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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_555/2023 / 6B_556/2023  
 
 
Urteil vom 12. Juni 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Gerichtsschreiberin Frey Krieger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Maurerstrasse 2, 8510 Frauenfeld, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (Amtsmissbrauch/schwere Körperverletzung); Nichteintreten, 
 
Beschwerden gegen die Entscheide des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 23. Februar 2023 (SW.2022.120/SW.2022.121). 
 
 
Das präsidierende Mitglied zieht in Erwägung:  
 
1.  
 
1.1. Mit Verfügung vom 14. Dezember 2022 nahm die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen eine vom Beschwerdeführer gegen B.________ wegen Amtsmissbrauchs und gegen die C.________ AG wegen schwerer Körperverletzung angestrengte Strafuntersuchung nicht an die Hand. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 23. Dezember 2022 Beschwerde. Zur Begründung führte er u.a. aus, es nicht zulassen zu können, dass die Staatsanwaltschaft die beanzeigte Person "reinwasche", zumal sie deren Amtsmissbrauch gedeckt habe; es habe kein "Bedürfnis" für eine Therapie oder eine medizinische Behandlung gegeben. In Bezug auf die C.________ AG machte er geltend, dass ihm die Ärzteschaft entgegen der Anweisung der KESB zwangsweise Substanzen verabreicht habe.  
Die Strafanzeige steht im Zusammenhang mit der von B.________ gegen den Beschwerdeführer am 22. Januar 2020 verfügten fürsorgerischen Unterbringung in der Klinik D.________. 
 
1.2. Die Vorinstanz hat die vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde in zwei separaten Verfahren behandelt (SW.2022.120 [insoweit die Nichtanhandnahmeverfügung den beanzeigten B.________ betrifft]; und SW.2022.121 [insoweit die Nichtanhandnahmeverfügung die beanzeigte C.________ AG betrifft]). Mit Entscheid vom 23. Februar 2023 hiess sie die Beschwerde im Verfahren SW.2022.120 gut, insoweit sie auf diese eintrat und wies die Sache zwecks weiterer Abklärungen zurück an die Staatsanwaltschaft. Mit Entscheid desselben Datums wies sie die Beschwerde im Verfahren SW.2022.121 ab, insoweit es auf diese eintrat.  
 
1.3. Der Beschwerdeführer wendet sich mit zwei Eingaben an das Bundesgericht. Einerseits mit einer "Beschwerde [betreffend das Verfahren SW.2022.120] gegen die Ankerkennung von Dr. E.________ als unabhängigen Gutachter". Damit einhergehend stellt er einen Strafantrag "an die Staatsanwaltschaft Thurgau gegen E.________, gefordert vor Bundesgericht". In der gegen den im Verfahren SW.2022.121 ergangenen Entscheid erhobenen Beschwerde macht er geltend, darlegen zu wollen, dass eine Untersuchung gegen die C.________ AG angebracht sei.  
 
 
2.  
Die vom Bundesgericht eröffneten Verfahren 6B_555/2023 und 6B_556/2023 sind zu vereinigen und in einem Entscheid zu erledigen. 
 
3.  
Zur Beschwerdeerhebung legitimiert ist ein Beschwerdeführer nur, wenn er durch den angefochtenen Entscheid beschwert ist und ein rechtlich geschütztes Interesse an dessen Aufhebung hat. Verlangt wird ein aktuelles Rechtsschutzinteresse. Ein solches liegt bei einer privaten Partei nur vor, wenn sich der angefochtene Entscheid zu deren Nachteil auswirkt oder auswirken könnte. Massgebend ist dabei das Dispositiv, nicht die Begründung. Auch wenn sich die Begründung allenfalls unvorteilhaft auszuwirken vermag, ist dadurch der Betroffene nicht beschwert, da die Urteilsmotive an der Rechtskraft des Entscheids nicht teilhaben (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG; NIKLAUS OBERHOLZER, in: Bundesgerichtsgesetz (BGG), 2. Aufl. 2015, N. 7 und 9 zu Art. 81 BGG). 
Die Vorinstanz hat die Beschwerde im Verfahren SW.2022.120 (die Nichtanhandnahmeverfügung B.________ betreffend) gutgeheissen und die Sache zur weiteren Abklärung an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer tut nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern er durch den zu seinen Gunsten ausgefallenen vorinstanzlichen Entscheid im Verfahren SW.2022.120 (B.________ betreffend) beschwert sein könnte. Dass in den Erwägungen auf ein von einem anderen Arzt erstelltes Gutachten Bezug genommen wird (angefochtener Entscheid S. 14), reicht hierfür nicht, selbst wenn sich wie erwähnt die Begründung allenfalls unvorteilhaft auszuwirken vermag. Im Übrigen war das vom Beschwerdeführer monierte Gutachten nicht in dem Sinne Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens, als dass dessen Inhalt zur Diskussion gestanden hätte, weshalb auf seine diesbezüglichen Vorbringen ohnehin nicht eingetreten werden könnte. 
Schliesslich handelt es sich beim angefochtenen Entscheid um einen Zwischenentscheid, der nur unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG direkt mit Beschwerde angefochten werden kann. Dass diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt wären, wird vom Beschwerdeführer weder dargetan noch ist dies ersichtlich. 
Festzuhalten bleibt, dass das Bundesgericht nicht zuständig ist für die Entgegennahme von Strafanzeigen. 
Die Beschwerde im Verfahren 6B_555/2023 erweist sich damit als offensichtlich unzulässig. Darauf ist im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten. 
 
4.  
In Bezug auf die C.________ AG ergibt sich Folgendes: 
 
4.1. Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt, wobei für die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich Anfechtung des Sachverhalts wegen Willkür) qualifizierte Begründungsanforderungen gelten (vgl. Art. 97 Abs. 1, Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
4.2. Der Privatklägerschaft wird ein rechtlich geschütztes Interesse an der Beschwerde zuerkannt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Als Zivilansprüche gelten solche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb eigentlich vor den Zivilgerichten durchgesetzt werden müssen. In erster Linie handelt es sich um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung nach Art. 41 ff. OR. Nicht in diese Kategorie gehören Ansprüche aus öffentlichem Recht, etwa Staatshaftungsrecht. Die Einstellung des Strafverfahrens bzw. die Nichtanhandnahme einer Untersuchung kann sich in diesem Fall nicht auf Zivilansprüche auswirken (vgl. BGE 146 IV 76 E. 3.1 mit Hinweisen; 131 I 455 E. 1.2.4; 128 IV 188 E. 2.2).  
Die Privatklägerschaft hat vor Bundesgericht darzulegen, dass die Legitimationsvoraussetzungen erfüllt sind, und unter Vorbehalt klarer, zweifelsfreier Fälle insbesondere zu erläutern, weshalb und inwiefern sich der angefochtene Entscheid im Ergebnis und aufgrund der Begründung negativ auf ihre Zivilansprüche auswirken kann (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Das Bundesgericht stellt an die Begründung strenge Anforderungen. Fehlt es daran, tritt es auf die Beschwerde nicht ein (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen). 
Ungeachtet der Legitimation in der Sache im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG kann die Privatklägerschaft mit Beschwerde in Strafsachen eine Verletzung ihrer Parteirechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind nur Rügen formeller Natur, die von der Prüfung der Sache getrennt werden können (sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen). Soweit ein verfassungsmässiger Anspruch auf Ausfällung der im Gesetz vorgesehenen Strafen besteht, kann sich der Privatkläger, der Opfer eines staatlichen Übergriffs geworden ist, nicht nur in verfahrensrechtlicher Hinsicht, sondern auch in der Sache selbst gegen eine Verfahrenseinstellung zur Wehr setzen. Die Rechtsprechung anerkennt gestützt auf Art. 10 Abs. 3 BV, Art. 3 und Art. 13 EMRK, Art. 7 UNO-Pakt II sowie Art. 13 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe einen Anspruch des Betroffenen auf wirksamen Rechtsschutz (BGE 141 IV 349 E. 3.4.2; 138 IV 86 E. 3.1.1; je mit Hinweisen). Anspruch auf eine wirksame und vertiefte amtliche Untersuchung hat namentlich, wer in vertretbarer Weise geltend macht, von einem Polizeibeamten misshandelt oder aber von einer Behörde erniedrigend behandelt worden zu sein. Um unter Art. 3 EMRK zu fallen, muss eine Behandlung ein Mindestmass an Schwere erreichen (vgl. Urteile 6B_15/2019 vom 15. Mai 2019 E. 2.7; 6B_507/2017 vom 8. September 2017 E. 2.3; 6B_764/2015 vom 6. Januar 2016 E. 1.2). 
 
4.3.  
 
4.3.1. Der Beschwerdeführer äussert sich vor Bundesgericht nicht zu seiner Legitimation als Privatkläger und zur Frage der Zivilforderungen. Weder benennt er konkrete Zivilforderungen, die ihm aufgrund der angeblichen Straftaten zustehen könnten, noch legt er dar, dass und inwiefern sich der abschliessende Entscheid der Vorinstanz über die Nichtanhandnahme auf allfällige Zivilansprüche auswirken könnte. Allfällige zivilrechtliche Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche sind aufgrund des angezeigten Lebenssachverhalts auch nicht ohne Weiteres ersichtlich.  
Der Beschwerdeführer zeigt auch nicht auf, dass und weshalb allfällige Ansprüche gegen Ärzte der Klinik D.________ respektive die beanzeigte C.________ AG zivilrechtlicher Natur sind. Es hätte am Beschwerdeführer gelegen, diese Zusammenhänge vor Bundesgericht darzutun. Ein Verzicht auf solche Ausführungen kommt nicht in Frage, da sich privatrechtliche Auswirkungen aufgrund der Vorwürfe und der Adressatin der Strafanzeige gerade nicht ohne Weiteres aus den Akten ergeben. Die Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung weist zwar einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Zivilrecht auf, jedoch handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Entscheid. Für allfällige Schadenersatzbegehren im Zusammenhang mit einer fürsorgerischen Unterbringung haftet der Kanton; gegen die Person, die den Schaden verursacht hat, steht der geschädigten Person kein Ersatzanspruch zu (Art. 454 Abs. 1 und 3 ZGB; vgl. Urteil 6B_119/2022 vom 11. April 2022 E. 5 mit weiteren Hinweisen; HAUSHEER/WEY, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl. 2018, N. 4a bis 8 und N. 36 ff. zu Art. 454 ZGB). 
 
4.3.2. Dem Beschwerdeführer gelingt es schliesslich auch nicht in vertretbarer Weise darzutun, Opfer staatlicher Gewalt geworden zu sein.  
 
4.3.3. Unter Bezugnahme auf das Anhörungsprotokoll der KESB erwägt die Vorinstanz, dass gemäss den damaligen Ausführungen des Oberarztes F.________ der Klinik D.________ eine medikamentöse Behandlung zwar als notwendig erachtet worden sei. Diese habe indes noch nicht durchgeführt werden können, da das Gefährdungspotential durch die Einweisung in die Klinik nicht mehr gegeben gewesen sei. Abgesehen davon habe die Beschwerde gegen die Zwangsmedikation aufschiebende Wirkung. Sodann habe der Beschwerdeführer selbst ausgeführt, er habe eine Medikation bis jetzt mit Stolz abgelehnt, fühle sich psychisch und physisch stabil wie immer und beobachte die Abläufe in dieser Klinik mit wachem Verstand. Sodann sei im Protokoll festgehalten worden, welche Medikamente gegen den Willen des Beschwerdeführers verordnet worden seien und sei er gefragt worden, weshalb er die Notwendigkeit der Einnahme dieser Medikamente anzweifle. Er habe geantwortet, es sei richtig, dass er keine Medikamente nehme und nicht nehmen wolle, weil er nicht krank sei. Mithin habe der Beschwerdeführer die Zustimmung zum Behandlungsplan im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung verweigert. Damit seien ihm gar keine Medikamente verabreicht worden, was er anlässlich der Anhörung denn auch nicht geltend gemacht habe.  
Mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht in einer den Begründungsanforderungen entsprechenden Form (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) auseinander. Mit seinen Hinweisen auf angebliche Ungereimtheiten in den ihm zur Verfügung gestellten Klinikakten und auf ein angebliches Zusammenwirken von verschiedenen Personen und Organisationen (Nachrichtendienst des Bundes [NDB], "Sonderregelung von missing and exploited children", Freimaurer-Loge) vermag er nicht in vertretbarer Weise darzutun, dass ihm in der Klinik D.________ heimlich (in den Kaffee gemischt) ein Nervengift verabreicht worden wäre, weswegen ihm alsdann eine Schizophrenie habe diagnostiziert bzw. damit er im Zuge einer Sonderregelung hätte "entsorgt" werden können. Auch wenn der Beschwerdeführer subjektiv von den von ihm geschilderten Übergriff überzeugt ist, ergeben sich dafür keine objektiven Anhaltspunkte. 
Rügen formeller Natur im Sinne der "Star-Praxis" erhebt der Beschwerdeführer nicht. Insofern er ein "Editionsbegehren betreffend benötigte Akten der C.________ AG" stellt, ist das Bundesgericht nicht zuständig 
Auch auf die Beschwerde im Verfahren 6B_556/2023 ist damit mangels tauglicher respektive mangels hinreichend begründeter Legitimation im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten. 
 
5.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das präsidierende Mitglied:  
 
1.  
Die Verfahren 6B_555/2023 und 6B_556/2023 werden vereinigt. 
 
2.  
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. Juni 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Frey Krieger