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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.206/2006 /bnm 
 
Urteil vom 9. November 2006 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher, 
Gerichtsschreiber Ruppen. 
 
Parteien 
K.________, 
Kläger und Berufungskläger, 
 
gegen 
 
Hermes Krankenkasse, Verwaltung, Rue du Nord 5, 1920 Martigny, 
Beklagte und Berufungsbeklagte. 
 
Gegenstand 
Zusatzversicherung, 
 
Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, vom 21. April 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.a K.________ betreibt in S.________ ein Carrosserie-Spritzwerk. Er hat für die Mitarbeiter seines Betriebes nach dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1) bei der Hermes Krankenkasse (nachfolgend: Hermes) eine Krankentaggeldversicherung mit einer Wartezeit von sieben Tagen abgeschlossen. 
A.b M.________ arbeitet seit dem 1. Oktober 1987 als Autospengler im Betrieb von K.________. Gemäss Arztzeugnis von Dr. D.________ vom 2. Mai 2005 war er ab diesem Tage vollständig arbeitsunfähig. Am 12. Juli 2005 teilte die Hermes K.________ mit, dass sie die Anmeldung der Arbeitsunfähigkeit von M.________ erst am 4. Juli 2005 erhalten habe und daher erst ab diesem Datum die vertraglichen Leistungen erbringen werde. K.________ bestand in seinem Schreiben vom 13. Juli 2005 darauf, der Hermes die Arbeitsunfähigkeit seines Mitarbeiters bereits am 9. Mai 2005 gemeldet zu haben. 
B. 
Am 1. Oktober 2005 reichte K.________ beim Kantonsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht (nachfolgend: Kantonsgericht) eine Klage gegen die Hermes ein. Er beantragte, die Hermes zur Taggeldzahlung ab dem 2. Mai 2005, abzüglich einer Wartefrist von sieben Tagen, zu verurteilen. Zur Begründung seines Begehrens führte er an, den Krankheitsfall seines Mitarbeiters rechtzeitig gemeldet zu haben. Das Kantonsgericht wies die Klage von K.________ am 21. April 2006 ab. Gemäss der Rechtsmittelbelehrung des Urteils war die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht gegeben. 
C. 
K.________ gelangte gegen das kantonsgerichtliche Urteil am 19. Mai 2006 mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht. Er erhielt eine Nachfrist zur Verbesserung seiner Eingabe. Mit Schreiben vom 30. Mai 2006 kam er dieser Aufforderung nach. Das Eidgenössische Versicherungsgericht trat mit Urteil vom 2. August 2006 auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein und wies den Handel an das Kantonsgericht zurück. Am 30. August 2006 stellte das Kantonsgericht die Eingaben von K.________ dem Bundesgericht als Berufung zu. Die Hermes schloss auf Abweisung des Rechtsmittels, soweit darauf einzutreten sei. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat das Verfahren an das Kantonsgericht überwiesen mit der Begründung, dass bezüglich Streitigkeiten über Krankentaggeldleistungen aus einer Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung der Zivilweg zu beschreiten sei. Diese Überweisung ist demzufolge prozessrechtlicher Natur und daher fristwahrend (vgl. Art. 32 Abs. 4 lit. b und Abs. 5 OG). 
 
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid über eine Forderung aus der Zusatzversicherung nach dem VVG. Dabei handelt es sich um eine Zivilrechtsstreitigkeit mit Vermögenswert (BGE 124 III 44 E. 1 S. 46 und 229 E. 2b S. 232). Der erforderliche Streitwert lässt sich dem angefochtenen Urteil entgegen Art. 51 Abs. 1 lit. a OG nicht entnehmen. Die strittigen Taggeldleistungen erreichen die gesetzliche Streitwertgrenze nicht (Art. 46 OG). Damit ist die Berufung im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 68 OG) ist ebenfalls nicht gegeben, da keine der gesetzlich umschriebenen Nichtigkeitsgründe vorliegen. Hingegen kann gegen das Urteil des Kantonsgerichts eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger erhoben werden (Art. 84 Abs. 1 lit. a und Art. 86 Abs. 1 OG). 
 
Da im vorliegenden Falle die Begründungsanforderungen gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG erfüllt sind und die Eingabe den Frist- und Formvorschriften der Art. 89 Abs. 1 und Art. 90 OG genügt, kann die Eingabe vom 19./30. Mai 2006 demzufolge als staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen werden (zur Umwandlung von Bundesrechtsmitteln: vgl. BGE 96 I 387 E. 1 S. 390; 131 III 268 E. 6 S. 279; 112 II 512 E. 2 S. 516). 
2. 
Mit den ohne anwaltlichen Beistand verfassten Eingaben vom 19./30. Mai 2006 macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, der von ihm in der Klage vom 1. Oktober 2005 angeführte Zeuge Z.________ sei vom Kantonsgericht nicht angehört worden. 
2.1 Der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV umfasst unter anderem das Recht des Betroffenen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken oder zumindest zum Beweisergebnis sich äussern zu können, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 129 II 497 E. 2.2 S. 504; 126 I 15 E. 2a/aa S. 16). Gelangt das Gericht in willkürfreier Würdigung der vorhandenen Beweise zur Auffassung, dass weitere Beweisabnahmen am Ergebnis nichts mehr ändern würden, darf es einen Beweisantrag ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs abweisen (zur sog. antizipierten Beweiswürdigung: vgl. BGE 131 I 153 E. 3 S. 157). Zwar unterliegt das Verfahren zur Beurteilung von Streitigkeiten aus einer Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung dem sozialen Untersuchungsgrundsatz. Der Richter hat demnach alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente zu berücksichtigen, die sich im Verlaufe des Verfahrens ergeben, auch wenn die Parteien diese nicht angeführt haben. Er darf zudem von sich aus Beweise erheben. Die Untersuchungsmaxime schliesst indes die antizipierte Beweiswürdigung im eben dargelegten Sinn nicht aus. Sie ist überdies weniger streng zu handhaben, wenn die Parteien anwaltlich vertreten sind. Die Beweise sind zudem frei zu würdigen (Art. 85 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 2004 betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen [Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG; SR 961.01]; Niccolò Raselli, Verfahrensrechtliche Probleme bei der Beurteilung von Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung, SZS 49/2005 S. 283 mit Hinweisen; Fabienne Hohl, Procédure civile, Tome I, S. 164 ff.). 
2.2 Strittig ist zwischen den Parteien einzig, ob die Meldung der Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig erfolgt ist. Der Beschwerdeführer behauptete im kantonalen Verfahren, der Beschwerdegegnerin die Krankheitsmeldung am 9. Mai 2005 und am 21. Juni 2005 mit einer Kopie des Arztzeugnisses zugestellt zu haben. Diese brachte vor, die Unterlagen erst am 4. Juli 2005 erhalten zu haben, weshalb sie erst ab diesem Datum, abzüglich der Wartefrist von sieben Tagen, die vertraglichen Leistungen erbringe. Das Kantonsgericht kam zum Schluss, dass der Kläger (Beschwerdeführer) zwar am 21. Juni 2005 einen Kurzbrief an die Beklagte (Beschwerdegegnerin) verfasst habe, womit aber noch nicht belegt sei, dass er diesen tatsächlich in den nachfolgenden Tagen abgesandt habe. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte sei auf den Eingangsstempel der Beklagten vom 4. Juli 2005 abzustellen. Eine frühere Meldung sei hingegen nicht belegt. Aufgrund eines voran gegangenen Falles hätten dem Kläger zudem die Folgen bekannt sein müssen, die sich aus einer verspäteten Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters ergeben. Unter diesen Umständen erweise sich die Einvernahme des beantragten Zeugen nicht als zweckdienlich. Bei Z.________ handle es sich um den Buchhalter des Klägers, weshalb seine Aussage infolge Befangenheit in der Streitsache keine objektive Beweiserhebung zulasse. Zudem liege der Sachverhalt bereits rund ein Jahr zurück, weshalb sich der Zeuge nicht mehr genau erinnern könne, ob die strittige Krankmeldung tatsächlich am 9. Mai 2005 auf der Post aufgegeben worden sei. 
2.3 Das Kantonsgericht hat den klägerischen Antrag, Z.________ als Zeugen einzuvernehmen, als unnötig abgewiesen, weil es sich bereits eine Meinung zum strittigen Vorgang gebildet hat. Zudem hat es die Objektivität des Zeugen und damit dessen Eignung als Beweismittel aufgrund der Beziehung zum Kläger und des Zeitablaufs von vornherein verneint. Der Kläger konnte offenbar als Beweis für seine Darstellung des rechtserheblichen Sachverhalts nur die Aussagen seines Buchhalters anbieten. Indem das Kantonsgericht ausschliesslich den Vorbringen der Beklagtenseite gefolgt ist, statt sich in freier Würdigung über die Beweise beider Seiten eine Meinung zu bilden, hat es das Beweisverfahren in unhaltbarer Weise beschränkt. Damit hat es das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt, womit die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen ist. 
3. 
Nach dem Gesagten ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Ausgangsgemäss werden die Kosten der Beschwerdegegnerin auferlegt (Art. 156 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer macht keine Auslagen geltend, weshalb von der Zusprechung einer Parteientschädigung abgesehen wird (BGE 113 Ib 353 E. 6b S. 357). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Eingabe vom 19./30. Mai 2006 wird als staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen. 
2. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, vom 21. April 2006 wird aufgehoben. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 9. November 2006 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: