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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_148/2022  
 
 
Urteil vom 16. September 2022  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Yannick Gloor, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Ergänzungsleistungen, 
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 14. Februar 2022 (200 21 675 EL). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1969 geborene A.________ ist seit seiner Geburt stark sehbehindert und bezieht seit Jahren Ergänzungsleistungen zu den Leistungen der Invalidenversicherung. Im Februar 2009 heiratete er seine heutige Ehefrau. Daraufhin drohte ihm die Ausgleichskasse des Kantons Bern (AKB) wiederholt an, ein fiktives Einkommen für seine nicht bzw. nur ungenügend erwerbstätige Ehefrau anzurechnen. Nachdem die AKB über längere Zeit auf Zusehen hin auf eine entsprechende Anrechung verzichtet hatte, berechnete sie mit Verfügung vom 24. April 2020 und Einspracheentscheid vom 30. August 2021 für die Zeit ab Mai 2020 die Ergänzungsleistungen neu, wobei sie nunmehr von einem hypothetischen Einkommen der Ehefrau in der Höhe von Fr. 24'553.- ausging. 
 
B.  
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 14. Februar 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheit beantragt A.________, es sei die Sache unter Aufhebung des Einspracheentscheides und des kantonalen Urteils an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit diese seinen Anspruch auf Ergänzungsleistungen neu (ohne Anrechnung eines Verzichtseinkommens der Ehefrau) berechne. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es den Einspracheentscheid der Ausgleichskasse vom 30. August 2021 bestätigte, wonach der Betrag der Ergänzungsleistungen ab Mai 2020 aufgrund einer nunmehr zumutbaren Erwerbstätigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers reduziert wird. 
 
3.  
 
3.1. Am 1. Januar 2021 trat das revidierte Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) in Kraft (EL-Reform; Änderung vom 22. März 2019, AS 2020 585). Da vorliegend Leistungen für die Monate Mai bis Dezember 2020 streitig sind, sind nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (statt vieler: BGE 144 V 210 E. 4.3.1; 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) die Bestimmungen des ELG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2020 gültig gewesenen Fassung anwendbar.  
 
3.2. Die jährliche Ergänzungsleistung (Art. 3 Abs. 1 lit. a ELG) entspricht dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 9 Abs. 1 ELG). Als Einnahmen angerechnet werden unter anderem Einkünfte und Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist (Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG). Nach der Rechtsprechung ist unter dem Titel des Verzichtseinkommens (Art. 11 Abs. 1 lit. a und g ELG) auch ein hypothetisches Einkommen des Ehegatten eines EL-Ansprechers anzurechnen (vgl. Art. 9 Abs. 2 ELG), sofern dieser auf eine zumutbare Erwerbstätigkeit oder auf deren zumutbare Ausdehnung verzichtet (BGE 117 V 287 E. 3b). Bei der Ermittlung einer allfälligen zumutbaren Erwerbstätigkeit der Ehefrau oder des Ehemannes ist der konkrete Einzelfall unter Anwendung familienrechtlicher Grundsätze (vgl. Art. 163 ZGB) zu berücksichtigen (BGE 117 V 287 E. 3c). Dementsprechend ist auf das Alter, den Gesundheitszustand, die Sprachkenntnisse, die Ausbildung, die bisherige Tätigkeit, die konkrete Arbeitsmarktlage sowie gegebenenfalls auf die Dauer der Abwesenheit vom Berufsleben abzustellen (BGE 134 V 53 E. 4.1; 117 V 287 E. 3a; SVR 2019 EL Nr. 13 S. 37, 9C_653/2018 E. 3.2 mit Hinweisen). Bemüht sich der Ehegatte trotz (teilweiser) Arbeitsfähigkeit nicht oder nur ungenügend um eine Stelle, verletzt er die ihm obliegende Schadenminderungspflicht.  
Eine (in grundsätzlicher oder massgeblicher Hinsicht) fehlende Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit kann nur angenommen werden, wenn sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht (Urteil 9C_134/2021 vom 9. Juni 2021 E. 4.1 mit Hinweisen). Bei der Feststellung des Sachverhalts hat der Leistungsansprecher trotz Geltung des Untersuchungsgrundsatzes (vgl. Art. 43 Abs. 1 resp. Art. 61 lit. c ATSG) mitzuwirken (Art. 28 ATSG; Urteil 9C_946/2011 vom 16. April 2012 E. 3.2). 
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Gericht kam in umfassender Würdigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau zum Schluss, jener wäre die Aufnahme einer vollzeitlichen Erwerbstätigkeit zumutbar. Was der Beschwerdeführer gegen die diesbezüglichen Erwägungen vorbringt, vermag die vorinstanzlichen Feststellungen nicht als offensichtlich unrichtig und die daraus gezogenen rechtlichen Schlüsse nicht als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Dass die Ehefrau gesundheitlich in der Lage ist, einer vollzeitlichen Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist letztinstanzlich unbestritten geblieben. Weiter hat die Vorinstanz durchaus den Umstand in ihre Erwägungen einbezogen, dass der Beschwerdeführer als Bezüger einer Hilflosenentschädigung regelmässig auf die Unterstützung durch Drittpersonen angewiesen ist. Dieser Umstand lässt jedoch die vorinstanzliche Feststellung, er bedürfe weder einer dauernden Pflege noch einer persönlichen Überwachung, nicht als willkürlich erscheinen. Damit erscheint auch der Schluss des kantonalen Gerichts nicht als bundesrechtswidrig, der Beschwerdeführer könne jedenfalls während der Zeit, die seine Ehefrau für die Ausübung einer vollzeitlichen Erwerbstätigkeit benötigt, auf ihre Präsenz verzichten. Nicht abschliessend geprüft zu werden braucht schliesslich, ob der Versicherte in der Lage wäre, selbständig einen Haushalt zu führen. So oder anders nicht bundesrechtswidrig ist jedenfalls die Erwägung der Vorinstanz, ihm sei eine Beteiligung an der Haushaltsführung zuzumuten, so dass es dem Ehepaar insgesamt möglich und zumutbar wäre, die Tätigkeit der Haushaltsführung neben einer vollen Erwerbstätigkeit der Ehefrau zu bewältigen. Daran vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Verlaufsbericht für berufliche Integration/Rente vom 15. November 2017 (recte: 27. November 2017) nichts zu ändern. Die Vorinstanz verletzte kein Bundesrecht, als sie in Kenntnis dieses Berichts und unter Hinweis auf ihr Urteil vom 4. Dezember 2018 (betreffend den Anspruch auf Hilflosenentschädigung) eine Hilflosigkeit hinsichtlich verschiedener alltäglicher Lebensverrichtungen verneinte.  
 
4.2. Vorinstanz und Verwaltung gingen im Weiteren davon aus, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers bei einer vollzeitlichen Erwerbstätigkeit ein Einkommen von Fr. 36'000.- pro Jahr erzielen könnte. Dieser Wert liegt weit unter dem Tabellenlohn der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) und sogar unter dem auf ein vollzeitliches Arbeitspensum umgerechneten, zuletzt von der Ehefrau des Beschwerdeführers tatsächlich erzielten Verdienst. Damit zielt die Argumentation des Beschwerdeführers, seine Ehefrau sei nicht in der Lage, ein Einkommen in der Höhe des Tabellenlohns zu erwirtschaften, ins Leere. Demzufolge ist seine Beschwerde abzuweisen.  
 
5.  
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. September 2022 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold