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[AZA 0] 
2P.121/2000/bmt 
 
II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG *********************************** 
 
 
6. Juni 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der 
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hungerbühler, Müller 
und Gerichtsschreiber Feller. 
 
--------- 
 
In Sachen 
R.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Mark Sollberger, Dufourstrasse 18, Postfach, Bern, 
 
gegen 
Regierungsrat des Kantons Bern, 
betreffend 
 
Art. 9 BV (Aufenthaltsbewilligung), hat sich ergeben: 
 
A.-Die Fremdenpolizei der Stadt Biel lehnte es mit Verfügung vom 25. November 1998 ab, die Aufenthaltsbewilligung von R.________, Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien, zu erneuern; zugleich setzte sie ihm eine Ausreisefrist auf den 31. Dezember 1998 an. Diese Verfügung wurde zuhanden von R.________ noch am 25. November 1998 als Einschreibesendung mit Rückschein zur Post gegeben. Da die Sendung vom Adressaten innert der Abholfrist, welche am 4. Dezember 1998 ablief, nicht in Empfang genommen wurde, gelangte sie am 8. Dezember 1998 an die städtische Fremdenpolizei zurück. Diese erliess noch am gleichen Tag eine Vorladung, worin sie R.________ aufforderte, bis zum 16. Dezember 1998 bei ihr vorzusprechen. Als Vorladungsgrund war vermerkt: "Eröffnung einer Mitteilung". Zugleich enthielt die mit einfacher Post verschickte Vorladung die Aufforderung, der Ausweis B sei mitzubringen. R.________ leistete der Vorladung am 9. Dezember 1998 Folge, und an jenem Tag wurde ihm die Verfügung vom 25. November 1998 ausgehändigt. 
 
 
Am 8. Januar 1999 reichte R.________ gegen die Verfügung der Fremdenpolizei bei der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern Beschwerde ein. Die Direktion trat am 30. April 1999 auf die Beschwerde nicht ein. Zur Begründung führte sie aus, die siebentägige Abholfrist für die eingeschrieben versandte Verfügung sei am 4. Dezember 1998 abgelaufen und die Verfügung habe als an diesem Datum zugestellt zu gelten; damit sei die Beschwerdefrist am 4. Januar 1999 abgelaufen und die Beschwerde vom 8. Januar 1999 verspätet. 
Der Regierungsrat des Kantons Bern wies die gegen diesen Nichteintretensentscheid erhobene Beschwerde am 19. April 2000 ab. 
B.-Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 26. Mai 2000 beantragt R.________, der Entscheid des Regierungsrats des Kantons Bern vom 19. April 2000 sei aufzuheben und die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern sei anzuweisen, über die Beschwerde vom 8. Januar 1999 materiell zu entscheiden. 
 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.-a/aa) Wer ein Verfahren anhängig gemacht und so ein Prozessrechtsverhältnis begründet hat, muss mit behördlichen Zustellungen rechnen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben hat er daher dafür besorgt zu sein, dass ihm amtliche Urkunden reibungslos zugestellt werden können (BGE 116 Ia 90 E. 2a S. 92; 115 Ia 12 E. 3a S. 15). Wird der Adressat in einem solchen Fall bei der versuchten Zustellung einer eingeschriebenen Sendung nicht angetroffen und daher eine Abholungseinladung in seinen Briefkasten oder sein Postfach gelegt, so gilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt, da die Post abgeholt wird. Geschieht dies nicht innerhalb der Abholfrist von sieben Tagen, gilt die Sendung als am letzten Tag dieser Frist zugestellt (BGE 119 V 89 E. 4b S. 94; 116 III 59 E. 1 S. 60 f.; 115 Ia 12 E. 3a S. 15, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 123 III 492 für den Fall eines Rückbehaltungsauftrags). 
 
bb) Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass diese Grundsätze auch für die Zustellung von Entscheidungen und Verfügungen im bernischen Verwaltungsverfahren zur Anwendung kommen. Er anerkennt zudem, dass die Verfügung der Fremdenpolizei vom 25. November 1998 nach diesen Grundsätzen als am 4. Dezember 1998 zugestellt gilt und die 30-tägige Beschwerdefrist an sich am darauffolgenden Tag, am 5. Dezember 1998, zu laufen begonnen hat. 
 
Der Beschwerdeführer beruft sich jedoch auf Art. 9 BV, wonach jede Person Anspruch darauf hat, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. Aus dem verfassungsmässigen Recht auf Vertrauensschutz ergebe sich in seinem Fall, dass die Frist erst am 9. Dezember 1999, als er die Verfügung bei der Fremdenpolizei abholte, zu laufen begonnen habe. Die Art der Übergabe der Verfügung - Vorladung im Hinblick auf die Eröffnung einer Mitteilung und Aushändigung gegen Unterschrift - habe beim Beschwerdeführer den Eindruck erwecken müssen, dass die Verfügung erst im Moment der Aushändigung gültig eröffnet werden sollte; der in der Folge mit der Abfassung der Beschwerde betraute (damalige) Anwalt des Beschwerdeführers habe daher auch unter Beachtung der pflicht- und standesgemässen Sorgfalt davon ausgehen dürfen, dass die Verfügung vom 25. November 1998 erst am 9. Dezember 1998 fristwirksam eröffnet worden sei und die 30-tägige Beschwerdefrist erst am 10. Dezember 1998 zu laufen begonnen habe. 
 
b/aa) Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann sich die Beschwerdefrist, die an sich mit dem Ablauf der siebentägigen Abholfrist zu laufen beginnt, gestützt auf den verfassungsmässigen Anspruch auf Vertrauensschutz dann verlängern, wenn noch vor ihrem Ende eine entsprechende vertrauensbegründende Auskunft erteilt wird bzw. die Behörde durch ihr (widersprüchliches) Verhalten ein derartiges Vertrauen erweckt (BGE 115 Ia 12 E. 4 S. 18 ff.). Der Betroffene kann sich jedoch nur dann auf den Vertrauensschutz berufen, wenn er die Unrichtigkeit der Auskunft bzw. der (Rechts-)lage, wie er sie angesichts des Verhaltens der Behörde wahrnimmt, nicht erkannte oder wenn er gutgläubig - unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt - von deren Richtigkeit ausgehen durfte (BGE 124 I 255 E. 1 a/aa S. 258 mit Hinweisen). 
 
Im Fall, dass die Behörde ihren Entscheid mit einer falschen Rechtsmittelbelehrung versehen hat, kann sich die Partei bloss dann nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen, wenn ihr oder ihrem Vertreter ein grober Fehler vorgehalten werden kann (BGE 117 Ia 421 E. 2a S. 422). Diese Herabsetzung der Anforderungen an das Ausmass der Sorgfaltspflicht rechtfertigt sich wegen der Besonderheit, die der Situation bei falscher Rechtsmittelbelehrung eigen ist (s. insbesondere das zitierte Urteil E. 2b S. 422 f.), und eine unbesehene Übertragung auf Fälle, da es um zweideutiges Verhalten einer Behörde geht, ist nicht geboten. 
 
bb) Vorliegend hat die Behörde keine falsche Rechtsmittelbelehrung erteilt. Vielmehr befand sich der Beschwerdeführer - bzw. sein ehemaliger Anwalt - darum in einem Irrtum über den Lauf der Rechtmittelfrist, weil die anzufechtende Verfügung dem Beschwerdeführer nicht auf dem üblichen Weg (eingeschriebene Post) zugestellt werden konnte. 
Nur auf den ersten Blick mag der Hinweis auf der Vorladung vom 8. Dezember 1998, dass es um die "Eröffnung" einer Mitteilung gehe, den Eindruck erwecken, dass es um einen erstmaligen Eröffnungsversuch handeln könnte. Darauf allein kommt es jedoch nicht an: 
 
Vorerst ist von Bedeutung, dass es sich bei der Verfügung der Fremdenpolizei angesichts von deren Inhalt und Umfang nicht etwa typischerweise um den Beschluss einer Behörde handelte, der nach Beschlussfassung eigens noch redigiert werden musste. Da sie das Datum vom 25. November 1998 trägt, wäre es denn auch unüblich, wenn die Behörde sich erstmals am 8. Dezember 1998 (Datum der Vorladung) um deren Eröffnung bemüht haben sollte. Überhaupt erscheint die Eröffnung einer derartigen Verfügung auf dem Wege der Vorladung ungewöhnlich; die Eröffnung erfolgt in der Regel mit Gerichtsurkunde bzw. mit eingeschriebener Post. Diese Eröffnungsart ist denn auch am untern Rand der - bloss eine Seite aufweisenden - Verfügung bei der Rubrik "Verteiler" erwähnt. 
Der nachträglich, noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist bestellte Anwalt unterliess es trotz dieser Ungereimtheiten, sich über den Fristenlauf umfassender zu informieren. Schon in dieser Hinsicht lässt sich der dem vorliegenden Fall zugrunde liegende Sachverhalt nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten im vom Beschwerdeführer erwähnten Fall (BGE 115 Ia 12) vergleichen (s. dort insbesondere E. 4b S. 19). Im Übrigen war vorliegend der Beschwerdeführer, anders als die Partei in jenem Fall, eben durch einen Anwalt vertreten. 
 
Nun liess sich der Anwalt des Beschwerdeführers vor Abfassung der Beschwerde an die Direktion die Akten der Fremdenpolizei zukommen. Dabei befand sich auch der Briefumschlag, welcher beim erfolglosen Zustellungsversuch verwendet worden war. Diesem war nicht nur zu entnehmen, dass die Postzustellung versucht worden war, sondern angesichts der verschiedenen darauf angebrachten Poststempel auch, dass die siebentägige Abholfrist jedenfalls vor dem 8. Dezember 1998 abgelaufen und daher der Lauf der Beschwerdefrist schon ausgelöst war. Der Regierungsrat ging in seinem Entscheid - stillschweigend aber unmissverständlich - davon aus, dass die am 18. Dezember 1998 angeforderten Akten dem Anwalt des Beschwerdeführers noch vor Ablauf der Beschwerdefrist (4. Januar 1999) zugekommen waren; der Beschwerdeführer macht in der staatsrechtlichen Beschwerde nicht geltend, dass es sich anders verhalten habe. 
 
c) Unter den geschilderten Umständen hätte der Anwalt des Beschwerdeführers bei gebührender Sorgfalt erkennen können und müssen, dass er nicht unbesehen davon ausgehen durfte, die Verfügung vom 25. November 1998 sei gültig erst am 9. Dezember 1998 eröffnet worden. Damit aber entfällt eine unerlässliche Voraussetzung für eine Berufung auf den Vertrauensschutz, und es ist insbesondere unerheblich, wie es sich mit der - allenfalls etwas spitzfindigen - Argumentation auf S. 5 des angefochtenen Entscheids (Abgrenzung der Begriffe "Eröffnung", "Mitteilung", "Verfügung", "Aushändigung") verhält. Der angefochtene Entscheid verletzt denn auch Art. 9 BV weder unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes noch des Willkürverbots (Willkürrüge in Beschwerdeschrift Ziff. III. C Art. 7 S. 13 f.). 
 
2.-a) Die staatsrechtliche Beschwerde ist somit im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG), ohne Schriftenwechsel oder andere Weiterungen (Beizug weiterer Akten), abzuweisen. 
 
Mit diesem Urteil wird das in der Beschwerdeschrift im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer angesetzte Ausreisefrist gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
b) Entsprechend dem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 OG). 
 
Er hat am 26. Mai 2000 ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Beigabe des unterzeichnenden Rechtsanwalts als unentgeltlicher Rechtsbeistand gestellt. Dieses ist schon darum abzuweisen, weil die Beschwerde zum Vornherein aussichtslos erscheint (vgl. Art. 152 OG), wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt. 
 
Dem Beschwerdeführer ist daher eine Gerichtsgebühr aufzuerlegen (Art. 153 in Verbindung mit Art. 153a OG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
 
1.-Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.-Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.-Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.-Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Regierungsrat des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 6. Juni 2000 
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: