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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_514/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 18. Januar 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Unternährer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Nidwalden, Stansstaderstrasse 88, 6371 Stans, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts Nidwalden vom 
12. Oktober 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ ist von Beruf Pflegefachfrau. Sie arbeitete seit 1. April 2010 zu 80 % im Seniorenzentrum B.________. Am 30. August 2012 meldete sie sich unter Hinweis auf die Folgen eines Unfalls vom 12. Juni 2011, bei dem sie eine Rippenserienfraktur erlitten hatte, bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Wiederaufnahme ihrer Erwerbstätigkeit im Januar 2013 erfüllte sie noch ein Arbeitspensum von 40 %. Aufgrund eines polydisziplinären Gutachtens der MEDAS Interlaken Unterseen GmbH vom 10. Juni 2014 lehnte die IV-Stelle Nidwalden das Leistungsgesuch mit Verfügung vom 21. Januar 2015 ab. 
 
B.   
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher A.________ beantragen liess, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihr mindestens eine halbe Invalidenrente zuzusprechen, wies das Verwaltungsgericht Nidwalden mit Entscheid vom 12. Oktober 2015 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihr mindestens eine Viertels-IV-Rente zuzusprechen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Im angefochtenen Entscheid sind die Bestimmungen über die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28a Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG), die Invaliditätsbemessung bei teilerwerbstätigen Personen (Art. 28a Abs. 3 IVG) sowie dem nach dem Grad der Invalidität abgestuften Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin ohne Gesundheitsschaden zu 80 % erwerbstätig wäre, womit in Anwendung der gemischten Methode der Invaliditätsbemessung ein Anteil von 20 % auf die Besorgung des Haushalts entfalle. In Würdigung der medizinischen Unterlagen, insbesondere des Gutachtens der MEDAS vom 10. Juni 2014, stellte das kantonale Gericht fest, der Beschwerdeführerin sei trotz ihres Gesundheitsschadens eine wechselbelastende, den Einschränkungen angepasste Tätigkeit mit einer um 20 % verminderten Leistungsfähigkeit zumutbar. Die Beeinträchtigung im häuslichen Aufgabenbereich belaufe sich auf höchstens 15 %. Aufgrund eines Einkommensvergleichs resultiere im 80 % umfassenden Erwerbsbereich eine Einbusse von 15,9 % (gewichtet: 12,72 %), im Aufgabenbereich Haushalt ergebe sich bei einer Einschränkung von 15 % eine gewichtete Einbusse von 3 %; daraus errechnete sie ein Invaliditätsgrad von 15,72 % (12,72 % plus 3 %).  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Anwendung der gemischten Bemessungsmethode sei diskriminierend und verletze Art. 8 EMRK.  
 
3.2.1. Laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Di Trizio gegen die Schweiz vom 2. Februar 2016 (7186/09) verletzt die Anwendung der gemischten Invaliditätsbemessungsmethode in der Invalidenversicherung bei einer Versicherten, welche ohne gesundheitliche Einschränkungen nach der Geburt ihrer Kinder nur noch teilzeitlich erwerbstätig gewesen wäre und deshalb im Rentenrevisionsverfahren ihren Anspruch auf eine Invalidenrente verlor, Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens). Wie sich dieses Urteil inskünftig auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts auswirken wird, ist hier nicht zu prüfen. Im vorliegenden Fall hat die geschiedene Beschwerdeführerin seit jeher teilzeitlich gearbeitet und keine Betreuungspflichten gegenüber minderjährigen Kindern mehr, sind doch ihre Töchter 1987 und 1991 geboren. Es gibt somit keinen familiär bedingten Grund, lediglich teilzeitlich zu arbeiten. Eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Familienlebens durch Anwendung der gemischten Methode ist darum nicht erkennbar und wird auch nicht behauptet (Urteil 9F_8/2016 vom 20. Dezember 2016 E. 4.4).  
 
3.2.2. Die Beschwerdeführerin trägt verschiedene Argumente vor, laut welchen angenommen werden müsse, dass sie ohne Gesundheitsschaden voll erwerbstätig wäre. Ohne dass auf die Stichhaltigkeit der Einwendungen einzugehen wäre, die für eine hypothetische Erwerbstätigkeit von 100 % und damit die Anwendung der Einkommensvergleichsmethode sprechen, ist festzuhalten, dass sich auch in Anwendung des Einkommensvergleichs ein Invaliditätsgrad von unter 40 % ergäbe, wie den abschliessenden Erwägungen (E. 5 hienach) entnommen werden kann.  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin äussert sich sodann über weite Strecken zu den fachärztlichen Angaben und Stellungnahmen, ohne hinreichend klar darzulegen, inwiefern das kantonale Gericht in der Würdigung dieser Unterlagen in Willkür verfallen sei. Sie übersieht offensichtlich, dass dem Gutachten der MEDAS, das den Anforderungen der Rechtsprechung genügt, volle Beweiskraft zuzuerkennen ist, solange nicht konkrete Indizien gegen dessen Zuverlässigkeit sprechen (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 469 f., 125 V 351 E. 3a S. 352 ff.), worauf bereits die Vorinstanz hingewiesen hat. Solche Indizien hat die Versicherte im kantonalen Verfahren nicht vorgebracht, und letztinstanzlich vermag sie nicht darzutun, dass die u.a. gestützt auf das MEDAS-Gutachten erfolgte Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts offensichtlich unrichtig sei oder anderweitig Bundesrecht verletze. Die von Dr. med. C.________ angeführten Gesichtspunkte, mit deren er den Beweiswert der rheumatologische Untersuchung durch MEDAS-Gutachter Dr. med. D.________ am 13. Mai 2014 in Frage stellt, hat die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid gewürdigt. Indem sie auf das Gutachten der MEDAS abgestellt hat und gewissen Differenzen zwischen den Diagnosen nicht die gleiche Bedeutung beigemessen hat wie die Versicherte, ist sie nicht in Willkür verfallen. Soweit die Beschwerdeführerin Gegenteiliges geltend macht, vermögen ihre Vorbringen diese Behauptung nicht zu belegen. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist im Umstand, dass im angefochtenen Entscheid nicht sämtliche Arztberichte explizit erwähnt werden, keine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung zu erblicken. Es genügt unter dem Gesichtswinkel der korrekten Sachverhaltsabklärung gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG vielmehr, dass die Vorinstanz sich am Gutachten und an den wichtigsten Arztberichten orientiert und diese in ihrem Entscheid aufführt. Dies ist ohne weiteres auch unter dem Gesichtswinkel der Begründungsdichte ausreichend.  
Des Weiteren ist mit der extensiven Wiedergabe der Krankengeschichte in der Beschwerde mit Hinweis auf die einzelnen Arztberichte, einschliesslich der verordneten Medikamente, für die Versicherte schon deshalb nichts gewonnen, weil zwar zahlreiche Befunde und Diagnosen, nicht aber nachvollziehbar begründete ärztliche Stellungnahmen zum Grad der Arbeitsunfähigkeit und zu den zumutbaren Arbeitsleistungen aufgezählt werden, welche vom angefochtenen Entscheid abweichen würden. 
 
4.2. Die Versicherte stellt sich schliesslich auf den Standpunkt, dass die Gutachter der MEDAS zu Unrecht auf bildgebende Untersuchungsmethoden verzichtet hätten, obwohl bereits im Jahr 2012 aus neurologischer Sicht die phobische Gangstörung bildgebend im Spital E.________ erkannt wurde. Dass die Vorinstanz gleichwohl auf das Gutachten der MEDAS abgestellt hat, lässt sich indessen nicht beanstanden. Ob bildgebende Untersuchungsverfahren anzuwenden sind, liegt im Ermessen der begutachtenden Fachärztinnen und -ärzte und ist nicht von der Verwaltung oder dem Gericht zu entscheiden. Wenn das Verwaltungsgericht darauf verzichtet hat, (bildgebende) Zusatzuntersuchungen aus neurologischer Sicht zu veranlassen, liegt darin entgegen den Vorbringen der Versicherten weder eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes nach Art. 43 ATSG noch ein Verstoss gegen Art. 6 EMRK (Gewährleistung eines fairen Verfahrens). Von einer der Vorinstanz vorzuwerfenden offensichtlich unrichtigen Feststellung des rechtserheblichen medizinischen Sachverhalts kann angesichts des Ermessensspielraums der Gutachter nicht gesprochen werden.  
 
5.  
 
5.1. Mit Bezug auf die ebenfalls strittige Invaliditätsbemessung gilt es zunächst festzuhalten, dass sich die Ermittlung der beiden hypothetischen Vergleichseinkommen als Tatfrage darstellt, soweit sie auf konkreter Beweiswürdigung beruht, hingegen als Rechtsfrage, soweit sich der Entscheid nach der allgemeinen Lebenserfahrung richtet. Letzteres betrifft etwa die Frage, ob Tabellenlöhne anwendbar sind, welches die massgebende Tabelle ist und ob ein leidensbedingter Abzug vorzunehmen sei (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).  
 
5.2. In Nachachtung dieser Grundsätze ist die Invaliditätsbemes sung der Vorinstanz im Ergebnis zu bestätigen. Das herangezogene Valideneinkommen von Fr. 68'675.- für eine Tätigkeit von 80 % beruht auf einer Beweiswürdigung, insbesondere der Berücksichtigung der Angaben des Seniorenzentrums B.________. Inwiefern das kantonale Gericht in dieser Hinsicht den Sachverhalt willkürlich ermittelt habe, vermag die Beschwerdeführerin nicht darzutun. Das Invalideneinkommen hat die Vorinstanz anhand der Tabellenlöhne gemäss Schweizerischer Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) 2010 ermittelt, wobei sie die Tabelle TA1, Sparte 86-88 (Gesundheits- und Sozialwesen), Anforderungsniveau 3, Frauen, zugrunde gelegt hat. Daraus hat sich - aufgewertet auf das Jahr 2013 - ein Invalideneinkommen von Fr. 58'578.- errechnen lassen. Einen leidensbedingten Abzug hat die Vorinstanz nicht vorgenommen.  
Gegen die Höhe des Invalideneinkommens bringt die Beschwerdeführerin vor, Tätigkeiten im Pflegebereich seien ihr nur noch im Ausmass von 40 % einer Vollzeitbeschäftigung möglich und zumutbar. Dies gelte auch für leichte Verweisungstätigkeiten. Mit dieser Behauptung setzt sie sich jedoch in Widerspruch zu den Einschätzungen der MEDAS, wonach sie in einer leidensangepassten Beschäftigung vollzeitlich, mit einer um 20 % verminderten Leistung, arbeiten könnte. Daraus resultiert beim Einkommensvergleich ein Invaliditätsgrad von aufgerundet 16 %, wenn von den Zahlen der Vorinstanz auszugehen und der Beschwerdeführerin folgend ohne Gesundheitsschaden eine hypothetische Erwerbstätigkeit von 100 % anzunehmen wäre; ein leidensbedingter Abzug vom Tabellenlohn ist nicht vorzunehmen, wie die Vorinstanz mit einlässlicher Begründung, auf welche verwiesen wird, dargelegt hat. Die Beschwerdeführerin bringt denn auch keine Argumente vor, die einen Abzug rechtfertigen könnten. Somit resultiert auch bei Ausübung einer leidensangepassten leichten Erwerbstätigkeit mit einem Beschäftigungsgrad von 100 % im Rahmen eines Einkommensvergleichs ein Invaliditätsgrad von deutlich unter 40 %. 
 
6.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht Nidwalden, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Januar 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer