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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_604/2021  
 
 
Urteil vom 18. Februar 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Marazzi, von Werdt, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Obergericht des Kantons Thurgau, Präsidentin, Promenadenstrasse 12 A, 8500 Frauenfeld, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unentgeltliche Rechtspflege (Beschwerdeverfahren betreffend Sicherheitsleistung in einem Verfahren auf Aberkennung von Ansprüchen im Lastenverzeichnis), 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Thurgau, Präsidentin, vom 14. Juli 2021 (ZR.2021.27). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Zwischen A.________ und der B.________ A.G. ist vor dem Bezirksgericht Kreuzlingen ein Verfahren betreffend Aberkennung von Ansprüchen im Lastenverzeichnis hängig. Mit Eingabe vom 16. April 2021 stellte A.________ ein Gesuch um Sicherstellung ihrer Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 44'500.--. Das Bezirksgericht wies das Gesuch mit Entscheid vom 15. Juni 2021 ab und verpflichtete A.________ zur Einreichung der Klageantwort.  
 
A.b. Gegen diesen Zwischenentscheid gelangte A.________ am 18. Juni 2021 an das Obergericht des Kantons Thurgau und erneuerte ihr Gesuch um Sicherheitsleistung. Zudem sei ihr die Frist zur Klageantwort abzunehmen. Das Obergerichtspräsidium setzte A.________ am 30. Juni 2021 eine Frist zur Leistung des Kostenvorschusses von Fr. 800.-- innert zehn Tagen, worauf diese am 7. Juli 2021 ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege stellte. Das Gesuch wurde mit Verfügung vom 14. Juli 2021 wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen, unter Ansetzung einer nicht erstreckbaren Frist von zehn Tagen zur Leistung des Kostenvorschusses.  
 
B.  
A.________ ist am 26. Juli 2021 an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der obergerichtlichen Verfügung und die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das vorinstanzliche Beschwerdeverfahren. Die B.________ A.G. sei zur Leistung eine Prozesskostensicherheit von Fr. 44'500.-- für das erstinstanzliche Verfahren zu verpflichten. 
Die Beschwerdeführerin stellt für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
Der Beschwerde ist in Bezug auf die vom Obergericht angeordnete Leistung des Gerichtskostenvorschusses am 11. August 2021 die aufschiebende Wirkung gewährt worden. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, indes keine Vernehmlassungen in der Sache eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in Zivilsachen betrifft die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege in einer betreibungsrechtlichen Angelegenheit. Sie richtet sich gegen einen anfechtbaren Zwischenentscheid und ist daher ohne weiteres gegeben (Art. 93 Abs. 1 lit. a und Art. 72 ff. BGG). Die Beschwerdeführerin ist dadurch besonders berührt und daher zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.2. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind nur zulässig, soweit der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde darzulegen ist (BGE 133 III 393 E. 3).  
 
2.  
Die Vorinstanz nahm eine summarische Prüfung der Prozessaussichten vor, soweit die von der Erstinstanz abgelehnte Sicherstellung der Parteientschädigung bei ihr angefochten war. Gestützt darauf kam sie zum vorläufigen Schluss, dass die Erstinstanz kein Bundesrecht verletzt habe. 
 
3.  
Anlass zur Beschwerde geben die Prozessaussichten im Hinblick auf die Beurteilung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege in einem kantonalen Beschwerdeverfahren. 
 
3.1. Nach Art. 117 ZPO hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Mit dieser Bestimmung wird der verfassungsmässige Anspruch nach Art. 29 Abs. 3 BV auf Gesetzesstufe konkretisiert (BGE 142 III 131 E. 4.1). Der Zugang zum Gericht wird der bedürftigen Partei nur für Rechtsansprüche gewährt deren Erfolgsaussichten aufgrund summarischer Beurteilung mindestens nur wenig geringer sind als die Verlustgefahren (BGE 140 III 12 E. 3.4).  
 
3.2. Im vorliegenden Fall geht es um die Sicherstellung der Parteientschädigung. Die klagende Partei hat der beklagten Partei auf deren Ersuchen unter bestimmten Voraussetzungen eine Sicherheit für die Parteientschädigung zu leisten (Art. 99 ZPO). Dies ist unter anderem der Fall, wenn diese zahlungsunfähig erscheint (Abs. 1 lit. b), oder wenn andere Gründe für eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung bestehen (Abs. 1 lit. d).  
 
3.3. Die Beschwerdeführerin stellt vorab die Zahlungsfähigkeit der B.________ A.G. in Frage.  
 
3.3.1. Nach Ansicht der Vorinstanz bestehen keine objektiven Hinweise in diese Richtung. Sie verweist auf die Feststellung der Erstinstanz, wonach der Kostenvorschuss von Fr. 8'500.-- für das Hauptverfahren von der B.________ A.G. geleistet worden sei. Inwiefern dies nicht zutreffen sollte, lege die Beschwerdeführerin nicht dar. Selbst wenn eine Drittperson den Kostenvorschuss geleistet haben sollte, wie die Beschwerdeführerin ohne weiter Begründung behaupte, könnte sie daraus nichts für ihren Standpunkt ableiten. Weder mache sie einer der Tatbestände von Art. 99 Abs. 1 lit. b ZPO (Konkurs, Nachlassverfahren oder Verlustschein) geltend, noch lasse sich dem elektronischen Handelsregister entnehmen, dass ein Konkursverfahren gegen die B.________ A.G. laufe. Auch andere objektive Hinweise auf eine Zahlungsunfähigkeit seien nicht erkennbar.  
 
3.3.2. Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, die Zahlungsunfähigkeit der B.________ A.G. und damit die Gefährdung der Parteientschädigung könne auch gegeben sein, wenn keiner der in Art. 99 Abs. 1 lit. b ZPO aufgeführten Tatbestände erfüllt sei. Dass diese Aufzählung nicht abschliessend ist, trifft zu (STERCHI, in: Berner Kommentar, ZPO, 2012, N. 19 zu Art. 99). Davon geht auch die Vorinstanz aus, wenn sie festhält, dass keine anderweitigen Hinweise auf eine Zahlungsunfähigkeit der B.________ A.G. vorliegen. Die Beschwerdeführerin sieht hingegen die Erstattung der Parteientschädigung gefährdet, da das Vermögen der B.________ A.G. aus dem Erlös ihrer gesetzeswidrig beschlagnahmten und verwerteten Liegenschaft bestehe. Dieser Vorgang müsse noch geprüft werden, weshalb sie bereits ein Revisionsbegehren hinsichtlich der Arrestproseqierung gestellt habe, welches aufgrund der an der Gerichtsverhandlung vom 18. August 2020 erhaltenen Unterlagen der Bank C.________ nicht aussichtslos sei. Diesen Sachverhalt habe die Vorinstanz nicht geprüft und damit ihr rechtliches Gehör verletzt.  
 
3.3.3. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Vorinstanz diese Vorbringen im Hinblick auf die geltend gemachte Zahlungsunfähigkeit der B.________ A.G. hätte berücksichtigen müssen. Da die Relevanz dieses Vorbringens nicht dargetan wird, ist eine Verletzung der Begründungspflicht (vgl. BGE 145 I 73 E. 7.2.2.1) durch die Vorinstanz nicht ersichtlich.  
 
3.4. Im Weiteren erneuert die Beschwerdeführerin ihr bereits im kantonalen Verfahren erhobenes Vorbringen, die Vertretungsverhältnisse bei der B.________ A.G. seien unklar und die Parteientschädigung sei deshalb gefährdet und müsse nun sichergestellt werden.  
 
3.4.1. Die Vorinstanz erachtete diese Vorbringen als nicht entscheiderheblich, weshalb darauf nicht einzugehen sei. Selbst wenn die Vertretungsverhältnisse unklar sein sollten, müsste im Aussenverhältnis einzig die B.________ A.G. als juristische Person und nicht ihre Vertreter für eine allfällige Parteientschädigung einstehen.  
 
3.4.2. Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, gemäss (recte) Art. 718 f. OR werde die B.________ A.G. nach aussen durch den Verwaltungsrat vertreten. Ihr Ehemann sei der rechtmässige Verwaltungsrat, und die heute auftretenden Vertreter seien widerrechtlich eingesetzt worden, was vom Handelsgericht zur Zeit überprüft werde. Sollte sie in diesem Verfahren obsiegen, müssten gemäss Art. 55 Abs. 3 ZGB nicht die B.________ A.G., sondern ihre jetzigen Vertreter für Schäden persönlich einstehen. Der Bezug der Parteientschädigung werde in dieser Situation erschwert und müsse daher sichergestellt werden.  
 
3.4.3. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Haftungsfall dereinst eintreten könnte und zur befürchteten Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung führen könnte, war für die Vorinstanz nicht massgebend. Da nicht jede mögliche Gefährdung der Einbringlichkeit genügt, um die Parteientschädigung sicherstellen zu lassen, hatte die Vorinstanz ermessensweise und einzig summarisch zu prüfen, ob der Auffangtatbestand (Art. 99 Abs. 1 lit. d ZPO) der erheblichen Gefährdung für die Parteientschädigung gegeben ist (STERCHI, a.a.O., N. 27 zu Art. 99; TREZZINI, in: Commentario pratico al CPC, 2. Aufl. 2017, N. 13, 44 zu Art. 99); massgebend ist hierfür der Zeitpunkt des erstinstanzlichen Entscheides (RÜEGG/RÜEGG, in: Basler Kommentar, ZPO, 3. Aufl. 2017, N. 6 zu Art. 99). Inwiefern die Vorinstanz das rechtserhebliche Vorliegen betreffend die Voraussetzungen verkannt habe, wird nicht dargetan.  
 
3.5. Schliesslich wirft die Beschwerdeführerin der B.________ A.G. und der Stiftung D.________ vor, Geldwäscherei zu betreiben und dadurch ihre Parteientschädigung zu gefährden.  
 
3.5.1. Nach Ansicht der Vorinstanz ist nicht dargetan, dass die strafrechtlichen Bestimmungen über die Geldwäscherei auf die B.________ A.G. und bzw. oder die Stiftung D.________ Anwendung finden. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre die Parteientschädigung der Beschwerdeführerin dadurch nicht gefährdet. Zudem besteht nach Ansicht der Vorinstanz kein erkennbarer Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand und den Ausführungen der Beschwerdeführerin zum Projektverlauf des Bauvorhabens in U.________ und den damit verbundenen Vergütungen für den Ehemann der Beschwerdeführerin.  
 
3.5.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies und macht längere Ausführungen, wie die B.________ A.G. durch inhaltlich unwahre Urkunden die Behörden in die Irre geführt und sich des Steuerbetrugs sowie der Geldwäscherei schuldig gemacht habe. Dieses Vorgehen beweise, dass die B.________ A.G. zu unzulässigen Mitteln greife und ihre Vertreter die Zahlung der Parteientschädigung verhindern werden. Die tatbeständlichen Schilderungen finden im angefochtenen Entscheid keine Stütze und weisen zudem in keiner Weise auf die erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung hin.  
 
3.6. Nach dem Gesagten durfte die Vorinstanz das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abweisen, da sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Sicherstellungsgesuchs durch die Erstinstanz als aussichtslos erwies.  
 
4.  
Die vorliegende Beschwerde ist abzuweisen, soweit sie sich überhaupt als genügend begründet erweist. Da der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt worden is t, wird der Beschwerdeführerin eine neue Frist zur Leistung des Kostenvorschusses an das Obergericht (Ziff. 2 des vorinstanzlichen Urteilsdipositivs) angesetzt. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren kann infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerdeanträge nicht gutgeheissen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Ausgangsgemäss trägt die Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Der Beschwerdeführerin wird eine Frist von zehn Tagen ab Zustellung des vorliegenden Urteils angesetzt, um für die Gerichtskosten des kantonalen Beschwerdeverfahrens beim Obergericht einen Vorschuss von Fr. 800.-- zu leisten. 
 
3.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
4.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten sowie dem Bezirksgericht Kreuzlingen und der B.________ A.G. mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. Februar 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Levante