Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
12T_2/2023  
 
Das Schweizerische Bundesgericht vertreten durch die Verwaltungskommission 
 
in Sachen administrative Aufsicht über 
 
das Bundesverwaltungsgericht, Verwaltungskommission, Kreuzackerstrasse 12, 9000 St. Gallen 
 
betreffend  
 
Rechtsverzögerung 
(Aufsichtsanzeige von Herrn A.________ vom 28. März 2023) 
 
 
erwägt:  
 
1.  
 
1.1.  
Mit Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 7. Juli 2021 wurde A.________ wegen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gesprochen und zu einer bedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt. Von einer fakultativen Landesverweisung wurde abgesehen. 
Mit Verfügungen vom 8. Juli 2021 ordnete die Migrationsbehörde eine sofort vollstreckbare Wegweisung an und nahm A.________ in Ausschaffungshaft. Gleichentags erging ein Einreiseverbot gegen ihn, gültig vom 10. Juli 2021 bis 9. Juli 2023. Ebenfalls wurde eine Ausschreibung im Schengener Informationssystem angeordnet. Am 10. Juli 2021 erfolgte die Ausschaffung nach Albanien. 
Gegen die Verfügung betreffend Einreiseverbot erhob A.________ am 5. August 2021 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erging am 8. März 2023. 
 
1.2.  
Am 28. März 2023 reichte A.________ eine Aufsichtsanzeige ein. Der Anzeiger ersucht um Feststellung der Verletzung von Art. 29 Abs. 1 und Art. 29a BV im Verfahren F-3533/2021 betreffend Einreiseverbot vor Bundesverwaltungsgericht. Ausserdem bemängelt er generell systematisch überlange Beschwerdeverfahren gegen Einreiseverbote. Dies soll durch eine Begrenzung der Verfahrensdauer auf maximal einen Drittel des Einreiseverbots behoben werden, wobei im Widerhandlungsfall bei der Prüfung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde die privaten Interessen der beschwerdeführenden Person höher als bisher gewichtet werden sollen. 
 
1.3.  
Die Verwaltungskommission lud das Bundesverwaltungsgericht mit Verfügung vom 29. Juni 2023 zur Stellungnahme ein. Am 25. August 2023 reichte das Bundesverwaltungsgericht diese ein. 
 
2.  
 
2.1.  
Beim vorliegenden Verfahren handelt es sich um eine Aufsichtsanzeige im Sinne von Art. 1 Abs. 2 des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110), Art. 9 des Aufsichtsreglements des Bundesgerichts (AufRBGer; SR 173.110.132) und Art. 3 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsgesetzes (VGG; SR 173.32). Das Einreichen von Aufsichtseingaben begründet keine Parteirechte (Art. 9 Abs. 2 AufRBGer). 
 
2.2.  
Die Aufsicht des Bundesgerichts über das Bundesverwaltungsgericht ist administrativer Art (vgl. Art. 1 Abs. 2 BGG; Art. 3 Abs. 1 VGG; Art. 1 Abs. 1 AufRBGer); die Rechtsprechung ist von der Aufsicht ausgenommen (Art. 2 Abs. 2 AufRBGer). Raum für aufsichtsrechtliche Feststellungen oder weitergehende Massnahmen besteht nur unter der Voraussetzung struktureller Mängel organisatorischer oder administrativer Natur (vgl. BGE 144 II 486 E. 3.1; Entscheide 12T_2/2022 vom 23. Dezember 2022 E. 3.1; 12T_3/2019 vom 20. Januar 2020 E. 2). Dies gilt auch betreffend eine allfällige Rechtsverzögerung (BGE 144 Il 486 E. 3.3). 
 
2.3.  
Ob strukturelle Mängel organisatorischer oder administrativer Natur vorliegen, respektive der Geschäftsgang generell den Anforderungen entspricht, ist zwar anhand der beanstandeten konkreten Fälle zu beleuchten; diese müssen aber klare Anhaltspunkte enthalten, dass es sich nicht um einen Einzelfall, sondern um ein allgemeines Problem handelt (vgl. Entscheide 12T_2/2022 vom 23. Dezember 2022 E. 3.1; 12T_1/2022 vom 286. September 2022 E. 2.1). 
 
3.  
 
3.1.  
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Stellungnahme festgehalten, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer bei Beschwerden gegen Einreiseverbote im letzten Jahr bei rund sieben Monaten gelegen habe. Zwischen 2018 und 2022 seien 36% der Beschwerden gegen Einreiseverbote innerhalb von drei Monaten, 56% der Beschwerden innerhalb von sechs Monaten und 75% der Beschwerden innerhalb eines Jahres behandelt worden; bei 25% der Beschwerden habe das Verfahren länger als ein Jahr gedauert. Von generell zu langen Beschwerdeverfahren kann deshalb nicht gesprochen werden. 
Das Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht hat rund eineinhalb Jahre gedauert. Diese Verfahrensdauer ist als eher lang zu beurteilen. Anhaltspunkte, dass die Dauer von 15 Monaten, die das Bundesverwaltungsgericht nach Abschluss des Schriftenwechsels für die Entscheidfindung benötigt hat, nicht auf die Prioritätenordnung zur Behandlung der Verfahren, sondern auf organisatorische oder administrative Mängel zurückzuführen ist, sind aber nicht ersichtlich. 
Schliesslich ist festzuhalten, dass dem beaufsichtigten Gericht keine schematisierten Behandlungsfristen, wie es der Anzeiger fordert (vgl. Rechtsbegehren 2 der Aufsichtsanzeige vom 28. März 2023), vorgeschrieben werden. Die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens bestimmt sich nicht absolut. Vielmehr ist sie im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu beurteilen (BGE 144 Il 486 E. 3.2). Der Forderung des Anzeigers, bei Überschreitung der vorgeschriebenen Verfahrensdauer das private Interesse der beschwerdeführenden Person im Rahmen der Prüfung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde höher zu gewichten, wird ebenfalls nicht nachgekommen. Vorschriften zur Interessenabwägung sind nicht Gegenstand der administrativen Aufsicht und daher nicht zulässig (vgl. Art. 2 Abs. 2 AufRBGer). 
 
3.2.  
Aufgrund der Akten und der obigen Ausführungen kann im vorliegenden Aufsichtsverfahren keine auf einen strukturellen Mangel des Bundesverwaltungsgerichts zurückzuführende Rechtsverzögerung festgestellt werden. Der Anzeige wird daher keine Folge gegeben. 
 
4.  
Das Aufsichtsverfahren ist - besondere Umstände vorbehalten, die hier nicht vorliegenkostenlos (Art. 10 der Verordnung über Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren [SR 172.041.0]). Parteientschädigungen sind im Aufsichtsverfahren mangels Parteistel- lung des Anzeigers ausgeschlossen. 
 
 
Demnach stellt das Schweizerische Bundesgericht fest:  
 
1. Der Anzeige wird keine Folge gegeben.  
 
2. Es werden keine Kosten erhoben.  
 
3. Diese Feststellung wird dem Bundesverwaltungsgericht, Verwaltungskommission, schriftlich mitgeteilt. Dem Anzeiger wird eine Orientierungskopie zugestellt..  
 
 
Lausanne, 4. Oktober 2023 
 
Im Namen der Verwaltungskommission des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Donzallaz 
 
Der Generalsekretär: Lüscher