Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
[AZA 7] 
U 30/01 Vr 
 
I. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichter Borella, Meyer, Lustenberger und Ferrari; Gerichtsschreiber Hochuli 
 
Urteil vom 24. Januar 2002 
 
in Sachen 
 
S.________, 1969, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Suppiger, Alpenstrasse 1, 6004 Luzern, 
 
gegen 
 
Winterthur-Versicherungen, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Zug 
 
A.- S.________, geboren 1969, absolvierte im Herbst 1991 erfolgreich die Zwischenprüfungen zu seinem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität X.________, das er voraussichtlich im Frühjahr 1996 mit dem Lizentiat hätte abschliessen wollen. Im Sinne einer Nebenbeschäftigung war er ab 1. Juli 1992 als Programm-/Redaktionsmitarbeiter anfänglich vollzeitlich und ab 1. Januar 1993 mit einem 40 %-Teilzeitpensum für die Firma Y.________ AG tätig und in dieser Eigenschaft bei den Winterthur-Versicherungen (nachfolgend: Winterthur) gegen Unfälle und Berufskrankheiten versichert. Am 19. September 1995 stürzte er in Frankreich aus einem Hotelfenster und zog sich dabei schwere Kopfverletzungen zu. Die Winterthur sprach dem Versicherten gestützt auf einen Integritätsschaden von 100 % eine Integritätsentschädigung von Fr. 97'200.-, eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades sowie eine Komplementärrente von Fr. 133.- pro Monat bei einen Invaliditätsgrad von 100 % zu (Verfügung vom 24. September 1998). Dagegen liess der Versicherte einspracheweise geltend machen, bei der Berechnung der Komplementärrente sei von einem versicherten Verdienst von Fr. 84'000.- pro Jahr anstatt von bloss Fr. 18'720.- auszugehen. Die Winterthur hielt mit Einspracheentscheid vom 29. April 1999 an ihrer Verfügung fest. 
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug ab (Entscheid vom 30. November 2000). 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der Versicherte beantragen, "die Beschwerdegegnerin habe dem Beschwerdeführer eine Komplementärrente auf Grund eines versicherten Einkommens von Fr. 84'000.-- p.a. auszubezahlen". 
 
Die Vorinstanz hält in ihrer Stellungnahme fest, die Darstellung der Tatsachen durch den Rechtsvertreter des Versicherten weiche von den aktenmässig belegten Gegebenheiten in Bezug auf den Status der journalistischen Tätigkeit als reine Nebenbeschäftigung ohne Ausbildungscharakter ab. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern durch die vorgenommene Komplementärrentenberechnung der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt worden sei. Die Winterthur beantragt vernehmlassungsweise die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Stellungnahme. 
D.- Zur Vernehmlassung der Vorinstanz nimmt der Versicherte mit separater Eingabe Stellung und erneuert dabei seine bereits mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemachten Vorbringen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Streitig ist einzig die Bemessung des versicherten Verdienstes. Während die Winterthur und das kantonale Gericht gestützt auf Art. 15 Abs. 2 UVG von einem versicherten Verdienst von Fr. 18'720.- ausgehen, macht der Beschwerdeführer geltend, nach Art. 15 Abs. 3 lit. c UVG in Verbindung mit Art. 24 Abs. 3 UVV sowie mit Blick auf BGE 124 V 301 ff. müsse der Rentenberechnung ein versicherter Verdienst von Fr. 84'000.- zugrunde gelegt werden. 
 
2.- a) Nach Art. 15 UVG werden Taggelder und Renten nach dem versicherten Verdienst bemessen (Abs. 1). Als versicherter Verdienst gilt für die Bemessung der Taggelder der letzte vor dem Unfall bezogene Lohn, für die Bemessung der Renten der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene Lohn (Abs. 2). Gemäss Abs. 3 erlässt der Bundesrat Bestimmungen über den versicherten Verdienst in Sonderfällen, namentlich bei Versicherten, die nicht oder noch nicht den berufsüblichen Lohn erhalten (lit. c). 
 
b) Gestützt auf Art. 15 Abs. 3 UVG hat der Bundesrat in Art. 24 UVV unter dem Titel "massgebender Lohn für Renten in Sonderfällen" ergänzende Vorschriften erlassen. Abs. 3 dieser Bestimmung lautet wie folgt: 
 
"Bezog der Versicherte wegen beruflicher Ausbildung am Tage 
des Unfalles nicht den Lohn eines Versicherten mit voller 
Leistungsfähigkeit derselben Berufsart, so wird der versicherte 
Verdienst von dem Zeitpunkt an, da er die Ausbildung 
abgeschlossen hätte, nach dem Lohn festgesetzt, 
den er im Jahr vor dem Unfall als voll Leistungsfähiger 
erzielt hätte." 
 
3.- a) Winterthur und Vorinstanz haben den versicherten Verdienst des Beschwerdeführers nach der Grundnorm des Art. 15 Abs. 2 UVG ermittelt. Daraus resultierte ein versicherter Verdienst von Fr. 18'720.-, der dem innerhalb eines Jahres vor dem Unfall vom 19. September 1995 bezogenen Lohn aus der mit einem 40 %-Teilzeitpensum ausgeübten versicherten Tätigkeit als Programm-/Redaktionsmitarbeiter der Firma Y.________ AG entsprach. Dieses Vorgehen ist zutreffend. Denn der Beschwerdeführer stand in einem gewöhnlichen Teilzeitarbeitsverhältnis, auf welches rechtsprechungsgemäss die Regelung von Art. 15 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 22 Abs. 4 UVV Anwendung findet (vgl. BGE 114 V 118 Erw. 3d; RKUV 1996 Nr. U 262 S. 276 Erw. 2b, 1994 Nr. U 196 S. 214 Erw. 3b). 
 
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht vorliegend kein Anlass, vom allgemeinen Grundsatz der Rentenbemessung nach dem effektiven Jahreslohn vor dem Unfall abzuweichen und die Ausnahmebestimmung des Art. 24 Abs. 3 UVV zur Anwendung zu bringen. Diese sieht vor, dass bei einem Versicherten, welcher wegen beruflicher Ausbildung am Tage des Unfalles nicht den Lohn eines Versicherten mit voller Leistungsfähigkeit derselben Berufsart bezog, der versicherte Verdienst von dem Zeitpunkt an, da er die Ausbildung abgeschlossen hätte, nach dem Lohn festgesetzt wird, den er im Jahr vor dem Unfall als voll Leistungsfähiger erzielt hätte. Nach Rechtsprechung (RKUV 1992 Nr. U 148 S. 123 Erw. 5b) und Lehre (Maurer, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Bern 1985, S. 332 lit. 3b) verlangt der klare Wortlaut dieser Bestimmung, dass die Entlöhnung der die Versicherung bedingenden Tätigkeit "wegen der Ausbildung" niedriger ist als der Lohn des "voll Leistungsfähigen derselben Berufsart". Die berufliche Ausbildung selbst muss ursächlich kausal sein für den kleineren, berufsunüblichen Lohn. Ausserdem muss die versicherte Erwerbstätigkeit, d.h. die versicherte Ausbildungszeit, die gleiche sein wie die zukünftige Erwerbstätigkeit der frisch ausgebildeten Berufskameraden. Im Lichte dieser Grundsätze haben Winterthur und Vorinstanz richtigerweise Art. 24 Abs. 3 UVV auf den vorliegenden Fall nicht angewendet. Denn der Beschwerdeführer bezog in der versicherten Tätigkeit als Programm-/Redaktionsmitarbeiter nicht einen wegen der ihm dabei gewährten Ausbildung geringeren Lohn, sondern leistete bis zum Unfall - im Rahmen seines Teilzeitpensums - einen vollen Einsatz. Auf Anfrage bestätigte die Firma Y.________ AG am 21. Juli 1998 ausdrücklich: "Herr S.________ war bei uns als Programm-/Redaktionsmitarbeiter beschäftigt, im Sinne einer Nebenbeschäftigung zu seinem Jura-Studium. Es hat nie die Absicht bestanden, Herrn S.________ vollumfänglich zu beschäftigen oder ihn journalistisch auszubilden." Wie die Winterthur richtig bemerkt, bestand das Ausbildungsziel des Beschwerdeführers im Abschluss seines Jura-Studiums (mit der Erlangung des Lizentiats der Universität X.________). Dies hätte im Frühjahr 1996 erfolgen sollen. Für die darauf folgende Zeit zog der Beschwerdeführer drei alternative, je zwei Jahre dauernde Weiterbildungswege in Betracht: ein weiterführendes Studium in Medien-/Europarecht, den Erwerb des Anwaltspatents oder die Journalistenschule an der Universität X.________ oder z.B. beim Ringierverlag. Weder das unmittelbare Ausbildungsziel "Jurist" noch das Berufsziel "Rechtsanwalt" standen in einem bestimmungsgemäss vorausgesetzten Konnex zur versicherten Tätigkeit (vgl. RKUV 2000 Nr. U 399 S. 380 Erw. 2b, 1992 Nr. U 148 S. 123 Erw. 5c) als Programm-/ Redaktionsmitarbeiter der Lokalfernseh-Unternehmung Firma Y.________ AG. Winterthur und kantonales Gericht sind daher zu Recht davon ausgegangen, der Beschwerdeführer habe die freiwillig mit einem 40 %-Pensum praktizierte versicherte Tätigkeit als Programm-/Redaktionsmitarbeiter unabhängig von seinem in zeitlicher Hinsicht prioritär angestrebten Ausbildungsziel des Studiumsabschlusses als Jurist bzw. des Erwerbs des Anwaltspatentes ausgeübt. 
c) Im Weitern rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Gleichheitsgebots nach Art. 8 Abs. 1 BV und des Diskriminierungsverbotes gemäss Art. 8 Abs. 2 BV. Dass Schnupperlehrlinge nach BGE 124 V 301 ff. unfallversicherungsrechtlich finanziell besser abgesichert seien als Werkstudenten, widerspreche dem Rechtsgleichheitsgebot. Es sei willkürlich, wenn das Mass der Versicherungsleistungen von der Art der Ausbildung abhänge. 
Diese Rügen sind unbegründet. Von einem Verstoss gegen Art. 8 Abs. 2 BV kann schon deswegen nicht die Rede sein, weil ein Student zu den Nichterwerbstätigen zählt, die nach Art. 1 UVG (in Verbindung mit Art. 1 und 1a UVV) nicht obligatorisch unfallversichert sind, wofür sich in Art. 117 Abs. 2 BV die entsprechende verfassungsmässige Grundlage findet. Teilerwerbstätige Studenten hinsichtlich des versicherten Verdienstes grundsätzlich Arbeitnehmern (z.B. Lehrlingen oder Praktikanten) gleichzustellen, die das die Versicherung begründende Ausbildungsverhältnis im Hinblick auf die zu erlernende praktische Tätigkeit durchlaufen, würde eine nach den geltenden Rechtsgrundlagen nicht zu rechtfertigende Privilegierung gegenüber anderen nicht ausbildungsbedingt teilzeitlich erwerbstätigen Personen bedeuten. Es ist sodann nicht willkürlich, sondern vielmehr sachgerecht und entspricht dem in der Unfallversicherung grundsätzlich vorhersehenden Versicherungsprinzip, dass das Mass der Versicherungsleistungen zunächst von der konkret ausgeübten versicherten Tätigkeit abhängt (Art. 15 Abs. 1 UVG). Dabei muss die Lohneinbusse in dieser versicherten Tätigkeit im Vergleich zu einem voll Leistungsfähigen derselben Berufsart durch die tätigkeitsbezogene Ausbildung verursacht sein, damit eine Ergänzung des versicherten Verdienstes nach Art. 24 Abs. 3 UVV erfolgen kann (vgl. Erw. 3b). 
Weiter erkannte das Eidgenössische Versicherungsgericht bereits im Urteil B. vom 10. März 1992 (auszugsweise publiziert in RKUV 1992 Nr. U 148 S. 117 ff.), dass das geltende Recht für unregelmässig Beschäftigte, insbesondere für Ferienaushilfen, Schüler und Studenten, keine ausreichende Versicherung für einen Invaliditätsschaden einräumt. Es ist jedoch nicht Sache des Richters, die in Gesetz und Verordnung getroffene Ordnung über den versicherten Verdienst mit einer nur auf "jobbende" Studenten zugeschnittenen Sonderregel zu ergänzen. Vielmehr obliegt es dem Verordnungs- bzw. allenfalls dem Gesetzgeber, aufgrund einer Analyse der gesamten Problematik befriedigende Lösungen zu erarbeiten und Mängel der heutigen Regelung für verschiedene Versichertenkategorien zu beseitigen (RKUV 1992 Nr. U 148 S. 122 Erw. 4d). Damit wurde eine echte Verordnungslücke in Bezug auf Werkstudenten implizit verneint. Auch mit Blick auf die festgestellte und mit BGE 124 V 301 ff. geschlossene echte Lücke in der Verordnung bezüglich der Bemessung des versicherten Verdienstes von Schnupperlehrlingen, die nach Art. 1a Abs. 1 UVV - anders als Studenten - ausdrücklich obligatorisch versichert sind, ergeben sich keine anderen Schlüsse für den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt. Gesetz und Verordnung bieten keine Handhabe, auf die vom Eidgenössischen Versicherungsgericht für die Bemessung des versicherten Verdienstes bei Schnupperlehrlingen lückenfüllend beigezogenen Durchschnittslöhne im Sinne einer Mindestgarantie immer dann abzustellen, wenn diese sich für einen Leistungsansprecher als günstiger erweisen (RKUV 2000 Nr. U 399 S. 380 Erw. 2b in fine). Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretene Auffassung, es sei der Wille des Gesetzgebers, sämtliche Arbeitnehmer, die aus Gründen der Ausbildung ein eingeschränktes Erwerbseinkommen erzielen, nicht schlechter zu stellen als Arbeitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung, trifft nach dem Gesagten nicht zu. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht 
des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
zugestellt. 
 
Luzern, 24. Januar 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der I. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: