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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1C_233/2018  
 
 
Urteil vom 6. November 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Eusebio, Chaix, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Kessler Coendet. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Wehrenberg, 
 
gegen  
 
Staatssekretariat für Migration, 
Quellenweg 6, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Erleichterte Einbürgerung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung VI, vom 4. April 2018 (F-1166/2018). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ wohnt in Südafrika. Sie stellte ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung in der Schweiz. Mit Verfügung vom 9. Januar 2018 lehnte das Staatssekretariat für Migration (SEM) ihr Gesuch ab. Der abschlägige Entscheid wurde ihr durch die Schweizer Vertretung in Pretoria übermittelt. 
Die Verfügung vom 9. Januar 2018 focht A.________ mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht an. Dieses trat mit Urteil vom 4. April 2018 auf die Beschwerde nicht ein, weil es diese als verspätet erachtete. 
 
B.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 11. Mai 2018 beantragt A.________ die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Angelegenheit an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung. 
Das SEM schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht hat Verzicht auf eine Stellungnahme erklärt. In der Folge hat sich die Beschwerdeführerin dazu innert angesetzter Frist nicht vernehmen lassen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist ein Endentscheid in einem Verfahren über die erleichterte Einbürgerung (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a, Art. 90 BGG). Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen; der Ausnahmegrund von Art. 83 lit. b BGG betreffend Entscheiden über die ordentliche Einbürgerung ist vorliegend nicht erfüllt (vgl. BGE 138 II 217 E. 1 S. 219). Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als Adressatin des angefochtenen Urteils zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 37 VGG i.V.m. Art. 50 Abs. 1 VwVG sind Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung der Verfügung einzureichen. Im Hinblick auf die Fristwahrung bestimmt Art. 21 Abs. 1 VwVG, dass schriftliche Eingaben spätestens am letzten Tag der Behörde einzureichen oder zu deren Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung zu übergeben sind. Art. 24 Abs. 1 VwVG sieht vor, dass die Frist wieder hergestellt wird, wenn der Gesuchsteller oder sein Vertreter unverschuldeterweise abgehalten worden ist, binnen Frist zu handeln, sofern er unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachholt.  
 
2.2. Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil wurde die Verfügung des SEM am 22. Januar 2018 der Beschwerdeführerin eröffnet. Sie gab die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht am 30. Januar 2018 mit "registered letter" bei einer Poststelle in Südafrika auf. Von dort aus wurde die Eingabe in der Folge am 23. Februar 2018 der Schweizerischen Post übergeben. Die 30-tägige Beschwerdefrist lief jedoch am 21. Februar 2018 ab. Gestützt auf Art. 21 Abs. 1 VwVG erachtet die Vorinstanz die Einreichung bei einer ausländischen Poststelle nicht als fristwahrend, sondern hält das Datum des Zugangs bei der Schweizerischen Post für entscheidend. Da die Rechtsmittelfrist in diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war, hat die Vorinstanz die Beschwerde als verspätet eingestuft. Da sie auch keine Gründe für eine Wiederherstellung der Frist erblickt hat, ist sie auf die Beschwerde nicht eingetreten.  
 
2.3. Die Beschwerdeführerin wendet ein, weder in der Rechtsmittelbelehrung noch an anderer Stelle in der Verfügung des SEM sei auf die Anforderungen von Art. 21 Abs. 1 VwVG hingewiesen worden. Auch die Schweizer Vertretung in Südafrika habe sie nicht auf diese Voraussetzung aufmerksam gemacht. Bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei sie nicht anwaltlich vertreten gewesen und habe sich auch nicht juristisch beraten lassen. Bereits eine Woche nach Erhalt der Verfügung habe sie die Beschwerde im Vertrauen darauf, dass dies den Anforderungen genüge, per Post abgeschickt. Sie wohne in einem gut erschlossenen Gebiet in Südafrika und habe auch im internationalen Verhältnis nicht damit rechnen müssen, dass ihre Sendung mehr als drei Wochen zur Erreichung des Zielorts benötigen würde. Ein Versandweg über die Schweizer Vertretung in Südafrika wäre für sie einfacher, kürzer und kostengünstiger gewesen. Sie rügt, das angefochtene Urteil missachte Art. 38 VwVG, wonach der betroffenen Partei kein Rechtsnachteil entstehen dürfe, wenn die Verfügung mangelhaft eröffnet wurde. Das angefochtene Urteil verstosse gegen Treu und Glauben, wenn ihr Rechtsmittel nicht zugelassen werde.  
 
3.  
 
3.1. Der Vorinstanz ist insoweit beizupflichten, als dass nach der Rechtsprechung die Aufgabe bei einer ausländischen Poststelle - von hier nicht betroffenen Ausnahmen abgesehen - für die Fristwahrung nicht genügt (vgl. BGE 125 V 65 E. 1 S. 67; Urteil 2C_754/2008 vom 23. Dezember 2008 E. 2.3). Die Vorinstanz ist zu Recht von einer im Ergebnis verspäteten Beschwerdeerhebung ausgegangen.  
Allerdings trifft es zu, dass in der Verfügung des SEM kein Hinweis auf die Anforderungen von Art. 21 Abs. 1 VwVG enthalten ist. Gemäss Art. 35 Abs. 2 VwVG muss die Rechtsmittelbelehrung das zulässige ordentliche Rechtsmittel, die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist nennen. Nach der Rechtsprechung hat eine Verwaltungsbehörde, die eine Verfügung an eine Person mit Wohnsitz im Ausland richtet, diese über die Vorschriften von Art. 35 Abs. 2 VwVG hinaus genau und vollständig zu informieren, wenn in formeller Hinsicht spezielle Bestimmungen wie Art. 21 Abs. 1 VwVG bezüglich der Anfechtbarkeit der Verfügung bestehen. Eine solche Orientierungspflicht wurde aus dem Grundsatz der Verfahrensfairness und der Waffengleichheit abgeleitet. Nach dieser Rechtsprechung kann dem Rechtssuchenden - angesichts der Besonderheit dieser Regelung - bei Fehlen eines solchen Hinweises in der Rechtsmittelbelehrung nicht entgegengehalten werden, er hätte den Gesetzeswortlaut kennen müssen (vgl. BGE 125 V 65 E. 4 S. 67 f.; Urteil 9C_755/2013 vom 11. Juli 2014 E. 1). Hingegen wurde bei einem durch einen ausländischen Anwalt vertretenen Adressaten eine blosse Rechtsmittelbelehrung gemäss den gesetzlichen Vorgaben als genügend erachtet (vgl. Urteil 2C_754/2008 vom 23. Dezember 2008 E. 2.4). 
Die Bestimmung von Art. 38 VwVG, wonach den Parteien aus mangelhafter Eröffnung einer Verfügung kein Nachteil entstehen darf, bildet einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der den verfassungsmässigen Vertrauensschutz sowie Art. 29 Abs. 1 und 2 BV konkretisiert (vgl. BGE 118 Ia 223 E. 2 S. 228; 117 Ia 297 E. 2 S. 298 f.; Urteil 2C_848/2012 vom 8. März 2013 E. 4.1). Dabei ist ausschlaggebend, ob die Partei im konkreten Fall tatsächlich irregeführt und benachteiligt wurde (vgl. BGE 132 I 249 E. 6 S. 253; 122 I 97 E. 3a/aa S. 99; Urteil 9C_791/2010 vom 10. November 2010 E. 2.2). 
 
3.2. Selbst wenn angenommen würde, die Anforderungen von Art. 21 Abs. 1 VwVG bräuchten nicht in der Rechtsmittelbelehrung selbst zu stehen, so müsste darauf in geeigneter Weise im Rahmen der Verfügungszustellung hingewiesen werden. Eine solche Informationspflicht ist zumindest gegenüber einer Adressatin der Verfügung im Ausland, die wie die Beschwerdeführerin weder in erkennbarer Weise mit dem Schweizer Recht vertraut noch anwaltlich vertreten ist, zu bejahen. Derartige Hinweise sind in der Verfügung des SEM nicht erfolgt. Auch aus dem bei den Akten liegenden Mailverkehr zwischen der Schweizer Vertretung in Südafrika und der Beschwerdeführerin über die Mitteilung der Verfügung geht keine entsprechende Orientierung hervor. Die zuständige Mitarbeiterin hat zwar die Möglichkeit einer Weiterleitung der Beschwerde durch die Botschaft in die Schweiz angesprochen. Das war aber nicht ausreichend, weil sie nicht explizit auf die besonderen gesetzlichen Anforderungen zur Fristwahrung bei einer Beschwerde im internationalen Verhältnis hinwies. Unter den gegebenen Umständen ist das Fristversäumnis auf die dargelegte, mangelhafte behördliche Orientierung gegenüber der Beschwerdeführerin zurückzuführen. Demzufolge verletzt es Bundesrecht, dass die Vorinstanz auf die Beschwerde zufolge verspäteter Erhebung nicht eingetreten ist.  
 
3.3. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Behandlung der übrigen Rügen der Beschwerdeführerin.  
 
4.   
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen. Die Sache ist, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, zu neuer Beurteilung an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdeführerin ist für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung zu Lasten des SEM zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2018 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Beurteilung an das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem SEM und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung VI, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. November 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Kessler Coendet