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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_174/2021  
 
 
Urteil vom 22. Juni 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Müller, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, 
Postfach, 8401 Winterthur, 
vertreten durch die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Büro für amtliche Mandate, Florhofgasse 2, Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; amtliche Verteidigung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 24. Februar 2021 (UP210005). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland führt gegen A.________ ein Strafverfahren wegen versuchter einfacher Körperverletzung. 
 
Am 8. Januar 2021 wies das Büro für amtliche Mandate der Oberstaatsanwaltschaft das Gesuch von A.________ um Bestellung eines amtlichen Verteidigers ab. 
 
Am 24. Februar 2021 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Beschwerde von A.________ gegen die Verfügung der Oberstaatsanwaltschaft ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde vom 6. April 2021 beantragt A.________ sinngemäss, diesen Beschluss des Obergerichts aufzuheben und es anzuweisen, ihm eine amtliche Verteidigung zu bestellen. 
 
C.  
Die Oberstaatsanwaltschaft und das Obergericht verzichten auf Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, mit dem das Obergericht die Abweisung des Gesuchs des Beschuldigten um Einsetzung eines amtlichen Verteidigers schützte; dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen zulässig (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 BGG). Er schliesst das Verfahren indessen nicht ab; es handelt sich mithin um einen Zwischenentscheid, gegen den die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zulässig ist, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (BGE 133 IV 139 E. 4) bewirken könnte. Das ist bei der Verweigerung der amtlichen Verteidigung der Fall (BGE 133 IV 335 E. 4 mit Hinweisen; Urteil 1B_436/2011 vom 21. September 2011, E. 1). Der Beschwerdeführer, der im Strafverfahren beschuldigt wird und dessen Gesuch um amtliche Verteidigung abgelehnt wurde, ist zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist. Es ist allerdings Sache des Beschwerdeführers, sowohl darzulegen, dass die Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, soweit das nicht offensichtlich ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.1; 353 E. 1), als auch, dass der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletzt (BGE 135 III 127 E. 1.6 S. 130; 134 II 244 E. 2.1 und 2.2 S. 245 f.; je mit Hinweisen). 
 
2.  
Das Obergericht verneinte im angefochtenen Entscheid einen Anspruch des Beschwerdeführers auf amtliche Verteidigung mit der Begründung, es handle sich um einen Bagatellfall und das Verfahren biete weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten, denen er ohne Rechtsbeistand nicht gewachsen wäre. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die Angelegenheit sei für ihn wichtig und keineswegs eine Bagatelle; er sei auf anwaltlichen Beistand angewiesen, auch weil er den Dolmetschern nicht traue. Die Tatsache, dass er ein "alter Staatsbürger aus der Republik Trinidad und Tobago" sei, rechtfertige nicht, ihn ungerecht zu verurteilen oder zu inhaftieren. 
 
2.1. Die Verteidigung ist in den Art. 128 ff. StPO geregelt. In besonders schwer wiegenden Straffällen ist sie unter bestimmten Voraussetzungen - etwa wenn die Untersuchungshaft mehr als 10 Tage gedauert hat oder eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr in Aussicht steht (Art. 130 lit. a und b StPO) - notwendig, d.h. der beschuldigten Person muss auf jeden Fall ein Verteidiger zur Seite gestellt werden. Bestimmt sie keinen Wahlverteidiger, muss ihr diesfalls zwingend ein amtlicher Verteidiger bestellt werden (Art. 132 Abs. 1 lit. a StPO). In Bagatellfällen besteht dagegen grundsätzlich kein Anspruch auf amtliche Verteidigung (Art. 132 Abs. 2 StPO), sondern nur ausnahmsweise, etwa wenn der Fall besondere Schwierigkeiten bietet, denen der Beschuldigte nicht gewachsen ist, oder der Ausgang des Verfahrens eine besondere Tragweite aufweist, etwa weil ihm der Entzug einer Berufsausübungsbewilligung droht (Urteile 1B_217/2015 vom 20. August 2015 E. 2.2; 1B_169/2014 vom 16. Juli 2014 E. 2.3). Steht für den Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von über 4 Monaten, eine Geldstrafe von über 120 Tagessätzen oder gemeinnützige Arbeit von mehr als 480 Stunden in Aussicht, liegt jedenfalls kein Bagatellfall mehr vor (Art. 132 Abs. 3 StPO). In den dazwischen liegenden Fällen relativer Schwere ist eine amtliche Verteidigung anzuordnen, wenn der Beschuldigte nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Verteidigung zur Wahrung seiner Interessen geboten erscheint (Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO). Letzteres ist dann der Fall, wenn der Straffall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Probleme aufwirft, denen der Beschuldigte allein nicht gewachsen ist (Art. 132 Abs. 2 StPO).  
 
2.2. Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, am 13. September 2019, um ca. 07.15 Uhr, von seinem Wohnungsbalkon aus einen Blumentopf in Richtung des Geschädigten fallengelassen zu haben, um diesen dazu zu bringen, den lauten Rasenmäher abzuschalten. Mit diesem Vorgehen sei er das Risiko eingegangen, den Geschädigten an Körper oder Gesundheit zu schädigen. Die Einschätzung des Obergerichts, für dieses Delikt - versuchte einfache Körperverletzung - habe der nicht vorbestrafte Beschwerdeführer nicht mit einem Strafmass zu rechnen, das den Rahmen eines Bagatelldelikts im Sinn von Art. 132 Abs. 3 StPO sprenge, ist offenkundig zutreffend und wird vom Beschwerdeführer nicht sachgerecht in Frage gestellt. Ebenfalls zutreffend ist die weitere Einschätzung im angefochtenen Entscheid, dass der Sachverhalt und dessen rechtliche Würdigung keine besonderen Schwierigkeiten aufweisen, denen der Beschwerdeführer alleine nicht gewachsen wäre. Das Obergericht verweist zu Recht darauf, dass er an den polizeilichen Einvernahmen seinen Standpunkt durchaus zu vertreten wusste, indem er teilweise von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und sich anderseits auf einen Rechtfertigungsgrund - er habe die Gefahr, welche der überlaute Lärm des Rasenmähers für die Integrität seiner Tochter dargestellt habe, mit sicheren und vernünftigen Mitteln abwehren müssen - berufen habe. Der Beschwerdeführer ist somit keineswegs unbeholfen, sondern durchaus in der Lage, seine Interessen zu wahren. Eine besondere Bedeutung hat das Strafverfahren für den Beschwerdeführer nicht, da es nach den unbestrittenen Ausführungen des Obergerichts keine migrationsrechtlichen Konsequenzen haben kann. Es handelt sich zusammenfassend um einen Nachbarschaftsstreit, der eskaliert ist und zu (gegenseitigen) Strafanzeigen geführt hat, der unter strafrechtlichen Gesichtspunkten aber Bagatellcharakter hat. Den sprachlichen Schwierigkeiten des Beschwerdeführers kann mit dem Beizug von Dolmetschern Rechnung getragen werden; diese nehmen ihren Auftrag unter der Strafdrohung von Art. 307 StGB wahr (Art. 68 Abs. 5 i.V.m. Art. 184 Abs. 2 lit. f StPO). Die (nicht näher ausgeführte) Befürchtung des Beschwerdeführers, die Gerichtsdolmetscher seien nicht vertrauenswürdig, ist unbegründet. Das Obergericht hat daher kein Bundesrecht verletzt, indem es dem Beschwerdeführer die Bestellung eines amtlichen Verteidigers verwehrt hat.  
 
3.  
Die Beschwerde ist unbegründet und im vereinfachten Verfahren abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG). Hingegen kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ausnahmsweise verzichtet werden. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Juni 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi