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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
B 84/02 
 
Urteil vom 28. November 2002 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiberin Hofer 
 
Parteien 
Winterthur-Columna Stiftung für berufliche Vorsorge, Paulstrasse 9, 8400 Winterthur, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Isabelle Brunner, Klausstrasse 49, 8008 Zürich, 
 
gegen 
 
A.________ AG, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, Trogen 
 
(Verfügung vom 17. Juli 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die A.________ AG ist seit 1. Juli 1986 der Winterthur-Columna Stiftung für berufliche Vorsorge zur Durchführung der beruflichen Vorsorge angeschlossen. Mit Zahlungsbefehl Nr. X.________ vom 11. Juni 2001 des Betreibungsamtes M.________ leitete die Stiftung für eine Teilforderung aus dem Anschlussvertrag die Betreibung ein, worauf die Firma ohne Begründung Rechtsvorschlag erhob. 
B. 
Am 28. März 2002 reichte die Winterthur-Columna Stiftung für berufliche Vorsorge Klage beim Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden ein mit dem Rechtsbegehren, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr Fr. 46'377.55 nebst Zins zu 5 % seit 1. Januar 2002 zu bezahlen unter Beseitigung des in der Betreibung Nr. X.________ erhobenen Rechtsvorschlages und unter Erteilung der definitiven Rechtsöffnung. Die Beklagte verzichtete auf die Einreichung einer Klageantwort, teilte jedoch der Klägerin mit Schreiben vom 25. April 2002 und Kopie an das kantonale Gericht mit, sie wisse, dass sie die Zahlung leisten müsse und werde dies auch tun. Nachdem bis Ende Juni 2002 keine Zahlung eingegangen war, ersuchte die Winterthur-Columna Stiftung für berufliche Vorsorge das Verwaltungsgericht um einen Entscheid. Daraufhin schrieb dieses den Prozess mit Verfügung vom 17. Juli 2002 als durch Anerkennung der Klage erledigt ab und nahm zudem Vormerk, dass die Beklagte die Aufhebung der Wirkung ihres Rechtsvorschlages in der Betreibung M.________ Nr. X.________ anerkannt hat (Ziff. 1 und 2 des Dispositivs). Der Klägerin sprach sie keine Parteientschädigung zu (Ziff. 4 des Dispositivs). 
C. 
Die Winterthur-Columna Stiftung für berufliche Vorsorge führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung von Ziff. 4 der vorinstanzlichen Verfügung sei die Sache an das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden zur Zusprechung einer Parteientschädigung zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Kantons Appenzell Ausserrhoden oder der Beschwerdegegnerin für das letztinstanzliche Verfahren. 
 
Die A.________ AG teilt in ihrer Vernehmlassung mit, sie habe einen Teilbetrag von Fr. 15'000.- geleistet und werde die Restzahlung bis Ende Oktober 2002 begleichen. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Aufgrund der Vorbringen der Winterthur-Columna Stiftung für berufliche Vorsorge streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht einen Anspruch aufParteientschädigung verneint hat. 
 
Da es somit im vorliegenden Verfahren nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, sondern einzig um eine verfahrensrechtliche Frage geht, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Richter Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
2. 
Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat den in den meisten Sozialversicherungszweigen und im letztinstanzlichen Verfahren geltenden Grundsatz, wonach der obsiegende Sozialversicherungsträger keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung zu Lasten der Versicherten hat, auch im erstinstanzlichen Verfahren der beruflichen Vorsorge und der Arbeitslosenversicherung als anwendbar erklärt. Eine Ausnahme von diesem allgemeinen Prozessgrundsatz ist analog zur Kostenfreiheit und in Präzisierung der bisherigen Rechtsprechung für sämtliche Sozialversicherungszweige für Fälle vorzusehen, in denen Versicherten mutwillige oder leichtsinnige Prozessführung vorzuwerfen ist (BGE 126 V 150 Erw. 4b). Die Bejahung einer mutwilligen oder leichtsinnigen Prozessführung führt damit nicht nur zur Pflicht, die Verfahrenskosten zu tragen (BGE 118 V 316), sondern begründet auch die Pflicht, die obsiegende Vorsorgeeinrichtung, soweit anwaltlich oder sonst wie qualifiziert vertreten, zu entschädigen (noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil M. vom 15. Juli 2002, B 71/01; vgl. auch Irene Hofer, Anspruch des obsiegenden Sozialversicherungsträgers auf Parteientschädigung im kantonalen Beschwerdeverfahren, in: ZBJV 2002 S. 596 f.). 
3. 
3.1 Gestützt auf BGE 124 V 285 machte die Winterthur-Columna Stiftung für berufliche Vorsorge im vorinstanzlichen Verfahren geltend, das Verhalten der Beklagten stelle eine reine Verzögerungstaktik dar und sei daher als mutwillig zu qualifizieren. Das kantonale Gericht wies das Begehren um Parteientschädigung ab mit der Begründung, der Beklagten könne keine mutwillige Prozessführung vorgeworfen werden. 
 
Die Beschwerdeführerin rügt, das kantonale Gericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es die beantragte Parteientschädigung ohne Begründung einzig mit dem Hinweis, mutwillige Prozessführung könne der Gegenpartei nicht vorgeworfen werden, seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen sei. 
3.2 Die Begründungspflicht, der aufgrund von Art. 35 Abs. 1 und 61 Abs. 2 (in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3) VwVG - auch im Klageverfahren nach BVG - die gleiche Tragweite zukommt wie im Rahmen des verfassungsmässigen Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. SZS 2001 S. 560 ff. mit Hinweisen), soll verhindern, dass sich die Behörde von unsachlichen Motiven leiten lässt, und der betroffenen Person ermöglichen, die Verfügung oder den Gerichtsentscheid gegebenenfalls sachgerecht anzufechten. Dies ist nur möglich, wenn sowohl die betroffene Person, als auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf welche sich ihre Verfügung bzw. ihr Urteil stützt. Dies bedeutet indessen nicht, dass sie sich ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 126 I 102 Erw. 2b, 124 V 181 Erw. 1a; SVR 2001 IV Nr. 17 S. 50 Erw. 2a). Die Behörde darf sich nicht damit begnügen, die von der betroffenen Person vorgebrachten Einwände tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen; sie hat ihre Überlegungen der betroffenen Person gegenüber auch namhaft zu machen und sich ausdrücklich mit den (entscheidwesentlichen) Einwänden auseinanderzusetzen oder aber zumindest die Gründe anzugeben, weshalb sie gewisse Gesichtspunkte nicht berücksichtigen kann (BGE 124 V 182 Erw. 2b). 
 
Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Es kommt mit anderen Worten nicht darauf an, ob die Anhörung im konkreten Fall für den Ausgang der Streitentscheidung von Bedeutung ist, d.h. die Behörde zu einer Änderung ihres Entscheides veranlasst wird oder nicht (BGE 126 V 132 Erw. 2b mit Hinweisen). 
 
Nach der Rechtsprechung kann eine - nicht besonders schwerwiegende - Verletzung des rechtlichen Gehörs als geheilt gelten, wenn der Betroffene die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Die Heilung eines - allfälligen - Mangels soll aber die Ausnahme bleiben (BGE 124 V 183 Erw. 4a mit Hinweisen). 
3.3 Wie die Beschwerdeführerin zutreffend geltend macht, lassen sich aus dem in der angefochtenen Verfügung enthaltenen Hinweis, mutwillige Prozessführung könne der Beklagten nicht vorgeworfen werden, die Gründe, weshalb die Vorinstanz diese Voraussetzung für die Zusprechung einer Parteientschädigung nicht für gegeben hielt, nicht entnehmen. Sie hätte indessen Anlass gehabt, sich eingehender mit der Frage der Mutwilligkeit zu befassen, da die Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren ihren Antrag auf Zusprechung einer Parteientschädigung mit dem mutwilligen Verhalten der Beschwerdegegnerin begründete und ein solches Verhalten angesichts von BGE 124 V 285 nicht von vornherein entfällt. Wie es sich damit verhält, kann mangels tatsächlicher Feststellungen und näherer Ausführungen im angefochtenen vorinstanzlichen Entscheid nicht beurteilt werden. Damit liegt eine Verletzung der Begründungspflicht vor, welche wegen der formellen Natur des Gehörsanspruchs zur Aufhebung des kantonalen Entscheids führt, zumal dieser Mangel im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht geheilt werden kann, weil dem Eidgenössischen Versicherungsgericht in Prozessen, in welchen es um die Frage des Anspruchs auf Parteientschädigung wegen mutwilliger oder leichtsinniger Prozessführung geht, zwar eine umfassende (BGE 124 V 287 Erw. 3a), aber nicht eine uneingeschränkte und volle Kognition im Sinne von Art. 132 OG zukommt (vgl. Erw. 1 hievor). 
 
Die Sache geht daher an das kantonale Gericht zurück, damit dieses über einen allfälligen Anspruch auf Parteientschädigung neu entscheide. 
4. 
4.1 Das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht ist kostenpflichtig, weil es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, sondern um die rein prozessuale Frage der Zusprechung einer Parteientschädigung geht (Art. 134 OG e contrario). 
4.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe mit ihrem Vorgehen ihre Pflicht zur Justizgewährleistung verletzt. Dadurch seien wegen der Notwendigkeit des vorliegenden Verfahrens erneut Kosten entstanden, die nunmehr vom Kanton Appenzell Ausserrhoden, eventuell von der Beschwerdegegnerin zu übernehmen seien. Nach Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG dürfen einem Kanton, der nicht Partei ist, grundsätzlich keine Gerichtskosten und Parteientschädigungen überbunden werden. In Anwendung von Art. 156 Abs. 2 OG sowie Art. 159 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 156 Abs. 6 OG rechtfertigt sich eine Ausnahme von dieser Regel indessen namentlich dann, wenn ein richterlicher Entscheid in qualifizierter Weise die Pflicht zur Justizgewährleistung verletzt und den Parteien Kosten verursacht hat (RKUV 1999 Nr. U 331 S. 128 Erw. 4). Die Voraussetzungen wurden beispielsweise bejaht bei treuwidrigem Verhalten des Gerichts (Urteil B. vom 13. Juli 2000, H 290/98; nicht veröffentlichtes Urteil K. vom 15. Juni 2000, C 32/98), wenn sich dieses weigert, ergänzende Abklärungen im Sinne eines letztinstanzlichen Rückweisungsentscheids vorzunehmen (RKUV 1999 Nr. U 331 S. 126), den Betroffenen einen bundesgesetzlich vorgesehenen Rechtsweg verwehrt (in BGE 124 V 130 nicht veröffentlichte Erw. 5) oder versehentlich ein Verfahren als gegenstandslos geworden abschreibt (Urteil C. vom 24. September 2001, I 461/01; Urteil A. vom 18. Oktober 2000, I 704/99), nicht aber, wenn das kantonale Gericht eine unter Angabe von prüfenswerten Gründen eingeleitete Rechtsprechungsänderung bis zum Erlass eines letztinstanzlichen Urteils aufrechterhält (Urteil G. vom 7. Mai 2001, U 36/01). 
Weist eine Vorinstanz einen Antrag ab, ohne indessen ihre Überlegungen, die dazu geführt haben, näher darzulegen und kann der Mangel wegen der eingeschränkten Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts im letztinstanzlichen Verfahren nicht geheilt werden, liegt darin keine Verletzung der Pflicht zur Justizgewährleistung begründet, welche im Lichte der Rechtsprechung wegen ihrer besonderen Qualifikation eine Überbindung der Kosten an den Kanton rechtfertigen liesse (so implizit bereits im die Beschwerdeführerin betreffenden Urteil W. vom 24. Mai 2000, B 21/00). 
4.3 Die Gerichtskosten sind folglich nach der Regel des Art. 156 Abs. 1 OG (in Verbindung mit Art. 135 OG) der unterlegenen Beschwerdegegnerin zu überbinden, die als Gegenpartei der obsiegenden Beschwerdeführerin grundsätzlich das Kostenrisiko trägt, auch wenn sie den vorinstanzlichen Entscheid nicht zu vertreten hat (BGE 123 V 156). 
Eine Parteientschädigung zu Lasten der Beschwerdegegnerin ist der Beschwerdeführerin nicht zuzusprechen, da die Gründe, die zum letztinstanzlichen Verfahren geführt haben, nicht auf das Verhalten der Beschwerdegegnerin zurückzuführen sind, so dass für das vorliegende Verfahren mutwillige oder leichtsinnige Prozessführung nicht gegeben ist (BGE 118 V 169 Erw. 7, 117 V 349 Erw. 8 mit Hinweis). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird Ziffer 4 des Dispositivs des vorinstanzlichen Entscheides vom 17. Juli 2002 aufgehoben und es wird die Sache an das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden zurückgewiesen, damit dieses über den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Parteientschädigung für das kantonale Verfahren im Sinne der Erwägungen neu entscheide. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
3. 
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet. 
4. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 28. November 2002 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: