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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.16/2007 /blb 
 
Urteil vom 20. April 2007 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Marazzi, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Endres, 
 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, Postfach 760, 6301 Zug, 
 
V.________, 
Verfahrensbeteiligter, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas M. Dubler. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV (unentgeltliche Rechtspflege), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Justizkommission, 
vom 1. Dezember 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
In einem vor dem Kantonsgericht Zug hängigen Verfahren stellte X.________ ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, welchem der Einzelrichter beim Kantonsgerichtspräsidium Zug mit Verfügung vom 2. März 2006 entsprach. 
B. 
B.a In der Folge beantragte der Prozessgegner im Hauptverfahren den rückwirkenden Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege, da die Mittellosigkeit von X.________ nicht nachgewiesen sei und dieser die Gewährung durch unrichtige Angaben erwirkt habe. Nach Durchführung eines Schriftenwechsels entzog der Einzelrichter beim Kantonsgerichtspräsidium Zug X.________ mit Verfügung vom 6. September 2006 die unentgeltliche Rechtspflege "integral rückwirkend". 
B.b Dagegen erhob X.________ Beschwerde, die das Obergericht des Kantons Zug mit Urteil vom 1. Dezember 2006 abwies. 
C. 
X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht mit dem Antrag, das angefochtene Urteil des Obergerichts aufzuheben und ihm für das Verfahren vor Kantonsgericht die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
D. 
Mit Verfügung vom 28. Februar 2007 ist der staatsrechtlichen Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, nachdem sich zwar der Prozessgegner im Hauptverfahren, nicht jedoch das Obergericht dagegen ausgesprochen hatte. In der Sache ist keine Vernehmlassung eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht in Kraft getreten (BGG; SR 173.110; AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene Entscheid ist vorher ergangen, so dass noch die Bestimmungen des Bundesrechtspflegegesetzes (OG) anzuwenden sind (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG). 
2. 
2.1 Im vorliegenden Fall hat das Kantonsgerichtspräsidium in einem hängigen Hauptverfahren in einer separaten Verfügung über das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege befunden. Solche Entscheide gelten als Zwischenentscheide, die in der Regel einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge haben (BGE 119 Ia 337 E. 1 S. 338; 126 I 207 E. 2a S. 210; 129 I 129 E. 1.1). 
2.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen, ausschliesslich kassatorischer Natur (allgemein: BGE 126 III 534 E. 1c S. 536 f. mit Hinweisen; mit Bezug auf die unentgeltliche Rechtspflege: BGE 104 Ia 31 E. 1). Soweit der Beschwerdeführer mehr als die Aufhebung des Urteils der letzten kantonalen Instanz verlangt, kann demnach auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden. 
2.3 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darstellung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (Rügeprinzip; vgl. BGE 125 I 71 E. 1c S. 76; 129 I 185 E. 1.6 S. 189; 130 I 258 E. 1.3 S. 262). Allgemeine Vorwürfe ohne eingehende Begründung dafür, inwiefern welches verfassungsmässige Recht verletzt sein soll, genügen den gesetzlichen Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht (BGE 117 Ia 10 E. 4b). Ebenso wenig tritt das Bundesgericht auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid ein (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495; 130 I 258 E. 1.3 S. 262). Unzulässig ist sodann der schlichte Verweis auf kantonale Akten (BGE 114 Ia 317 E. 2b S. 318). Nicht einzutreten ist schliesslich grundsätzlich auf neue tatsächliche sowie rechtliche Vorbringen im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde (BGE 114 Ia 204 E. 1a S. 205; 118 Ia 20 E. 5a S. 26; 129 I 49 E. 3 S. 57). 
3. 
3.1 Dem Beschwerdeführer wurde die unentgeltliche Rechtspflege mit Verfügung des Einzelrichters beim Kantonsgerichtspräsidium vom 6. September 2006 rückwirkend entzogen, weil er im Bewilligungsverfahren erklärt und überdies am 28. Februar 2006 bekräftigt hatte, er und seine Ehefrau verfügten über keine finanziellen Mittel, obwohl er in der Lage gewesen sei, am 1. Februar 2006 ein Einfamilienhaus für Fr. 3'000.-- monatlich zuzüglich Nebenkosten zu mieten und ein Mietzinsdepot von Fr. 6'000.-- zu leisten. Dazu erwog das Obergericht, namentlich die Mietkosten von Fr. 3'000.-- zuzüglich Nebenkosten lägen weit über dem, was dem Existenzminimum eines Dreipersonenhaushalts entspreche, so dass sich Fragen nach der Finanzierung dieser Auslagen aufgedrängt hätten. Die unterbliebene Information über den neuen Mietzins, der einen Hauptposten des Zwangsbedarfs ausmache, bedeute eine Verletzung der Mitwirkungspflicht, was den rückwirkenden Entzug rechtfertige (E. 4a). Unbehelflich sei die Behauptung, die Mietkosten würden durch ein zweckgebundenes Darlehen finanziert, sei es doch wenig glaubwürdig, dass ein Dritter einer angeblich arbeits- und mittellosen Person Lebenshaltungskosten von Fr. 180'000.-- finanziere. Es lasse vielmehr darauf schliessen, dass die dem Darleiher sicherungsübereigneten Gegenstände einen Vermögenswert in entsprechender Höhe darstellten. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer gegenüber dem Einzelrichter die Gewährung des Darlehens und im Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege die sicherungsübereigneten Gegenstände mit einem Neuwert von Fr. 143'000.-- nicht erwähnt und damit auch falsche und unwahre Angaben gemacht habe, was den rückwirkenden Entzug der Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege rechtfertige (E. 4b). 
3.2 Nach § 51 Abs. 1 ZPO/ZG ist die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege zu entziehen, soweit ihre Voraussetzungen nicht erfüllt waren oder im Verlaufe des Prozesses dahinfallen. Der rückwirkende Entzug ist ausgeschlossen, soweit der Gesuchsteller die Bewilligung nicht durch unrichtige Angaben erwirkt hat. Das Bundesgericht schloss in seiner Rechtsprechung zu Art. 4 aBV (heute: Art. 29 Abs. 3 BV) einen rückwirkenden Entzug der einmal gewährten unentgeltlichen Rechtspflege nicht schlechthin aus (BGE 111 Ia 278 E. 2a). In einem späteren Entscheid äusserte es sich dahingehend, ein rückwirkender Entzug der Bewilligung brauche nicht von vornherein verfassungswidrig zu sein, wenn die Bedürftigkeit während des Verfahrens wegfällt, liess aber die Frage letztlich offen (BGE 122 I 5 E. 4a S. 7). In der Lehre wird die Ansicht vertreten, der rückwirkende Entzug sei mit der Verfassung (Art. 4 aBV; Art. 29 Abs. 3 BV) vereinbar, sofern die Einkommens- und/oder Vermögenssituation der ehemals bedürftigen Person dies erlaubten (Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, N. 29 zu Art. 111 VRPG). Ein rückwirkender Entzug wird überdies als zulässig betrachtet, wenn der Gesuchsteller die unentgeltliche Rechtspflege aufgrund bewusst falscher und unvollständiger Angaben erlangt hat (Favre, L'assistance judiciaire gratuite en droit suisse, Diss. Lausanne, 1988, S. 149 mit Hinweisen; Ries, Die unentgeltliche Rechtspflege nach der aargauischen Zivilprozessordnung vom 18. Dezember 1984, Diss. Zürich 1990, S. 269). 
3.3 Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils sind dem Erstrichter der neue, ab Februar 2006 bezahlte, relativ hohe Mietzins von Fr. 3'000.-- samt Nebenkosten, das zu leistende Mietzinsdepot von Fr. 6'000.-- bzw. die Finanzierung dieser Kosten durch Gewährung eines zweckgebundenen Darlehens von Fr. 180'000.-- gegen Hingabe von Vermögenswerten von Fr. 143'000.--, schliesslich die besagten Vermögenswerte selbst nicht deklariert worden. Der Beschwerdeführer konnte nicht damit rechnen, dass der Kantonsgerichtspräsident ihm bei Kenntnis dieser Zahlen ohne weitere Abklärungen die unentgeltliche Rechtspflege gewährt hätte. Indem der Beschwerdeführer die vorgenannten, für die Bedürftigkeit massgebenden Faktoren verschwiegen hat, handelte er gegen Treu und Glauben, was die Verwirkung seines Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege zur Folge hatte. Dem Obergericht kann folglich nicht vorgeworfen werden, mit der Anwendung von § 51 Abs. 1 ZPO, der einen rückwirkenden Entzug bei unrichtigen Angaben ausdrücklich vorsieht, Art. 29 Abs. 3 BV verletzt zu haben. 
4. 
Soweit der Beschwerdeführer dem Obergericht in seiner Eingabe Willkür (Art. 9 BV) vorwirft, ändern seine Ausführungen nichts am vorgenannten Ergebnis. 
4.1 Soweit sich der Beschwerdeführer allgemein ohne klaren Bezug zu den verschiedenen vom Obergericht aufgeworfenen Positionen äussert (Beschwerde S. 6 ff., Recht, Ziffern 11-16), kann auf die Beschwerde mangels rechtsgenügender Begründung nicht eingetreten werden. 
4.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, das Obergericht erachte ihn als bedürftig, weil der Mietzins von Fr. 3'000.-- weit über dem sei, was sich eine im Existenzminimum lebende Person leisten könne. Dabei verkenne es, dass aus dem Umzug an den neuen Wohnsitz eine Ersparnis von Fr. 2'600.-- resultiere (Beschwerde S. 4, Ziff. 4). 
Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, dass die besagte Einsparung geltend gemacht worden wäre; sie gilt damit als neu und unzulässig. Im Übrigen hat das Obergericht aus dem Verhalten des Beschwerdeführers auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht geschlossen (Urteil S. 6 f., E. 4a). Mit dieser Argumentation setzt sich der Beschwerdeführer nicht rechtsgenügend auseinander. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
4.3 Weiter behauptet der Beschwerdeführer, es werde ihm vorgeworfen, dass gewisse Vermögenswerte nicht eindeutig deklariert worden seien. Dabei habe er eine Aufstellung der Ausgaben (KB 3) ins Recht gelegt, in welcher diese Gegenstände (unter anderem Unterhaltungselektronik) mit dem jeweiligen Wert aufgeführt worden seien (Beschwerde S. 4, Ziff. 5). Aus der Auflistung könnten die Ausgaben für weitere Vermögenswerte entnommen werden, womit die Vermögenswerte hinlänglich dargestellt worden seien (Beschwerde S. 5, Ziff. 8). 
Nach den Feststellungen des Obergerichts wurden die besagten Vermögensgegenstände im Neukaufswert von Fr. 143'000.-- im Zeugnis zur unentgeltlichen Rechtspflege, das über die vorhandenen Vermögenswerte hätte Auskunft geben sollen, nicht aufgeführt. Tatsächlich wurde ein Betrag von Fr. 143'000.-- in die Aufstellung über die Ausgaben (KB 3, act. 3) aufgenommen, hier aber nicht als Vermögenswert, sondern mit dem Zweck, die geltend gemachten Schulden von Fr. 711'024.-- zu belegen (Urteil S. 8, E. 4b in fine). Da der Betrag von Fr. 143'000.-- jedoch, wie das Obergericht ohne Willkür feststellt, nicht als Vermögen, sondern als Schuldenposten aufgeführt ist (KB 3) und im Zeugnis zur Erlangung der unentgeltlichen Rechtspflege keine Vermögenswerte im Betrag von Fr. 143'000.-- offen gelegt worden sind, erweist sich die Feststellung, die besagten Vermögenswerte seien nicht deklariert worden, nicht als willkürlich. 
4.4 Mit Bezug auf die behauptete Gewährung eines zweckgebundenen Darlehens durch einen Dritten zur Finanzierung der allgemeinen Lebenshaltungskosten hat das Obergericht bemerkt, es erscheine wenig glaubwürdig, dass ein Dritter einer angeblich arbeits- und mittellosen Person ein Darlehen in der Höhe von Fr. 180'000.-- für die Finanzierung der allgemeinen Lebenshaltungskosten gewähre (Urteil S. 7, E. 4b). 
Diesbezüglich beschränkt sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen darauf, seine Aussage als glaubwürdig hinzustellen (Beschwerde S. 4 f., Ziff. 6). Mit dieser appellatorischen Kritik ist Willkür in der Beweiswürdigung nicht rechtsgenügend darzulegen. 
4.5 Was den Einwand des Obergerichts anbelangt, der Beschwerdeführer hätte zuerst eigene Mittel aufbrauchen müssen, bevor er staatliche Hilfe beanspruche (Urteil S. 8, E. 4b), beschränkt sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf den appellatorischen und damit unzulässigen Hinweis, bei einem Darlehen von insgesamt Fr. 180'000.-- könne davon ausgegangen werden, dass eine weitere Aufstockung des Darlehens nicht möglich sei (Beschwerde S. 5, Ziff. 7). Darauf ist nicht einzutreten. 
4.6 Soweit sich der Beschwerdeführer schliesslich zu den obergerichtlichen Ausführungen in E. 4c (S. 8 f.) äussert (Beschwerde S. 5 f., Ziffern 9 und 10), erübrigen sich Erörterungen des Bundesgerichts. Wie das Obergericht willkürfrei dargelegt hat, sind Vermögenswerte im Betrag von Fr. 143'000.-- nicht deklariert und der neue Mietzins von Fr. 3'000.-- plus Nebenkosten mitsamt dem geleisteten Mietzinsdepot von Fr. 6'000.-- nicht angegeben worden. Unter den gegebenen Umständen hält der rückwirkende Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege vor Art. 9 und Art. 29 Abs. 3 BV stand (E. 3, insbes. 3.3 hiervor). 
5. 
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 20. April 2007 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: