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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.98/2005 /pai 
 
Urteil vom 24. Juni 2005 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Kolly, Zünd, 
Gerichtsschreiber Borner. 
 
Parteien 
S.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Felix Barmettler, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, 
Archivgasse 1, 6430 Schwyz. 
 
Gegenstand 
Fahrlässige Körperverletzung (Art. 125 Abs. 1 StGB), 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz vom 7. Dezember 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 6. August 2001 kam es in Seewen/SZ auf der Seewernstrasse zu einer Kollision zwischen dem Lastwagen von S.________, der in Richtung Lauerz fuhr, und dem von rechts aus der Hirschenstrasse kommenden Personenwagen von M.________, der beim Unfall verletzt wurde. 
B. 
Das Bezirksgericht Schwyz sprach S.________ am 1. Oktober 2003 von der Anklage der fahrlässigen Körperverletzung frei, weil an der fraglichen Stelle die Rechtsvortrittsregel nicht gelte. 
 
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz sowie des Verletzten sprach das Kantonsgericht Schwyz am 7. Dezember 2004 S.________ der fahrlässigen einfachen Körperverletzung schuldig und büsste ihn mit Fr. 2'000.--. 
C. 
S.________ führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil bezüglich seiner Verurteilung aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Sowohl bei der Seewernstrasse wie bei der Hirschenstrasse handelt es sich um Nebenstrassen. Die Seewernstrasse ist nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz 5,5 Meter breit, die Hirschenstrasse 5 - 5,5 Meter, wobei sie sich im Bereich der Einmündung in die Seewernstrasse trichterförmig auf rund 30 Meter erweitert. Die Hirschenstrasse ist eine gut frequentierte Strasse, die die Seewernstrasse mit der Badstrasse verbindet, welche ihrerseits zur Bahnhofstrasse weiterführt. Sowohl die Seewernstrasse wie auch die Hirschenstrasse sind asphaltiert und weisen in der Fahrbahnmitte keine Leitlinien auf. Sie verlaufen niveaugleich und sind im Bereich der Einmündung lediglich durch eine ebene Kopfsteinpflästerung voneinander abgegrenzt. Am äussersten rechten Rand der Einmündung der Hirschenstrasse sind auf 9 Metern (von 30 Metern) verwaschene Reste einer vor mehr als zwanzig Jahren angebrachten weissen unterbrochenen Bodenmarkierung sichtbar. Gegenüber der Einmündung der Hirschenstrasse in die Seewernstrasse ist ein Spiegel angebracht. 
2. 
2.1 Gemäss Art. 36 Abs. 2 SVG hat auf Strassenverzweigungen das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt. Verzweigungen sind gemäss Art. 1 Abs. 8 VRV Kreuzungen, Gabelungen oder Einmündungen von Fahrbahnen; nicht als Verzweigung gilt das Zusammentreffen von Rad- oder Feldwegen, von Garage-, Parkplatz-, Fabrik- oder Hofausfahrten usw. mit der Fahrbahn. Wer aus Fabrik-, Hof- oder Garageausfahrten, aus Feldwegen, Radwegen, Parkplätzen, Tankstellen und dergleichen oder über ein Trottoir auf eine Haupt- oder Nebenstrasse fährt, muss daher gemäss Art. 15 Abs. 3 VRV den Benützern dieser Strassen den Vortritt gewähren. 
 
Der Regelung von Art. 1 Abs. 8 Satz 2 und Art. 15 Abs. 3 VRV liegt der Gedanke zugrunde, dass der Verkehr auf den Durchgangsstrassen weder innerorts noch ausserorts durch Abzweigungen behindert werden soll, die für den Motorfahrzeugverkehr praktisch keine oder bloss geringfügige Bedeutung haben (BGE 127 IV 91 E. 2a/bb; 123 IV 218 E. 3a; 117 IV 498 E. 5b). Für Fälle, in denen eine Klassierung unter die genannten Ausnahmebeispiele nicht eindeutig ist, hat die Rechtsprechung zusätzlich auf die Bedeutung des Verkehrsweges abgestellt, die dieser für den allgemeinen Fahrverkehr hat, insbesondere im Vergleich mit der Strasse, mit der er zusammentrifft (BGE 127 IV 91 E. 2a/bb; 123 IV 218 E. 3a; 117 IV 498 E. 4a). Dabei erfordert das Interesse klarer Verkehrs- und Vortrittsrechtsverhältnisse, dass die Ausnahmen von der Rechtsvortrittsregel restriktiv ausgelegt und auf Fälle beschränkt werden, die selbst für ortsunkundige Verkehrsteilnehmer und bei erschwerten Sichtverhältnissen deutlich erkennbar sind; im Zweifelsfalle muss die normale Ordnung vorgehen (BGE 127 IV 91 E. 2a/bb; 123 IV 218 E. 3a; 117 IV 498 E. 4a; 107 IV 47 E. 3a; 106 IV 56 E. 2). 
2.2 Die Vorinstanz hat ihrem Urteil diese Rechtslage zugrunde gelegt. Sie hält fest, dass es sich bei der Hirschenstrasse keinesfalls um ein bedeutungsloses Strässchen handelt, sondern um eine gut frequentierte Strasse, welche rege und häufig befahren wird. Auch sonst bestehe zwischen den beiden Strassen kein entscheidender Unterschied, und für den ortsunkundigen Fahrer entstehe aufgrund des Erscheinungsbildes im Einmündungsbereich keineswegs der Eindruck, dass die Hirschenstrasse ohne Verkehrsbedeutung sei und offenkundig nicht dem Durchgangsverkehr diene. Daraus hat die Vorinstanz zutreffend geschlossen, dass keine Ausnahme von der Rechtsvortrittsregel besteht. Dass gegenüber der Hirschenstrasse ein Spiegel angebracht ist, ändert daran nichts. Denn an einer Verzweigung ist auch der vortrittsberechtigte Fahrer auf eine gute Überblickbarkeit der Strasse, in die er einbiegen will, angewiesen (BGE 127 IV 91 E. 2b). 
2.3 Die Rechtsvortrittsregel gilt nicht, wenn durch Signale eine abweichende Regelung erfolgt (Art. 27 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 2 SVG). Eine solche abweichende Regelung kann beim Zusammentreffen von Nebenstrassen mit den Signalen "Stop" (3.01) oder "kein Vortritt" (3.02) getroffen werden (Art. 109 Abs. 4 SSV). Beim Signal "Stop" zeigt eine Haltelinie auf Strassen mit Hartbelag an, wo anzuhalten ist, (Art. 75 Abs. 1 SSV). Beim Signal "kein Vortritt" übernimmt die Wartelinie ("Haifischzähne") die Funktion anzuzeigen, wo die Fahrzeuge gegebenenfalls halten müssen, um den Vortritt zu gewähren (Art. 75 Abs. 3 und 4 SSV). Derartige Signale und Markierungen sind bei der Einmündung der Hirschenstrasse in die Seewernstrasse nach den Feststellungen der Vorinstanz keine vorhanden. Einzig am äussersten rechten Rand finden sich verwaschene Reste einer weissen, unterbrochenen Bodenmarkierung, die einer Führungslinie ähneln. So genannte Führungslinien dienen der optischen Führung des Verkehrs und grenzen unter anderem die Fahrbahn von Nebenverkehrsflächen ab, die mit der Fahrbahn keine Verzweigung bilden (Art. 76 Abs. 2 lit. c SSV). Führungslinien dürfen nicht angebracht werden bei Verzweigungen, bei denen der gesetzliche Rechtsvortritt gilt (Art. 76 Abs. 3 SSV). 
 
Die Vorinstanz nimmt zutreffend an, die Rechtsvortrittsregel könne nicht durch die Markierung einer Führungslinie aufgehoben werden, sondern lediglich durch die beiden genannten Signale. Wenn gemäss Art. 76 Abs. 3 SSV bei Geltung der Rechtsvortrittsregel keine Führungslinien angebracht werden dürfen, so mag dies von Bedeutung sein, wenn unklar ist, ob eine Verzweigung im Sinne von Art. 1 Abs. 8 Satz 2 und Art. 15 Abs. 3 VRV vorliegt oder nicht. Ein solcher Zweifelsfall ist hier indessen nicht gegeben, und im Übrigen ist auch in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass es sich lediglich um verwaschene Reste einer alten Markierung handelt. 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer verweist auf eine Aussage des Unfallopfers, es habe an der Kreuzung zwei bis drei Minuten angehalten, mehrmals nach rechts und links sowie in den Spiegel geschaut, bevor es weitergefahren sei. Angesichts dieser Aussage sei die vorinstanzliche Annahme, das Unfallopfer habe nicht den Anschein erweckt, auf sein Vortrittsrecht zu verzichten, ein offensichtliches Versehen, das gemäss Art. 277bis BStP von Amtes wegen berichtigt werden könne. 
 
Die Vorinstanz erachtet das Zugeständnis des Beschwerdeführers, er habe das Fahrzeug des Unfallopfers auf die Verzweigung zufahren sehen, als erwiesen (angefochtenes Urteil, S. 16). Mit dieser Beweiswürdigung bringt sie gleichzeitig zum Ausdruck, dass die dazu widersprüchliche Aussage des Unfallopfers nicht glaubhaft ist. Von einem offensichtlichen Versehen gemäss Art. 277bis BStP kann somit keine Rede sein. 
3.2 Schliesslich macht der Beschwerdeführer zu Unrecht geltend, er habe sich in einem Sachverhalts- oder Rechtsirrtum befunden. Die verwaschenen Bodenmarkierungen ändern nichts daran, dass dem Beschwerdeführer jedenfalls Sorgfaltswidrigkeit vorzuwerfen ist, wenn er glaubte, ein Vortrittsrecht beanspruchen zu können. 
4. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen. Entsprechend diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP). 
Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 24. Juni 2005 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: