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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_555/2018  
 
 
Urteil vom 11. September 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Advokat Peter Jossen, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis, Zentrales Amt, Postfach, 1950 Sitten 2, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einfache Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand, Raufhandel; Beweiswürdigung, in dubio pro reo, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis, I. Strafrechtliche Abteilung, vom 13. April 2018 (P1 16 89). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 16. September 2016 verurteilte das Bezirksgericht Visp X.________ wegen einfacher Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand sowie Raufhandels zu 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit bedingt. Hinsichtlich des Vorwurfs der einfachen Körperverletzung stellte es das Verfahren ein. Auf seine Berufung sowie Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft hin erhöhte das Kantonsgericht Wallis die bedingte Strafe am 13. April 2018 auf 360 Stunden. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, er sei freizusprechen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer rügt die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung. Er bestreitet eine aktive Beteiligung an der tätlichen Auseinandersetzung. 
 
1.1. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich, ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 141 IV 317 E. 5.4 S. 324; 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253). Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht. Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 141 IV 305 E. 1.2 S. 308 mit Hinweisen). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel kommt im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 138 V 74 E. 7 mit Hinweisen). Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sogenannte innere Tatsachen und ist Tatfrage. Als solche prüft sie das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür (Art. 9 BV; Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 141 IV 369 E. 6.3 S. 375 mit Hinweisen; Urteil 6B_804/2017 vom 23. Mai 2018 E. 2.2.3, zur Publikation bestimmt).  
 
1.2. Die Vorinstanz stützt sich auf Bildsequenzen einer Videokamera sowie auf Beteiligtenaussagen. Daraus sei ersichtlich, dass in der Nacht vom 4. auf den 5. Januar 2012 um ca. 03:20 Uhr ein Rencontre zwischen den Personengruppen stattgefunden habe. Der Beschwerdeführer habe zunächst mit einer Person namens A.________ diskutiert. Er habe als "Auswärtiger" die gegnerische Gruppe provoziert, indem er seine Jacke ausgezogen und sich breitbeinig dargestellt habe. Alsdann sei er in die Gruppe eingedrungen und habe sich demonstrativ an eine Brüstung gelehnt. Als er sich wieder aus der Menschentraube gelöst habe, sei ihm ein Mitglied der gegnerischen Gruppe, B.________, gegenübergestanden, welcher aber zur Seite hin ausgewichen sei. Hierauf habe der Beschwerdeführer gemäss Videoaufzeichnung in einer Rückwärtsdrehung einen wuchtigen Schlag mit gestrecktem Arm gegen den Kopf von B.________ ausgeführt. Dann sei er von zwei Personen verfolgt und von einer getreten worden. In der Endphase der Auseinandersetzung habe der von seinen Kollegen nicht zu bändigende Beschwerdeführer seinen Gürtel ergriffen und damit - gemäss dessen Aussage - ein Mitglied der gegnerischen Gruppe, C.________, am Kopf getroffen.  
 
1.3.  
 
1.3.1. Der Vorwurf der einfachen Körperverletzung durch einen Faustschlag des Beschwerdeführers gegen B.________ zu Beginn der tätlichen Auseinandersetzung bildet angesichts der diesbezüglich rechtskräftigen Verfahrenseinstellung durch die erste Instanz nicht Gegenstand des Verfahrens. Auf die Ausführungen von Vorinstanz und Beschwerdeführer braucht nicht eingegangen zu werden.  
 
1.3.2. Hingegen ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz als erstellt erachtet, dass der Beschwerdeführer gegen Ende der Auseinandersetzung (ebenfalls) seinen Gürtel behändigt und damit zugeschlagen hat. Der dabei Verletzte, C.________, dessen Aussagen sie nachvollziehbar als glaubhaft beurteilt, hat den Beschwerdeführer gegenüber der Polizei noch am Tattag als Täter identifiziert. Dass er diese Aussage Jahre später nicht mehr bestätigen konnte, mindert deren Beweiskraft ebenso wenig wie eine allfällige Vorstrafe, zumal kein Motiv für eine Falschbezichtigung ersichtlich oder dargetan ist und niemand anderes aus der Gruppe des Zuschlagens mit einem Gürtel beschuldigt wurde. Dieses erscheint nicht zuletzt angesichts der Aussage von B.________, welcher zuvor den Beschwerdeführer mit einem Gürtel angegriffen, aber den dazwischen gegangenen D.________ am Kopf getroffen hatte, plausibel. Demnach habe der Beschwerdeführer ihn mit dem Gürtel schlagen wollen, aber stattdessen C.________ getroffen. Die Vorinstanz verfällt nicht in Willkür, wenn sie eine Dritttäterschaft ausschliesst und erwägt, C.________ sei nicht irrtümlich von einem (geschwungenen) Gürtel eines Mitglieds der eigenen Gruppe getroffen worden. Daran ändert nichts, dass keiner der Mitstreiter des Beschwerdeführers sein Zuschlagen gesehen hat. Auch, dass er seinerseits Strafanzeige erstattete, vermag den Beschwerdeführer insoweit nicht zu entlasten.  
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt, der Tatbestand des Raufhandels sowie der einfachen Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand seien nicht erfüllt. Ausserdem habe er in Notwehr bzw. Notstand gehandelt. 
 
2.1.  
 
2.1.1. Wer sich an einem Raufhandel beteiligt, der den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen zur Folge hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 133 Abs. 1 StGB). Nicht strafbar ist, wer ausschliesslich abwehrt oder die Streitenden scheidet (Art. 133 Abs. 2 StGB). Raufhandel ist die tätliche, wechselseitige Auseinandersetzung zwischen mindestens drei Personen. Die Beteiligung muss eine aktive sein; das passive Einstecken von Schlägen genügt nicht (Urteil 6B_82/2016 vom 3. Juni 2016 E. 2.1 mit Hinweisen). Der Raufhandel ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, obschon ein Erfolg eintreten muss (BGE 141 IV 454 E. 2.3.2 S. 457, 139 IV 168 E. 1.1.1 S. 170; Urteil 6B_375/2017 vom 14. September 2017 E. 2.2; je mit Hinweisen).  
Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer als schwerer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Die Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, und der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er Gift, eine Waffe oder einen gefährlichen Gegenstand gebraucht (Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 StGB). Ob ein Gegenstand gefährlich ist, hängt von der konkreten Art seiner Verwendung ab. Dies ist der Fall, wenn die Gefahr einer schweren Körperverletzung besteht (BGE 111 IV 123 E. 4; 101 IV 285). Ein gefährlicher Gegenstand lag nach der Rechtsprechung etwa bei einem gezielt aus ca. vier Metern gegen den Kopf eines Menschen geschleuderten Bierglas vor. Die neuere Rechtsprechung bejahte eine einfache Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand beim Wurf eines rund 10 cm grossen Cocktailglases gegen den Kopf einer Person, wodurch diese am Kopf unter den Haaren eine oberflächliche Verletzung erlitt. Zu berücksichtigen war dabei, dass das Glas im Gesicht des Opfers, in unmittelbarer Nähe der Augen, hätte zerbrechen können (Urteil 6B_181/2017 vom 30. Juni 2017 E. 2.2 mit Hinweisen). 
 
2.1.2. Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren (Art. 15 StGB).  
Nach Art. 17 StGB handelt rechtmässig, wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt (rechtfertigender Notstand). Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben (entschuldbarer Notstand; Art. 18 Abs. 1 StGB). War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft (Abs. 2). 
 
2.2.  
 
2.2.1. Nach dem zum Sachverhalt Gesagten ist erstellt (Art. 105 BGG), dass der Beschwerdeführer aktiv in eine tätliche Auseinandersetzung zwischen mindestens drei Personen eingegriffen hat und dass dabei mehrere Personen verletzt wurden. Die Vorinstanz bejaht den objektiven Tatbestand des Raufhandels zu Recht. Dies gilt ebenso in subjektiver Hinsicht. Der Beschwerdeführer war sich bei seinem Eingreifen unbestrittenermassen bewusst, dass bereits jemand verletzt worden war. Dieses Eingreifen muss zudem wissentlich und willentlich erfolgt sein. Die Vorinstanz verletzt ferner kein Bundesrecht, wenn sie auch den Tatbestand der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 StGB bejaht. Der Beschwerdeführer hat seinen Gürtel um die Hand gewickelt und derart als Waffe eingesetzt, um die Schlagkraft zu erhöhen resp. die Hand zu schützen. Er hat gegen das Gesicht von C.________ geschlagen und ihn - augenscheinlich mit der metallenen Schnalle - oberhalb des Auges getroffen, wobei eine Narbe zurückblieb (act. 13). Der Schlag war daher geeignet eine schwere Körperverletzung im Gesicht des Getroffenen zu verursachen, was dem Beschwerdeführer aufgrund seiner eigenen sowie der von D.________ erlittenen Verletzungen zweifellos bewusst war und er nach willkürfreier Feststellung der Vorinstanz mindestens in Kauf genommen hat. Er bringt nichts vor, was ihre Rechtsauffassung als bundesrechtswidrig erscheinen liesse. Zwischen den Tatbeständen des Raufhandels und den Körperverletzungsdelikten besteht zudem echte Konkurrenz, weil beim Raufhandel nicht nur die verletzte Person, sondern alle Beteiligten und auch Dritte zumindest abstrakt gefährdet werden (STEFAN MAEDER, in Basler Kommentar, Strafrecht II, 3. Aufl. 2013, N. 33 zu Art. 133 StGB; BGE 118 IV 227 E. 56 S. 229; 139 IV 168 E. 1.1.4 S. 173).  
 
2.2.2. Soweit der Beschwerdeführer hinsichtlich des Zuschlagens mit dem Gürtel eine Notwehrsituation geltend macht, gehen seine Ausführungen an der Sache vorbei. Er bezieht sich dabei offensichtlich auf den Beginn der Auseinandersetzung, wenn er vorbringt, er sei von der gegnerischen Gruppe umringt und mit Gürteln bedroht resp. geschlagen worden. Ob in diesem Zeitpunkt eine Notwehrsituation bestand, braucht nicht geprüft zu werden, vermag den Beschwerdeführer aber mit Bezug auf das inkriminierte Verhalten am Ende des Rencontre nicht zu entlasten. Die Vorinstanz stellt gestützt auf die Videoaufzeichnung und die Beteiligtenaussagen insoweit willkürfrei fest, dass dannzumal weder für ihn noch für D.________ eine Gefahr bestand. Sie erwägt, der Beschwerdeführer, welcher unbestrittenermassen seinen Gürtel behändigt hatte, sei von seinen Kollegen nicht zu bändigen gewesen und habe die andere Gruppe verfolgt. Zwei Damen aus der eigenen Gruppe hätten D.________ erfolgreich gegen weitere Angriffe abgeschirmt, was dieser bestätigt habe. Die Vorinstanz verneint zu diesem Zeitpunkt sowohl eine Notwehrlage als auch eine Notwehrhandlung zu Recht. Dies gilt ebenso für einen Notstand, wobei eine Rechtfertigung überdies an der fehlenden Höherwertigkeit des geschützten Interesses scheitert.  
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Wallis, I. Strafrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 11. September 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt