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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_294/2019  
 
 
Urteil vom 30. September 2019  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt MLaw Davide Loss, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Zürcherstrasse 8, 8400 Winterthur, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung; Beitragszeit), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Februar 2019 (AL.2018.00197). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ bestand nach einem Auditoriat beim Bezirksgericht X.________ vom 1. Mai 2015 bis zum 31. Mai 2016 und anschliessender Vorbereitung die Anwaltsprüfungen des Kantons Zürich. Mit Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 17. April 2018 wurde ihm das Rechtsanwaltspatent erteilt. Am 9. April 2018 meldete er sich beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Uster zur Arbeitsvermittlung an und beantragte ab dem gleichen Tag Arbeitslosenentschädigung. Mit Verfügung vom 20. April 2018 und Einspracheentscheid vom 7. Juni 2018 lehnte das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Zürich, Arbeitslosenkasse (ALK), den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung mangels Erfüllung der zwölfmonatigen Beitragszeit ab. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. Februar 2019 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, die Sache sei zur Neubeurteilung an die ALK, eventualiter an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen). 
 
2.   
Streitig ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Ablehnung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung vor Bundesrecht standhält. Unbestritten ist dabei, dass der Beschwerdeführer in der massgeblichen Rahmenfrist vom 9. April 2016 bis 8. April 2018 keine ausreichende Beitragszeit von zwölf Monaten ausweisen kann. Zur Frage steht, ob das kantonale Gericht eine mehr als 11-monatige Verhinderung an der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung wegen der Vorbereitung auf das zürcherische Anwaltsexamen zu Recht als nicht begründet erachtet hat. 
 
3.   
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen von Art. 8 Abs. 1 lit. e, Art. 9 und Art. 13 Abs. 1 AVIG zutreffend dargelegt. Danach setzt der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung voraus, dass die versicherte Person innerhalb einer zweijährigen Rahmenfrist vor dem Leistungsbezug während einer Beitragszeit von mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Richtig wiedergegeben wird im angefochtenen Entscheid auch, dass von der Erfüllung der Beitragszeit befreit werden kann, wer wegen einer Aus- oder Weiterbildung während insgesamt mehr als zwölf Monaten nicht in einem Arbeitsverhältnis stand und deshalb die Beitragszeit nicht erfüllen konnte (Art. 14 Abs. 1 lit. a AVIG). Ebenfalls richtig wiedergegeben wird die Rechtsprechung, wonach als Ausbildung im Sinne der letztgenannten Bestimmung jede systematische, auf der Grundlage eines ordnungsgemässen, rechtlich oder zumindest faktisch anerkannten (üblichen) Lehrganges beruhende Vorbereitung auf ein konkretes berufliches Ziel beziehungsweise eine künftige erwerbliche Tätigkeit gilt. Dabei zählen Wiederholungen von Prüfungen zur Dauer der Ausbildung, wenn die entsprechenden Vorbereitungen zeitlich intensiv sind und die Erfüllung der Kontrollvorschriften verunmöglichen (SVR 2017 ALV Nr. 1 S. 1, 8C_418/2016 E. 3.3 mit Hinweisen). Zutreffend festgehalten wird auch, dass die Vorbereitung auf das Anwaltsexamen trotz der Schwierigkeiten bezüglich der erforderlichen Überprüfbarkeit grundsätzlich als Ausbildung in diesem Sinne anerkannt wird (SVR 2017 ALV Nr. 1 S. 1, 8C_418/2016 E. 3.5 mit Hinweisen; SVR 2012 ALV Nr. 10 S. 31, 8C_318/2011 E. 6.1; ARV 2000 Nr. 28 S. 144 E. 2c; Urteil 8C_706/2017 vom 24. November 2017 E. 2). 
Hervorzuheben ist, dass zwischen dem Befreiungsgrund der Ausbildung (beziehungsweise der dadurch bedingten Verhinderung an der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung als Arbeitnehmer) und der Nichterfüllung der Beitragszeit ein Kausalzusammenhang bestehen muss (BGE 121 V 336 E. 5b S. 342 f.; ARV 2005 S. 132, C 139/04 E. 2.1). Es ist deshalb im Einzelfall zu prüfen, ob und in welchem Umfang die geltend gemachte Verhinderung objektiv begründet ist. Der benötigte Zeitaufwand muss sich nach objektiv zu beurteilenden Kriterien tatsächlich rechtfertigen lassen. Die in diesem Sinne gerechtfertigte Dauer der anzuerkennenden erwerbslosen Vorbereitungszeit von Anwärtern auf das Anwaltspatent hat die Rechtsprechung wegen der erheblichen kantonalen Unterschiede hinsichtlich der Prüfungsanforderungen nicht generell festgelegt (SVR 2017 ALV Nr. 1 S. 1, 8C_418/2016 E. 3.2 und 3.5; SVR 2012 ALV Nr. 10 S. 31, 8C_318/2011 E. 6.2; Urteil 8C_706/2017 vom 24. November 2017 E. 2 i.f. und E. 7.2). 
 
4.   
Die Vorinstanz stellte in tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich verbindlich fest, dass sich der Beschwerdeführer ab Juni 2016 während 22 Monaten vollzeitlich auf die Anwaltsprüfung vorbereitete. Eine erste erfolglose schriftliche Prüfung legte er am 14. November 2016 ab. Beim zweiten Versuch am 26. Juni 2017 bestand er die schriftliche Prüfung. Den mündlichen Teil absolvierte er am 3. April 2018. Damit wendete er für den ersten Versuch und, ab Mitteilung des Prüfungsergebnisses am 1. Februar 2017, für den zweiten, erfolgreichen Versuch des schriftlichen Teils je rund 5 Monate auf. Nach Mitteilung des Ergebnisses der wiederholten schriftlichen Prüfung am 18. September 2017 bereitete er sich während sechseinhalb Monaten auf die mündliche Prüfung vor. Dazwischen, das heisst ab dem Zeitpunkt des ersten erfolglosen Versuchs beziehungsweise der bestandenen schriftlichen Prüfung und der jeweiligen Mitteilung des Prüfungsergebnisses, verstrichen zweieinhalb beziehungsweise knapp drei Monate. Das kantonale Gericht stützte sich im Weiteren auf eine Bestätigung des Präsidenten der Anwaltsprüfungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vom 18. April 2018, wonach die Vorbereitungszeit für jede einzelne Prüfung erfahrungsgemäss vier bis sechs Monate beträgt. 
Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte erwerbslose Zeit von insgesamt 22 Monaten erachtete das kantonale Gericht als unverhältnismässigen Aufwand. Nach seiner Praxis würden als beitragsfreie Zeit für Anwaltsprüfungen insgesamt, das heisst auch bei erforderlichen Wiederholungsprüfungen, höchstens zwölf Monate anerkannt. Im vorliegenden Fall könnten nicht mehr als je vier Monate für die erste schriftliche sowie die mündliche Prüfung und weitere drei Monate für die Wiederholungsprüfung, also maximal elf Monate berücksichtigt werden. Daran ändere nichts, dass der Beschwerdeführer sein Studium bereits im Jahr 2009 abgeschlossen und sich danach, neben einer Beschäftigung als Assistent, seiner Doktorarbeit im Völkerrecht gewidmet habe. Insbesondere habe er wie alle Kandidaten das für das Anwaltspatent erforderliche einjährige Praktikum absolviert. Bereits dort, als Auditor am Bezirksgericht, habe er sich mit dem Prüfungsstoff und namentlich auch mit der zwischenzeitlich in Kraft getretenen neuen Zivil- und Strafprozessordnung befassen müssen. 
 
5.   
Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, dass der vorinstanzlich praktizierte Grundsatz - keine Anerkennung einer mehr als zwölfmonatigen Vorbereitungszeit für die Anwaltsprüfungen - die vom Bundesgericht geforderte Berücksichtigung der besonderen Umstände im Einzelfall ausser Acht lasse. Ihm die Befreiung von der Erfüllung der Beitragspflicht zu verweigern, lasse sich zudem auch nicht damit vereinbaren, dass ihm während der 22 Monate, in denen er sich tatsächlich seiner Ausbildung gewidmet habe, die Vermittlungsfähigkeit hätte abgesprochen werden müssen. 
 
6.  
 
6.1. Inwiefern die vorinstanzlichen Feststellungen offensichtlich unrichtig oder bundesrechtswidrig wären, ist nicht erkennbar. Dies gilt zunächst insoweit, als das kantonale Gericht einen zeitlichen Aufwand für die zürcherischen Anwaltsprüfungen von zwei mal vier Monaten für je eine schriftliche und eine mündliche Prüfung sowie zusätzlich drei Monate für die Wiederholung der schriftlichen Prüfung als objektiv begründet erachtete. Es ergibt sich dadurch kein Widerspruch zu den Angaben des Präsidenten der Anwaltsprüfungskommission, auch wenn dieser von einer Minimaldauer von jeweils vier Monaten für eine Prüfung ausging. Dass die gleiche Vorbereitungszeit auch dann aufgewendet werden müsste, wenn eine Prüfung zu wiederholen ist, geht aus seinem Schreiben nicht hervor und lässt sich auch anhand der Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ersehen. Selbst wenn der Beschwerdeführer eine spezifische Vorbereitung auch insofern als erforderlich erachtet, als er sich auf den jeweiligen Examinator habe einstellen müssen, wird nicht bestritten, dass der Prüfungsstoff für die Wiederholung derselbe bleibt und insoweit kein zusätzlicher Lernaufwand anfällt. Dass für die Wiederholungsprüfung - allein weil nunmehr ein anderer Experte eingesetzt wurde - nochmals eine Dauer von vier Monaten statt der von der Vorinstanz angenommenen drei Monate zur Vorbereitung erforderlich wäre, ist deshalb nicht nachvollziehbar. An der vom kantonalen Gericht angenommenen Gesamtdauer von elf Monaten kann auch nichts ändern, dass der Beschwerdeführer nach Absolvieren der jeweiligen Prüfungen während zweieinhalb bis drei Monaten auf die Zwischenergebnisse warten musste. Inwiefern diese nicht als Lernzeit hätten genutzt werden können, ist nicht erkennbar. Insbesondere wird auch nicht geltend gemacht, dass die vom kantonalen Gericht berücksichtigten vier Monate (beziehungsweise drei Monate für die Wiederholungsprüfung) jeweils nicht ausreichen würden, bis die nächste Prüfung absolviert werden könne.  
 
6.2. Der praxisgemässen Vorgabe, die Dauer der nötigen Vorbereitungszeit für die Anwaltsprüfungen im Einzelfall zu prüfen, also auch allfällige besondere Umstände mit zu berücksichtigen (oben E. 3), ist die Vorinstanz nachgekommen. Dass sie die hier geltend gemachten Umstände - Verstreichen von mehreren Jahren seit dem im April 2009 erlangten Lizentiat, seither wissenschaftliche Tätigkeit im Rahmen einer Dissertation - als nicht geeignet erachtete, um die von ihr angenommene Vorbereitungszeit von elf Monaten zu verlängern, ist nicht zu beanstanden.  
Insbesondere waren auch im Rahmen der Einzelfallprüfung nur solche Umstände zu berücksichtigen, die objektiv gesehen die Erfüllung der Beitragszeit verhinderten. Welchen Lernaufwand andere Kandidaten subjektiv als erforderlich erachteten, ist daher nicht massgeblich. Insoweit verfängt der Einwand des Beschwerdeführers nicht, dass die Vorinstanz zu Unrecht auf eine Befragung der von ihm genannten Teilnehmer seiner Lerngruppe als Zeugen verzichtet und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Daran kann auch der Hinweis auf einen Artikel im Tagesanzeiger vom 30. August 2018 nichts ändern, wonach die Anwaltsprüfungen bekanntermassen eine enorme psychische Belastung darstellten. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich diese beim Beschwerdeführer stärker als bei anderen Absolventen beziehungsweise geradezu in krankheitswertiger Weise ausgewirkt hätte. 
 
6.3. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen war im vorliegenden Fall eine vollzeitliche Ausbildungsdauer von (lediglich) elf Monaten objektiv begründet und damit kausal für die Nichterfüllung der Beitragszeit. Demnach sind die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Beitragspflicht - mehr als zwölfmonatige Verhinderung an der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung als Arbeitnehmer (oben E. 3) - nicht erfüllt. Lässt sich mit der von ihm geltend gemachten Vorbereitungszeit, soweit sie über das vom kantonalen Gericht anerkannte Mass hinausgeht, eine Verhinderung an der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung als Arbeitnehmer objektiv nicht begründen, verfängt auch der Einwand des Beschwerdeführers nicht, dass er entgegen der vorinstanzlichen Auffassung auch in diesem Umfang (von zusätzlichen elf Monaten) wegen der Ausbildung nicht vermittlungsfähig gewesen sei.  
 
7.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. September 2019 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo