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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_25/2010 
 
Urteil vom 21. Mai 2010 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, 
Gerichtsschreiberin Schüpfer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
S.________, 
vertreten durch M.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Oktober 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1967 geborene S.________ absolvierte eine kaufmännische Lehre und bildete sich ab 1999 im Bereiche der Wirtschaftsinformatik weiter, weshalb sie ihr Arbeitspensum auf 80% reduzierte. Am 27. August 2001 erlitt sie einen Auffahrunfall. Der behandelnde Arzt diagnostizierte ein posttraumatisches cerviko-thorakovertebrales Schmerzsyndrom mit Verdacht auf ein neuropsychologisches Defizit bei einem Status nach einem Halswirbelsäulen-Distorsionstrauma. Ab April 2002 arbeitete S.________ als Application Engineer bei der Bank X.________ AG. Nach wechselnden Graden von Arbeitsunfähigkeit meldete sie sich am 18. Mai 2004 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug, insbesondere in Form einer Umschulung auf eine neue Tätigkeit an. Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle, holte unter anderem Arbeitgeberberichte ein und zog die Akten des für die Unfallfolgen leistungspflichtigen Unfallversicherers bei. Mit Verfügung vom 18. Februar 2005 und bestätigendem Einspracheentscheid vom 20. Juni 2005 verneinte die IV-Stelle einen Anspruch auf berufliche Massnahmen. Insbesondere gestützt auf die Schlussfolgerungen einer von der Unfallversicherung in Auftrag gegebenen Begutachtung an der Klinik Y.________ (Expertise vom 6. Januar 2005) sprach die Invalidenversicherung S.________ mit weiteren Verfügungen vom 6. Februar 2008 für den Zeitraum vom Dezember 2003 bis März 2004 eine Viertelsrente und ab April 2004 eine ganze Rente zu, wobei gemäss "Mitteilung des Beschlusses" der IV-Stelle an die zuständige Ausgleichskasse Banken vom 16. Oktober 2006 und dem die Verfügung begründenen "Verfügungsteil 2" die Rentenzahlungen auf den 8. Juli 2004 befristet werden. 
 
B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die gegen die Verfügungen vom 6. Februar 2008 erhobene Beschwerde, mit welcher im Wesentlichen beantragt wurde, es seien der Versicherten in Aufhebung der Verfügungen die gesetzlichen Leistungen auszurichten, - soweit es darauf eintrat - ab und änderte die angefochtenen Verfügungen dahingehend, als es feststellte, die Versicherte habe je einen befristeten Anspruch auf eine Viertelsrente von März bis Mai 2004 und auf eine Dreiviertelsrente von Juni bis Juli 2004 (Entscheid vom 29. Oktober 2009). 
 
C. 
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und ihren vorinstanzlichen Antrag erneuern. 
 
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat eine freie Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheides in tatsächlicher Hinsicht zu unterbleiben, ausser wenn sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung richtet (Art. 97 Abs. 2 BGG). 
 
2. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über die Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG, Art. 28 Abs. 2 IVG in der bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassung und Art. 28a Abs. 1 IVG in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348 f. mit Hinweisen) sowie die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Dasselbe gilt hinsichtlich der Grundsätze für die rückwirkend ergangene Verfügung über eine befristete oder im Sinne einer Reduktion abgestuften Invalidenrente, welche einerseits die Zusprechung der Leistung und andererseits deren Aufhebung oder Herabsetzung umfasst. Zu ergänzen bleibt, dass die Feststellungen zur Arbeits(un)fähigkeit, die das kantonale Gericht gestützt auf medizinische Untersuchungen trifft, tatsächlicher Natur sind. Soweit die Beurteilung der Zumutbarkeit von Arbeitsleistungen auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt wird, geht es um eine Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). 
 
3. 
Streitig ist einerseits der Rentenbeginn und andererseits die Befristung des Rentenanspruchs auf Ende Juli 2004. 
 
4. 
4.1 In Abweichung der Verfügung vom 6. Februar 2008, mit welcher der Beschwerdeführerin ab Dezember 2003 eine Viertelsrente zugesprochen worden war, hat die Vorinstanz den Beginn des Anspruchs auf eine Invalidenrente auf März 2004 festgesetzt. Sie stützte sich dabei auf die unbestrittenen Angaben über die wechselnden Grade der Arbeitsunfähigkeit gemäss Zeugnissen des behandelnden Arztes, Dr. med. H.________, Spezialarzt FMH für Chirurgie. Die Beschwerdeführerin lässt dagegen vorbringen, im angefochtenen Entscheid sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, dass sie schon ab August 2002 Anspruch auf eine halbe Invalidenrente gehabt hätte, wenn sie sich nicht erst im Mai 2004 zum Leistungsbezug angemeldet hätte. Die früher zurückgelegte Wartezeit im Sinne des bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG sei gemäss Art. 29bis IVV anzurechnen. 
4.1.1 Dieser Argumentation ist zuzustimmen. Gemäss BGE 117 V 23 entspricht es dem Sinn von Art. 29bis IVV, den Rentenanspruch eines Versicherten, welcher sich zwischenzeitlich um eine rentenausschliessende Erwerbstätigkeit bemüht hatte, wiederaufleben zu lassen, wenn sich auf Grund des selben Leidens innert dreier Jahre wieder eine höhere Arbeitsunfähigkeit ergibt. Ein Versicherter, der wegen einer verspäteten Anmeldung erstmals gar keine Rentenleistungen bezogen hat, soll dafür nicht mit einer - neuen - vollen Wartezeit bestraft werden (BGE 117 V 23 E. 2b S. 26), weshalb Art. 29bis IVV auch in Fällen anwendbar ist, bei welchen der Anspruch verspätet geltend gemacht worden war. 
4.1.2 Die Beschwerdeführerin ist am 27. August 2001 verunfallt. In der Folge bestand - mit Ausnahme der Monate Dezember 2001 und Januar 2002, als eine solche von 25% bescheinigt wurde - eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit. Nach Ablauf eines Jahres (aArt. 29 Abs. 1 lit. b IVG) hätte sie daher bei rechtzeitiger Anmeldung ab August 2002 Anspruch auf eine halbe Invalidenrente gehabt. Ab 23. September 2002 verbesserte sich der Gesundheitszustand, sodass nur noch eine 25%ige Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde, weshalb spätestens ab Dezember 2002 die Rente wieder hätte aufgehoben werden müssen. Aufgrund der vom kantonalen Gericht für das Bundesgericht verbindlichen Feststellung ergibt sich ab Oktober 2003 wiederum eine Arbeitsunfähigkeit von 44%. Damit ist der Beginn des Anspruchs auf eine Viertelsrente auf diesen Zeitpunkt festzusetzen. Gemäss Feststellung im angefochtenen Entscheid hätte der Invaliditätsgrad ab März 2004 60% betragen und damit ohne Wartefrist Anspruch auf eine Dreiviertelsrente ausgelöst. Da letzteres, wie dargelegt, gemäss BGE 117 V 23 tatsächlich unbeachtlich bleibt, hat die Beschwerdeführerin ab März 2004 Anspruch auf eine entsprechende Rente. 
 
4.2 Gemäss verbindlicher Feststellung im angefochtenen Entscheid ist ab August 2004 wiederum von einer Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit von 75% auszugehen. Das kantonale Gericht hat einen sogenannten Prozentvergleich vorgenommen und den Invaliditätsgrad mit 25% bemessen, weshalb der Anspruch auf eine Invalidenrente bis zum 31. Juli 2004 befristet wurde. 
4.2.1 Die Beschwerdeführerin lässt dagegen vorbringen, dass ihre tatsächlich erbrachten Leistungen gemäss Auskunft der Arbeitgeberin bei einem Halbtagespensum lediglich 40% betragen hätten. Auch bei einem täglichen Pensum von 75% - entsprechend der attestierten Arbeitsfähigkeit - würden lediglich tatsächliche Leistungen im Umfang von 60% resultieren, weshalb sie auch ab 1. August 2004 weiterhin Anspruch auf eine Viertelsrente habe. Weiter sei im angefochtenen Entscheid in rechtsverletzender Weise ein Prozentvergleich durchgeführt worden. Da sie das Arbeitsverhältnis auf Ende Dezember 2007 und damit noch vor Erlass der Verfügung vom 6. Februar 2008 aufgelöst habe, wäre das Gericht verpflichtet gewesen, ihren Invaliditätsgrad mittels Einkommensvergleich zu ermitteln, was zu einem höheren Invaliditätsgrad geführt hätte. 
4.2.2 Die Frage nach der im Einzelfall anwendbaren Methode der Invaliditätsbemessung (Einkommensvergleich mit den Untervarianten Schätzungs- und Prozentvergleich sowie ausserordentliches Bemessungsverfahren, Betätigungsvergleich, gemischte Methode) ist eine Rechtsfrage (Urteil I 726/06 vom 8. Januar 2007 E. 3.2 mit Hinweis) und vom Bundesgericht frei überprüfbar. Im Zeitpunkt der revisionsweisen Aufhebung des Rentenanspruchs im August 2004 stand die Beschwerdeführerin in einem stabilen Arbeitsverhältnis. Es bestand daher kein Anlass dafür, die Einkommensverhältnisse mittels hypothetischer Zahlen zu vergleichen. Entgegen der Darstellung in der Beschwerde führt auch die Auskunft der Arbeitgeberin, die Versicherte habe bei einer Anwesenheit im Rahmen eines 50%-Pensums nur eine Leistung von 40% erbracht, zu keiner anderen Beurteilung. Die ärztlich attestierte Arbeitsfähigkeit ist eine Angabe über die zumutbare Leistung und keine solche über die Präsenz am Arbeitsplatz. Die attestierte Arbeitsfähigkeit von 75% ab August 2004 besagt also, dass es der Beschwerdeführerin zumutbar gewesen ist, eine effektive Leistung von 75% zu erbringen. Das hält auch vor dem Zeugnis der Arbeitgeberin stand, wonach bei einem 50%-Pensum tatsächlich eine 40%ige Leistung erbracht wurde. Die Rente ist daher zu Recht auf den 1. August 2004 aufgehoben worden. 
4.2.3 Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass die Beschwerdeführerin ihre Arbeitsstelle auf Ende Dezember 2007 gekündigt hat. Falls sich die tatsächlichen Verhältnisse - seien es gesundheitlicher oder erwerblicher Natur - in rentenrelevanter Weise und ohne Verletzung der Schadenminderungspflicht nach Aufhebung des Rentenanspruchs verändert haben sollten, steht es ihr frei, sich bei der IV-Stelle neu anzumelden. 
 
5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem überwiegenden Unterliegen der Beschwerdeführerin entsprechend verlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). Die IV-Stelle hat die Beschwerdeführerin zudem für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Oktober 2009 und die Verfügungen der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 6. Februar 2008 werden insoweit abgeändert, als die Beschwerdeführerin je einen befristeten Anspruch auf eine Viertelsrente von Oktober 2003 bis Februar 2004 und auf eine Dreiviertelsrente von März bis Juli 2004 hat. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2. 
Von den Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin Fr. 350.- und der Beschwerdegegnerin Fr. 150.- auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 600.- zu entschädigen. 
 
4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 21. Mai 2010 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Schüpfer