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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_33/2009 /hum 
 
Urteil vom 25. Februar 2009 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Ferrari, Mathys, 
Gerichtsschreiberin Binz. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Brunner, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Verwahrungsüberprüfung, 
 
Beschwerde gegen den Sitzungsbeschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 15. Dezember 2008 und gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, 
vom 1. Oktober 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, verurteilte X.________ mit Urteil vom 9. März 2004 des Fahrens im angetrunkenen Zustand und bestrafte ihn mit einer Gefängnisstrafe von 4 ½ Monaten. Es ordnete die Verwahrung an und schob den Vollzug der Gefängnisstrafe auf (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 2 Abs. 1 aStGB). Der Justizvollzug des Kantons Zürich, Sonderdienst, ordnete mit Verfügung vom 30. November 2004 die Einweisung in die Strafanstalt Pöschwies an. 
 
B. 
Der Sonderdienst überwies am 12. März 2007 dem Obergericht die Vollzugsakten zur Überprüfung der altrechtlichen Verwahrung (Ziff. 2 Abs. 2 der Schlussbestimmungen der Änderung des Strafgesetzbuches vom 13. Dezember 2002, nachfolgend SchlBestStGB). Anlässlich des Überprüfungsverfahrens stellte X.________ ein (erstes) Haftentlassungsgesuch, auf welches das Obergericht mit Beschluss vom 12. Juni 2008 nicht eintrat. Es überwies das Gesuch dem Sonderdienst und sistierte das Verfahren bis zum Entscheid über das Entlassungsgesuch. Der Sonderdienst wies das Gesuch mit Verfügung vom 1. Juli 2008 ab. 
Das Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, trat am 1. Oktober 2008 infolge fehlender Zuständigkeit auf ein zweites Haftentlassungsgesuch von X.________ nicht ein. Es hob die Sistierung des Verfahrens betreffend Verwahrungsüberprüfung auf und beschloss, die Verwahrung nach neuem Recht weiterzuführen. Die von X.________ dagegen erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Sitzungsbeschluss vom 15. Dezember 2008 ab. 
Der Sonderdienst wies mit Verfügung vom 7. Oktober 2008 ein von X.________ gestelltes Gesuch um bedingte Entlassung ab. Ein dagegen erhobener Rekurs ist bei der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich hängig. 
 
C. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, der Beschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 15. Dezember 2008 sei vollumfänglich, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 1. Oktober 2008 mit Bezug auf Ziff. 2 (Nichteintreten auf Haftentlassungsgesuch) aufzuheben. Die Sache sei an das Obergericht des Kantons Zürich zurückzuweisen mit der Anweisung, die Rechtmässigkeit der Freiheitsentziehung in einem gerichtlichen Verfahren im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK zu überprüfen. X.________ beantragt, die Beschwerde sei im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK beschleunigt zu behandeln. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der angefochtene Beschluss des Kassationsgerichts ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in Strafsachen, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 BGG). Die Mitanfechtung des obergerichtlichen Entscheids ist zulässig, da die Kognition des Zürcher Kassationsgerichts enger ist als diejenige des Bundesgerichts (Art. 100 Abs. 6 BGG). 
 
2. 
Am 1. Januar 2007 sind der revidierte Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches (Erstes Buch) und die revidierten Bestimmungen über die Einführung und Anwendung des Gesetzes (Drittes Buch) gemäss Gesetzen vom 13. Dezember 2002 bzw. vom 24. März 2006 in Kraft getreten. Die Revision betrifft namentlich das Sanktionensystem. 
Bei altrechtlich Verwahrten im Sinne von Art. 42 oder 43 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB hat das Gericht nach Ziff. 2 Abs. 2 SchlBestStGB (in der Fassung vom 24. März 2006; in Kraft getreten am 1. Januar 2007) innerhalb von 12 Monaten nach Inkrafttreten des neuen Rechts zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine therapeutische Massnahme nach Art. 59-61 oder Art. 63 StGB erfüllt sind. Ist dies der Fall, so ordnet das Gericht die entsprechende Massnahme an; andernfalls wird die Verwahrung nach neuem Recht weitergeführt. 
Die unter der Herrschaft des alten Rechts angeordneten Verwahrungen eines Gewohnheitsverbrechers im Sinne von Art. 42 aStGB oder eines gefährlichen psychisch abnormen Täters im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB werden nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts weitergeführt, falls die Anordnung einer therapeutischen Massnahme nach Art. 59-61 oder 63 StGB mangels Vorliegen der diesbezüglichen Voraussetzungen ausser Betracht fällt. Dies gilt auch, wenn die neurechtlichen Voraussetzungen einer Verwahrung im Sinne von Art. 64 StGB nicht erfüllt sind (BGE 6B_144/2008 vom 9. September 2008 E. 1.1.1). 
 
3. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf gerichtliche Haftprüfung im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK, indem die beiden Vorinstanzen das Haftentlassungsgesuch nicht materiell behandelten. Soweit dies selbständige Bedeutung habe, sei auch sein Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verletzt. 
 
3.1 Der allgemeine Grundsatz nach Art. 56 Abs. 6 StGB - wonach eine Massnahme, soweit ihre Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind, aufzuheben ist - findet seine Konkretisierung unter anderem in Art. 64a StGB. Danach wird der Täter aus der Verwahrung bedingt entlassen, sobald zu erwarten ist, dass er sich in der Freiheit bewährt. Gestützt auf Art. 64b Abs. 1 lit. a StGB prüft die zuständige Behörde, auf Gesuch hin oder von Amtes wegen, mindestens einmal jährlich, und erstmals nach Ablauf von zwei Jahren, ob und wann der Täter aus der Verwahrung bedingt entlassen werden kann. 
Jede Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, hat das Recht zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs entscheidet und ihre Entlassung anordnet, wenn der Freiheitsentzug nicht rechtmässig ist (Art. 5 Ziff. 4 EMRK). Dieser Anspruch auf Haftkontrolle ist durch die Prüfung der bedingten Entlassung aus der Verwahrung gewährleistet. Über die bedingte Entlassung ist nicht in dem in Ziff. 2 Abs. 2 SchlBestStGB geregelten gerichtlichen Überprüfungsverfahren zu befinden. In diesem Verfahren hat das Gericht einzig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine therapeutische Massnahme erfüllt sind, und gegebenenfalls diese anzuordnen; andernfalls wird die Verwahrung nach neuem Recht weitergeführt. Über die bedingte Entlassung aus der altrechtlichen Verwahrung hat nach Art. 64b StGB - wie übrigens auch nach altem Recht (Art. 45 aStGB) - die zuständige Behörde zu entscheiden (Urteil 6B_103/2008 vom 9. Oktober 2008 E. 2.4; Urteil 1P.382/2004 vom 28. Juli 2004 E. 2.3.2, in: Pra 2005 Nr. 2 S. 5). 
 
3.2 Das Kassationsgericht führt aus, der Beschwerdeführer strebe eine gerichtliche Entscheidung im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK darüber an, ob die Verwahrungsmassnahme nach Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen des Allgemeinen Teils des StGB noch eine gesetzliche Grundlage habe oder nicht. Gemäss der Feststellung des Obergerichts habe sich die Sachlage seit Anordnung der Verwahrung nicht verändert. Das Obergericht habe sich nicht zu der für die Weiterführung der Verwahrung geforderten Gefahr für die Öffentlichkeit geäussert, sondern sei von der Zuständigkeit der Vollzugsbehörden ausgegangen. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung genüge der nach Art. 64a f. StGB geltende Instanzenzug den Anforderungen an Art. 5 Ziff. 4 EMRK. Demnach habe das Obergericht den Anspruch von Art. 5 Ziff. 4 EMRK nicht verletzt, indem es seine Zuständigkeit verneint habe. 
 
3.3 Der Beschwerdeführer bringt vor, gemäss Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sei für die Haftprüfung eine Behandlungsdauer von mehr als sechs Wochen bis zum gerichtlichen Entscheid von vornherein nicht mit dem Beschleunigungsgebot von Art. 5 Ziff. 4 EMRK vereinbar. Es sei illusorisch anzunehmen, dass das im Kanton Zürich einzuschlagende Verfahren nach Art. 64b StGB innerhalb von sechs Wochen mit einem gerichtlichen Entscheid abgeschlossen werden könne. Das Bundesgericht habe entschieden (Urteil 1P.382/2004 a.a.O.), dass der Anspruch auf Haftkontrolle in regelmässigen Abständen durch die von Amtes wegen zu erfolgende Prüfung der bedingten bzw. probeweisen Entlassung aus dem Massnahmevollzug (Art. 45 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB) gewährleistet sei. Diese Rechtsauffassung verkenne den Garantiegehalt von Art. 5 Ziff. 4 EMRK, wonach nicht nur ein Anspruch auf gerichtliche Prüfung, sondern auch auf direkte Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens bestehe. Zwar garantiere Art. 5 Ziff. 4 EMRK kein "jederzeitiges" Haftprüfungsverfahren. Im vorliegenden Fall betrage aber das Zeitintervall bald 5 Jahre. Die innerstaatliche Regelung von Art. 64a f. StGB stehe im Widerspruch zum qualifizierten Beschleunigungsgebot von Art. 5 Ziff. 4 EMRK und lasse sich nicht mit der diesbezüglichen Rechtsprechung des EGMR vereinbaren. Im Weiteren macht der Beschwerdeführer geltend, dass bei ihm keine hinreichende Rückfallgefahr im Sinne der neuen Art. 64 ff. StGB bestehe und deshalb die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Verwahrung nicht mehr gegeben seien. 
 
3.4 Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, eine Verletzung von Art. 5 Ziff. 4 EMRK zu begründen. Angesichts der festgestellten unveränderten tatsächlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ist der Grund für die Weiterführung der Verwahrung nach neuem Recht nicht weggefallen (s. BGE 6B_144/2008 a.a.O). Der diesbezügliche Einwand des Beschwerdeführers erweist sich als unbehelflich. 
Weiter genügt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung das Verfahren nach Art. 64a f. StGB dem Anspruch auf Haftprüfung nach Art. 5 Ziff. 4 EMRK (s. E. 3.1 hiervor). Bereits nach altem Recht bestand bei rechtskräftiger gerichtlicher Verurteilung und Anordnung einer stationären Massnahme kein Anspruch auf jederzeitige Anrufung des Haftrichters (Urteil 1P.382/2004 a.a.O.). Wie das Kassationsgericht zutreffend ausführt, gilt dies auch für das neue Recht, zumal dieses im Gegensatz zum bisherigen Recht neben der Prüfung von Amtes wegen das jederzeitige eigene Gesuchsrecht des Betroffenen erwähnt (Urteil 6B_103/2008 a.a.O.). Der Beschwerdeführer hat sein erstes Haftentlassungsgesuch am 21. Mai 2008 eingereicht und die Verfügung des Sonderdiensts nicht mittels Rekurs angefochten. Der Rekurs des Beschwerdeführers gegen die Abweisung seines (zweiten) Gesuchs um bedingte Entlassung ist zurzeit bei der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich hängig. Nach dem Gesagten ist der Rechtsschutz nach Art. 5 Ziff. 4 EMRK gewahrt. 
Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör erweist sich von vornherein als unbehelflich. Anlässlich des (zweiten) Haftentlassungsgesuches hat der Beschwerdeführer auf nochmalige Anhörung verzichtet (s. OG act. 53 Ziff. 16). Im Übrigen fehlt eine rechtsgenügende Begründung der Rüge (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
4. 
Demgemäss ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Rechtsbegehren des Beschwerdeführers erschienen von vornherein aussichtslos, weshalb sein Ersuchen um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist. Seiner finanziellen Lage ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kassationsgericht des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 25. Februar 2009 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Favre Binz