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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_843/2015  
{T 0/2}  
   
   
 
 
 
Urteil vom 26. Februar 2016  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiber Krähenbühl. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG, 
Rechtsdienst, Generaldirektion Schweiz, 
Postfach, 8085 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Christen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (unfallähnliche Körperschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 3. November 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ (Jg. 1959), Krankenschwester im Wohnheim B.________, war bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG gegen Unfall versichert, als sie am 16. Januar 2014 bei einer Skiabfahrt im Tiefschnee in einer Kurve ihr rechtes Knie überdrehte und daraufhin ein Instabilitätsgefühl verspürte. Laut Erstdiagnose im Spital C.________ vom selben Tag zog sie sich eine Kniedistorsion rechts sowie eine Subluxation der Patella rechts mit spontaner Reposition zu. Die Zürich verneinte ihre Leistungspflicht mit Verfügung vom 5. Mai 2014, weil weder ein Unfall noch eine unfallähnliche Körperschädigung vorliege. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 13. Januar 2015 fest. 
 
B.   
In Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den angefochtenen Einspracheentscheid vom 13. Januar 2015 mit Entscheid vom 3. November 2015 auf und stellte fest, dass die Zürich für das Ereignis vom 16. Januar 2014 die gesetzlichen Leistungen zu erbringen habe. 
 
C.   
Die Zürich führt Beschwerde vor Bundesgericht mit dem Begehren, unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides sei ihr Einspracheentscheid vom 13. Januar 2015 zu bestätigen. 
A.________ und das kantonale Gericht sehen ohne weitere Ausführungen zur Sache von einer Stellungnahme ab und schliessen - die Vorinstanz sinngemäss - auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder der Unfallversicherung ist das Bundesgericht - anders als in den übrigen Sozialversicherungsbereichen (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG) - nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
Das Gericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Es prüft indessen - unter Beachtung der Begründungspflicht in Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254), und ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, auch wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr aufgeworfen werden. 
 
2.  
 
2.1. Einig sind sich Parteien und Vorinstanz darin, dass die Versicherte am 16. Januar 2014 keinen eigentlichen Unfall nach Art. 4 ATSG (in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 und 3 sowie Art. 7 und 8 UVG) erlitten hat, weil es nicht zur schädigenden Einwirkung eines äusseren Faktors auf den Körper gekommen ist, welcher als ungewöhnlich zu qualifizieren wäre. Damit fehlt es an einer für die Erfüllung des Unfallbegriffes unabdingbaren Voraussetzung. Eine Leistungspflicht der Unfallversicherung fällt deshalb nur in Betracht, wenn sich die heutige Beschwerdegegnerin an diesem Tag eine unfallähnliche Körperschädigung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV zugezogen hat.  
 
2.2. Die zu dieser Verordnungsbestimmung (Art. 9 Abs. 2 UVV) ergangene Rechtsprechung (vgl. BGE 139 V 327 E. 3.3.1 S. 329, 129 V 466 E. 2 und 4 S. 467 ff.; Urteil 8C_610/2015 vom 11. Januar 2016 E. 3, je mit Hinweisen) hat das kantonale Gericht zutreffend wiedergegeben, worauf verwiesen wird.  
 
2.3. Von keiner Seite in Frage gestellt wird, dass die erlittenen Verletzungen (Kniedistorsion rechts, Subluxation der rechten Kniescheibe sowie Partialruptur des vorderen Kreuzbandes) unter die in Art. 9 Abs. 2 lit. a bis h UVV abschliessend aufgelisteten unfallähnlichen Körperschädigungen fallen. Mangels diesbezüglicher Rügen wird darauf nicht zurückgekommen.  
 
2.4. Eine Leistungspflicht des Unfallversicherers ist jedoch - auch wenn einer der in Art. 9 Abs. 2 lit. a bis h UVV unter dem Titel "unfallähnliche Schädigungen" aufgeführten Befunde erhoben wird - nur gegeben, wenn die Verletzung, wie in Art. 4 ATSG vorgesehen, auf eine plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines äusseren Faktors zurückzuführen ist. Bei den unfallähnlichen Körperschädigungen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV entfällt im Vergleich zu den eigentlichen Unfällen nach Art. 4 ATSG einzig das Tatbestandselement der Ungewöhnlichkeit des auf den Körper einwirkenden äusseren Faktors (BGE 139 V 327 E. 3.1 S. 328, 123 V 43 E. 2b S. 44 f.). Alle übrigen Begriffsmerkmale eines Unfalles müssen hingegen - wie das kantonale Gericht unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung richtig festgehalten hat - auch bei unfallähnlichen Körperschädigungen erfüllt sein.  
 
3.  
 
3.1. In Anlehnung an die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze hat das kantonale Gericht erwogen, zwar könne dem Skifahren trotz erhöhter Gefahrenlage nicht generell ein gesteigertes Gefährdungspotenzial zugesprochen werden, sei in der Regel doch ein mehr oder weniger gleichmässiger Bewegungsablauf erforderlich, der sich noch im Rahmen physiologisch normaler und psychologisch beherrschter Beanspruchung des Körpers halte. Gemäss glaubhaften und unbestrittenen Angaben sei die Beschwerdegegnerin indessen durch zum Teil schweren Tiefschnee gefahren, womit ein äusseres Moment hinzugetreten sei, das zur Unkontrolliertheit einer Körperbewegung führen konnte. Beim Drehen in der Kurve habe sich die Körperlage verändert, was durch den unerwartet schweren Tiefschnee gestört wurde, indem dieser die Drehung der Skis und damit auch der Unterschenkel verunmöglichte oder zumindest behinderte. Es sei naheliegend, dass dabei nicht unerhebliche Kräfte auf das Kniegelenk wirken konnten. Indem es unter anderem zu einer Partialruptur des vorderen Kreuzbandes kam, habe sich das vorhandene Gefährdungspotenzial realisiert. Die Einwirkung eines äusseren Faktors im Sinne eines Geschehens mit einem gewissen gesteigerten Gefährdungspotenzial sei daher hier zu bejahen. Ebenso sei ein unmittelbares, einmaliges und plötzliches Geschehen ausgewiesen. Daraus hat die Vorinstanz geschlossen, dass die Knieverletzung der Beschwerdegegnerin durch eine unfallähnliche Körperschädigung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV verursacht worden sei, für deren Folgen der Unfallversicherer einzustehen habe.  
 
3.2. Diese Betrachtungsweise vermag zu überzeugen. Namentlich ist sie nicht bundesrechtswidrig. So hat das seinerzeitige Eidgenössische Versicherungsgericht (seit 1. Januar 2007: I. und II. sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) bereits im Urteil U 223/2005 vom 27. Oktober 2005 eine von einem beruflich als Skilehrer tätigen Versicherten beim Carving-Fahren in einer Kurve erlittene Bandläsion am Knie als unfallähnliche Körperschädigung anerkannt; das dynamische Skifahren stelle ein Geschehen mit einem gesteigerten Gefährdungspotenzial und auch für einen Skilehrer eine nicht alltägliche Lebensverrichtung wie etwa das plötzliche Aufstehen oder das Bewegen im Raum dar (a.a.O. E. 5). Im unlängst ergangenen Urteil 8C_610/2015 vom 11. Januar 2016 hat das Bundesgericht überdies festgehalten, dass Skifahren (generell) wegen äusserer unkontrollierbarer Einflüsse ständig Positionsänderungen verlange und eine fehlerhafte Steuerung der Beine dabei zu einer erhöhten Verletzungsgefahr führen könne. Dementsprechend stelle das Skifahren eine Sportart dar, welcher - unabhängig vom gefahrenen Stil - ein gewisses Gefährdungspotenzial innewohnt, sodass eine dabei zugezogene Meniskusläsion in der Regel als unfallähnliche Körperschädigung gelte (a.a.O. E. 5.2). Vor diesem Hintergrund ist die im hier angefochtenen Entscheid vom 3. November 2015 vom kantonalen Gericht vertretene Auffassung in rechtlicher Hinsicht jedenfalls nicht zu beanstanden. Das im bundesgerichtlichen Urteil 8C_610/2015 vom 11. Januar 2016 E. 5.2 Gesagte kann auch bei Abfahrten im Tiefschnee Geltung beanspruchen, ohne dass es auf die jeweiligen Schneeverhältnisse ankäme. Auch hier kann ein zur Unkontrollierbarkeit des Bewegungsablaufes führendes äusseres Moment in Form der Plötzlichkeit, Brüskheit und Belastung hinzutreten, sodass - in gegebener Gefahrenlage bei gesteigertem Gefährdungspotenzial - ein ausserhalb des Körpers liegendes, objektiv feststellbares und sinnfälliges, eben unfallähnliches, Ereignis vorliegt.  
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerde führende Unfallversicherer setzt sich gegen den angefochtenen kantonalen Entscheid vom 3. November 2015 denn auch einzig mit der Argumentation zur Wehr, es müsse von den "Aussagen der ersten Stunde" (vgl. BGE 121 V 45 E. 2a S. 47 und 115 V 133 E. 8c S. 143) ausgegangen werden. Nachträgliche Änderungen des einmal dargelegten Sachverhaltes könnten von Überlegungen versicherungsrechtlicher oder anderer Art beeinflusst worden sein, sodass derartigen Erklärungen kein hoher Stellenwert zukomme.  
 
 
4.2. Zutreffen mag zwar, dass die Beschwerdegegnerin selbst erst nach Beizug ihres Rechtsvertreters in der gegen die Verfügung vom 5. Mai 2014 gerichteten Einsprache vom 19. Mai 2015 ausdrücklich erwähnte, dass ihre Körperschädigungen beim Skifahren im Tiefschnee ausgelöst worden seien, weil die Skis und damit die Unterschenkel bis zum Knie die vom Oberkörper vorgenommene Drehung nicht mitvollzogen, weil der unerwartet schwere Tiefschnee dies verhinderte. Bereits der Auskunft des Spitals C.________ vom 16. Januar 2014, wo es noch am Unfalltag zu einer notfallmässigen Einlieferung gekommen war, ist jedoch zu entnehmen, dass das inkriminierte Geschehen beim Skifahren im Tiefschnee aufgetreten ist. Davon musste auch der nunmehr Beschwerde führende Unfallversicherer Kenntnis haben. Dass das Skifahren in schwerem Tiefschnee weder in der vom Arbeitgeber der Beschwerdegegnerin erstatteten Bagatellunfall-Meldung UVG vom 30. Januar 2014 noch in der am 5. Februar 2014 von der Beschwerdegegnerin selbst abgegebenen "Hergangs-Schilderung" als Auslöser der zugezogenen Körperschädigungen genannt wurde, mag seine Erklärung ohne weiteres darin finden, dass der im Fragebogen für Antworten freigelassene Raum lediglich eine sehr knappe Auskunft ermöglichte, in welcher die Bedeutung des Fahrens in schwerem Tiefschnee für die Leistungspflicht der Unfallversicherung aus nachvollziehbaren Gründen entgangen sein konnte. Der Beschwerdegegnerin allein deswegen vorzuwerfen, nicht schon in der "Aussage der ersten Stunde" darauf hingewiesen zu haben, ist nicht gerechtfertigt. Vielmehr sind die nachträglichen Ergänzungen zum Geschehensablauf am 16. Januar 2014 in der Einsprache vom 19. Mai 2015 und der dem kantonalen Gericht eingereichten Beschwerde wie im angefochtenen Entscheid als nicht zu bemängelnde Präzisierungen zu akzeptieren. Dabei spielt die damalige Beschaffenheit des Schnees nach dem in vorstehender E. 3.2 Gesagten für die Beurteilung der Leistungspflicht des Unfallversicherers letztlich gar keine ausschlaggebende Rolle. Auch bei gelockertem, leichterem Tiefschnee (Pulverschnee) kann es bei der grundsätzlich als gegeben anzunehmenden Gefahrenlage mit - beim Drehen in einer Kurve - gesteigertem Gefährdungspotenzial zu einer unfallähnlichen Knieverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV kommen. Nicht weiter einzugehen ist auf die nachträgliche Behauptung, die Skis seien im Tiefschnee "steckengeblieben". Diese Schilderung vermöchte allenfalls die Frage nach einem - allerdings gar nicht geltend gemachten - eigentlichen Unfallereignis im Sinne von Art. 4 ATSG aufzuwerfen. Wie es sich diesbezüglich verhielte, kann jedoch dahingestellt bleiben, nachdem jedenfalls eine unfallähnliche Körperschädigung als gegeben zu betrachten ist.  
 
5.   
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten (Art. 65 Abs. 1 und Abs. 4 lit. a BGG) von der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG), welche der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin eine - im Hinblick auf Umfang und Inhalt der am 8. Januar 2016 eingereichten Stellungnahme reduzierte - Parteientschädigung zu bezahlen hat (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
  
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 300.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 26. Februar 2016 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Krähenbühl