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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
B 50/05 
 
Urteil vom 10. November 2005 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Kernen und Seiler; Gerichtsschreiber Nussbaumer 
 
Parteien 
S.________, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Winterthur-Columna, Stiftung für die berufliche Vorsorge, Paulstrasse 9, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Weinfelden 
 
(Entscheid vom 16. März 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
S.________ war als Arbeitnehmer der Firma H.________ AG seit dem 1. Januar 1995 im Rahmen der beruflichen Vorsorge bei der Winterthur-Stiftung für die obligatorische berufliche Vorsorge (ab 1. Januar 1997 Winterthur-Columna, Stiftung für die berufliche Vorsorge) versichert. Am 7. Mai 1996 schloss er mit der Bank X.________ einen Vertrag über die Verpfändung von Vorsorgeguthaben und Ansprüchen aus Versicherungen ab und räumte der Bank ein Pfandrecht an sämtlichen gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüchen auf Vorsorgeleistungen gegenüber der Winterthur-Stiftung ein. Der Inhalt des Pfandvertrages wurde der Vorsorgeeinrichtung zur Kenntnis gebracht und von dieser am 17. Juli 1996 bestätigt. Am 12. November 2003 teilte S.________ der Winterthur-Columna mit, zufolge Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit sei ihm seine Freizügigkeitsleistung auf sein Privatkonto bei einer Bank zu überweisen. Die Frage, ob er verheiratet sei, beantwortete er mit "getrennt", anstatt eines der vorgesehenen Felder "ja" oder "nein" anzukreuzen. Die an diese Felder anschliessende Linie "Heiratsdatum (wenn verheiratet)" liess er leer. Mit Austrittsabrechnung vom 27. Februar 2004 teilte ihm die Winterthur-Columna mit, er habe Anspruch auf total Fr. 109'083.20. Dieser Betrag wurde ihm daraufhin ausbezahlt. 
 
Am 21. April 2004 erkundigte sich die Bank X.________ bei der Winterthur-Columna nach der aktuellen Höhe ihrer Pfandforderung. Die Winterthur-Columna teilte daraufhin der Bank am 27. April 2004 mit, dass sie den Betrag von Fr. 109'083.20 an S.________ ausbezahlt habe und dass sie vom Vorliegen der Zustimmung der Bank X.________ ausgegangen sei. Das Ersuchen der Winterthur-Columna um nachträgliche Erteilung der Zustimmung lehnte die Bank am 30. April 2004 ab. Daraufhin forderte die Winterthur-Columna von S.________ den ausbezahlten Betrag zurück. Dieser lehnte das Ansinnen der Vorsorgeeinrichtung mit Schreiben vom 5. Mai 2004 ab und erwähnte dabei, er habe mit dem Grossteil der ausbezahlten Summe eine Liegenschaft in Y.________ erworben. Daraufhin leitete die Winterthur-Columna am 17. Mai 2004 Betreibung gegen S.________ über den Betrag von Fr. 109'083.20 nebst Zins zu 5 % seit 1. März 2004 ein, worauf S.________ Rechtsvorschlag erhob. 
B. 
Die von der Winterthur-Columna am 19. August 2004 gegen S.________ eingereichte Klage hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau als Versicherungsgericht mit Entscheid vom 16. März 2005 über den Betrag von Fr. 109'083.20 zuzüglich Zins von 5 % seit 10. Mai 2004 gut und beseitigte in diesem Umfang den Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. ........ des Betreibungsamtes Z.________. 
C. 
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Klage der Winterthur-Columna abzuweisen. 
 
Die Winterthur-Columna und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2005 ist die 1. BVG-Revision gemäss Bundesgesetz vom 3. Oktober 2003 in Kraft getreten (AS 2004 1700). Mit Art. 35a BVG (in Verbindung mit Art. 49 Abs. 2 Ziff. 4 BVG) besteht nunmehr ab In-Kraft-Treten der Revision am 1. Januar 2005 für den Bereich der obligatorischen und weitergehenden beruflichen Vorsorge eine eigenständige gesetzliche Vorschrift für die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Leistungen. Weil jedoch in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 131 V 109 Erw. 1, 129 V 4 Erw. 1.2, 127 V 467 Erw. 1), sind angesichts der Ende Februar 2004 erfolgten Auszahlung, der am ........ 2004 eingeleiteten Betreibung und der am 19. August 2004 eingereichten Klage die neuen Bestimmungen nicht anwendbar (BGE 119 Ib 110 mit Hinweisen; SZS 2000 S. 154 Erw. 5b, B 33/97). 
2. 
Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts richtet sich der Rückforderungsanspruch der Vorsorgeeinrichtung bei Fehlen einer entsprechenden reglementarischen Bestimmung - für die Zeit bis zum In-Kraft-Treten der 1. BVG-Revision per 1. Januar 2005 - sowohl im Bereich der obligatorischen wie auch der weitergehenden Vorsorge nach den Art. 62 ff. OR (BGE 128 V 236; SZS 2004 S. 401 [B 87/00], vgl. auch BGE 128 V 50 und 115 V 115). Nach Art. 62 Abs. 1 OR hat die Bereicherung zurückzuerstatten, wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist. Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat (Abs. 2). Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann laut Art. 63 Abs. 1 OR das Geleistete nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat. Gemäss Art. 64 OR kann die Rückerstattung insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hiebei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste. Der Bereicherungsanspruch verjährt nach Art. 67 Abs. 1 OR mit Ablauf eines Jahres, nachdem der Verletzte von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs (dazu auch SZS 2004 S. 461). 
3. 
3.1 Aufgrund der Akten ist erstellt, dass die Vorsorgeeinrichtung dem Beschwerdeführer den Betrag von Fr. 109'083.20 ausbezahlt hat, obwohl die Austrittsleistung mit einem Pfandrecht belegt war und die Ehegattin des Beschwerdeführers der Barauszahlung nicht zugestimmt hatte. Ferner ist aufgrund der Akten fraglich, ob der Beschwerdeführer überhaupt eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufgenommen hat. Es macht den Anschein, dass er im Rahmen einer GmbH erwerbstätig und damit unselbstständig erwerbend war (ARV 2002 S. 116, 2000 Nr. 15 S. 72). Auf jeden Fall nahm die Beschwerdegegnerin die Barauszahlung ohne entsprechende Überprüfung der Angaben des Beschwerdeführers vor. Damit erfolgte die Barauszahlung in mehrfacher Hinsicht unrechtmässig und ohne jeden gültigen Grund (Art. 62 Abs. 2 OR; SZS 2004 S. 461 mit weiteren Hinweisen). So verletzt die ohne schriftliche Zustimmung der Ehefrau und des Pfandgläubigers vorgenommene Barauszahlung Art. 5 Abs. 2 FZG, Art. 30b BVG und Art. 9 Abs. 1 lit. a WEFV. Mit der unzulässigen Barauszahlung sind hinsichtlich des Bereicherungsanspruchs nach Art. 62 ff. OR die Voraussetzungen für die Rückerstattungspflicht erfüllt. Selbst wenn von einem Anwendungsfall des Art. 63 Abs. 1 OR ausgegangen wird, schadet der Beschwerdegegnerin die im Zusammenhang mit der Barauszahlung an den Tag gelegte Nachlässigkeit nicht, weil ihr Irrtum nicht entschuldbar zu sein braucht (BGE 129 III 650 Erw. 3.2; SZS 2004 S. 461; Gauch/Schluep/Schmid/Rey, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 7. Aufl. 1998 S. 330 Rz 1534). Ein Irrtum im Sinne von Art. 63 OR liegt selbst dann vor, wenn der Leistende den Irrtum hätte erkennen müssen (Hermann Schulin, Basler Kommentar, 3. Aufl., Rz 4 zu Art. 63 OR mit Hinweis auf BGE 64 II 129 f.). Es ist daher unerheblich, dass die Beschwerdegegnerin in mehrfacher Hinsicht ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist. So hat sie bei der Erneuerung des Anschlussvertrages die Verpfändung des Vorsorgeguthabens nicht vermerkt, die vom Beschwerdeführer nicht klar beantwortete Frage nach dem zivilrechtlichen Status und die geltend gemachte Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht überprüft sowie die Barauszahlung ohne Zustimmung der Ehefrau und ohne Beachtung der Verpfändung vorgenommen. Trotz diesem unsorgfältigen Verhalten kann nicht gesagt werden, noch bestehen aufgrund der Akten Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdegegnerin die Auszahlung der Austrittsleistung im Wissen vornahm, dem Beschwerdeführer nichts zu schulden (vgl. Art. 63 Abs. 2 OR). Wie das BSV übrigens in der Vernehmlassung zu Recht bemerkt, ist die Rückabwicklung der vorschriftswidrigen Barauszahlung im Verhältnis zwischen der Vorsorgeeinrichtung und dem unrechtmässig bereicherten Versicherten nach Art. 62 ff. OR und nicht nach Art. 97 OR und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu beurteilen. Das kantonale Gericht hat daher zu Recht den Rückforderungsanspruch der Beschwerdegegnerin bejaht. 
3.2 Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer den Betrag von Fr. 109'083.20 als Austrittsleistung bar ausbezahlt. Da das ganze Vorsorgeguthaben verpfändet war und da die Ehefrau einer Teilauszahlung nicht zugestimmt hat und über den ihr zustehenden Anteil noch nicht gerichtlich entschieden ist, muss das ganze Guthaben verfügbar bleiben. Der Beschwerdeführer ist deshalb im Umfang der ganzen Auszahlung ungerechtfertigt bereichert worden und angesichts des in Y.________ getätigten Hauskaufs immer noch bereichert. Abgesehen davon, war der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Barauszahlung Ende Februar 2004 nicht gutgläubig im Sinne von Art. 64 OR (dazu BGE 116 II 692 Erw. 3b/bb in fine mit Hinweisen). Namentlich hatte er den Pfandvertrag unterschrieben, worin er der Bank X.________ ein Pfandrecht an "sämtlichen gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüchen auf Vorsorgeleistungen und den Betrag bis zur Höhe seiner Freizügigkeitsleistung (Vorsorgekapital) nach Art. 331d OR" gegenüber der Beschwerdegegnerin einräumte. Er wusste oder musste zumindest von der Verpfändung wissen. Die Zahlung in Höhe von Fr. 7000.- an die Ehefrau erfolgte ebenfalls nicht gutgläubig, zumal zu diesem Zeitpunkt die Beschwerdegegnerin bereits mit eingeschriebenem Brief vom 30. April 2004 die Rückzahlung der Austrittsleistung forderte. Zudem hat das kantonale Gericht zu Recht festgestellt, dass der Beschwerdeführer aufgrund der statutarischen und gesetzlichen Rechtslage auch wissen musste, dass für die Auszahlung der Austrittsleistung die Zustimmung der Ehefrau erforderlich war. Ihm musste dies auch deshalb klar sein, weil seine Ehefrau den Pfandvertrag mitunterzeichnen musste (vgl. Art. 30c Abs. 5 BVG). 
3.3 Nach dem Gesagten hat das kantonale Gericht zu Recht die Klage im Umfang von Fr. 109'083.20 gutgeheissen. Daran ändern sämtliche Einwendungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts. Der Beschwerdeführer ist unrechtmässig bereichert, weil die Beschwerdegegnerin ungehörigerweise und unter den gegebenen Umständen nicht mit befreiender Wirkung an ihn erfüllt hat. Die Rückforderung richtet sich einzig nach den Art. 62 ff. OR, welche Voraussetzungen im vorliegenden Fall nach dem Ausgeführten erfüllt sind. Dabei ist unerheblich, ob der Irrtum oder die Fahrlässigkeit der Beschwerdegegnerin entschuldbar ist oder nicht (SZS 2004 S. 461). Dass der Beschwerdeführer nicht Partei des Anschlussvertrages gewesen ist und ob und auf welche Weise Pfandrechte vermerkt werden, ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, da dies nichts daran ändert, dass die Auszahlung der Austrittsleistung unrechtmässig sowie ohne Grund erfolgte und der Beschwerdeführer noch bereichert ist. 
4. 
Da es sich bei der vorliegenden Streitsache um einen Prozess um Versicherungsleistungen handelt, ist das Verfahren nach Art. 134 OG kostenlos. Die obsiegende und nicht vertretene Vorsorgeeinrichtung hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (BGE 126 V 143). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, als Versicherungsgericht, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 10. November 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: