1b und seitherige Entscheide). 
2. 
Es steht fest und ist unbestritten, dass keine schwere Hilflosigkeit im Sinne von Art. 37 Abs. 1 IVV vorliegt. Einigkeit besteht auch darin, dass der Beschwerdeführer in den drei Lebensverrichtungen Ankleiden/Auskleiden, Körperpflege sowie Verrichten der Notdurft hilflos ist. Dies genügt indessen praxisgemäss noch nicht zur Annahme einer mittelschweren Hilflosigkeit nach Art. 37 Abs. 2 lit. a IVV. Denn hiefür wird nach der - zur gleich lautenden, bis 31. Dezember 2003 in Kraft gestandenen Vorgängerbestimmung Art. 36 Abs. 2 lit. a IVV ergangenen und weiterhin anwendbaren (vgl. Urteil S. vom 29. August 2006, I 866/05, Erw. 3) - Rechtsprechung eine Hilflosigkeit in mindestens vier dieser Lebensverrichtungen verlangt (BGE 121 V 90 Erw. 3b mit Hinweis). 
3. 
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird - wie schon vorinstanzlich - Hilflosigkeit auch bei der Fortbewegung/Kontaktnahme geltend gemacht. Mit dem kantonalen Gericht, auf dessen sorgfältige und überzeugende Würdigung der gegebenen Verhältnisse verwiesen werden kann, ist aber eine relevante Hilfsbedürftigkeit bei dieser Lebensverrichtung zu verneinen. Hieran vermögen sämtliche Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts zu ändern. Dies gilt namentlich auch, soweit geltend gemacht wird, die mangelnden Sprachkenntnisse wirkten sich bei der Pflege sozialer Kontakte stärker aus als bei der früheren, jahrzehntelangen Erwerbstätigkeit als Metzger. Dass dies zutreffen und sich darüber hinaus in einer Hilflosigkeit im Sinne des Gesetzes begründenden Weise auswirken soll, ist nicht nachvollziehbar. 
4. 
Der Beschwerdeführer lässt sodann vorbringen, er benötige auch Hilfe bei der täglichen Medikamenteneinnahme. Diese sei bei der Bemessung der Hilflosigkeit als eigenständige Lebensverrichtung zu berücksichtigen. 
4.1 Für eine entsprechende Erweiterung der seit BGE 107 V 141 Erw. 1c und 149 Erw. 1b in konstanter Rechtsprechung (vgl. BGE 127 V 97 Erw. 3c mit Hinweisen; nicht in der Amtlichen Sammlung publizierte Erw. 5.2 des Urteils BGE 129 V 370, veröffentlicht in SVR 2004 IV Nr. 12 S. 36 [Urteil I. vom 9. Juli 2003, I 385/01]) festgeschriebenen Liste der relevanten Lebensverrichtungen besteht indessen mit der Vorinstanz kein Anlass. Die Notwendigkeit, täglich Medikamente zu verabreichen, ist vielmehr, und daran ist festzuhalten, als Teil der persönlichen Pflege zu betrachten (BGE 107 V 139 Erw. 1b; ZAK 1990 S. 46 Erw. 2, je mit Hinweisen; Urteil S. vom 3. September 2003, I 214/03, Erw. 1.2). Die persönliche Pflege führt ihrerseits nur dann zu einer - diesfalls schweren - Hilflosigkeit, wenn sie dauernd erforderlich ist und daneben ein Hilfsbedarf in sämtlichen der genannten relevanten Lebensverrichtungen besteht (Art. 37 Abs. 1 IVV; Erw. 1 hievor). Letzteres trifft hier nicht zu, was unbestritten feststeht. 
4.2 Damit müsste an sich weder auf die Frage der Dauerhaftigkeit noch auf die in Art. 37 Abs. 1 IVV alternativ zur dauernden persönlichen Pflege genannte Anspruchsvoraussetzung der erforderlichen persönlichen Überwachung eingegangen werden. Seitens des Beschwerdeführers wird indessen auf die Notwendigkeit einer Überwachung bei der Medikamenteneinnahme hingewiesen. Es fragt sich daher, ob sich die Annahme einer mittelgradigen Hilflosigkeit allenfalls auf Art. 37 Abs. 1 lit. b IVV stützen liesse. Verwaltung und Vorinstanz haben dies mit der Begründung verneint, die hiefür nebst der - unstreitig bestehenden - Hilflosigkeit in mindestens zwei relevanten Lebensverrichtungen verlangte Notwendigkeit einer dauernden persönlichen Überwachung sei nicht gegeben. 
Diese Beurteilung ist richtig. Hervorzuheben ist zunächst, dass dem Kriterium der dauernden persönlichen Überwachung bei der mittleren (und bei der leichten) Hilflosigkeit ein grösseres Gewicht beizumessen ist als bei der schweren Hilflosigkeit und es, anders als bei dieser, in mehr als nur minimaler Weise erfüllt sein muss (vgl. BGE 107 V 150 f. Erw. 1d mit Hinweisen; nicht in der Amtlichen Sammlung publizierte Erw. 5.3 des Urteils BGE 129 V 370, veröffentlicht in SVR 2004 IV Nr. 12 S. 36 [Urteil I. vom 9. Juli 2003, I 385/01]). Es kann daher nur eine dauernde persönliche Überwachung von einer gewissen Intensität anspruchsrelevant sein (Urteile W. vom 7. Juni 2005, H 163/04, Erw. 4, und D. vom 23. September 2003, I 360/03, Erw. 4.2). Dieses Erfordernis ist hier, wo es um eine jeweils rund fünfzehnminütige Überwachung bei der täglichen Medikamenteneinnahme geht, nicht erfüllt. Verwaltung und Vorinstanz haben somit richtigerweise eine anspruchsbegründende Hilflosigkeit auch nach Art. 37 Abs. 1 lit. b IVV verneint. Einsprache- und angefochtener Entscheid sind demnach rechtens. 
5. 
Es geht um Versicherungsleistungen, weshalb das Verfahren gemäss Art. 134 OG kostenlos ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von Gerichtskosten ist somit gegenstandslos. Die unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Advokat Erik Wassmer, Liestal, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1971.20 (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, der IV-Stelle Basel-Landschaft und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 21. November 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Vorsitzende der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: