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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 26/02 
 
Urteil vom 29. Dezember 2003 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin Kopp Käch 
 
Parteien 
A.________, 1943, Beschwerdeführerin, vertreten durch den Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Weinfelden 
 
(Entscheid vom 31. Oktober 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1943 geborene A.________ war ab April 1989 als Hilfsarbeiterin bei der B.________ AG, tätig und bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Die Arbeitgeberin meldete der SUVA am 9. Oktober 1991 Asthmabeschwerden als Berufskrankheit. Nachdem medizinische Abklärungen ergeben hatten, dass die Versicherte nicht geeignet für alle Arbeiten mit Exposition zu Isocyanaten sei, erliess die SUVA am 13. April 1992 eine entsprechende Nichteignungsverfügung und richtete ein Übergangstaggeld aus. Mangels anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeit entliess die B.________ AG die Versicherte per 31. Juli 1992. Mit Verfügung vom 14. Dezember 1999 sprach die Invalidenversicherung A.________ rückwirkend ab 1. September 1998 eine Viertelsrente und ab 1. Dezember 1998 eine halbe Rente zu. Nach Durchführung einer internen fachärztlichen Beurteilung vom 17. Februar 2000 verfügte die SUVA am 4. Juli 2000, dass weder Anspruch auf eine Invalidenrente noch auf eine Integritätsentschädigung bestehe. An ihrem Standpunkt hielt sie mit Einspracheentscheid vom 15. März 2001 fest. 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher A.________ ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt die Zusprechung einer Invalidenrente auf Grund einer Erwerbseinbusse von mindestens 66,66 %, eventualiter von mindestens 23 % beantragen liess, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 31. Oktober 2001 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt A.________ ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt die Zusprechung einer Invalidenrente auf Grund einer Erwerbseinbusse von mindestens 23 % beantragen. 
 
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Im Einspracheentscheid vom 15. März 2001 hat die SUVA die Voraussetzungen für die Leistungspflicht der Unfallversicherung, insbesondere die Rechtsprechung zum zunächst vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall oder der Berufskrankheit und dem eingetretenen Schaden (BGE 119 V 337 Erw. 1 mit Hinweisen) und zur Adäquanzbeurteilung bei psychischen Störungen nach Berufskrankheiten (BGE 125 V 464 Erw. 5d; RKUV 2002 Nr. U 468 S. 516) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen über den Begriff der Invalidität (Art. 18 Abs. 2 Satz 1 UVG) und die Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der Methode des Einkommensvergleichs (Art. 18 Abs. 2 Satz 2 UVG). Darauf kann verwiesen werden. 
 
Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (hier: 15. März 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2). 
2. 
Was zunächst den Gesundheitszustand und die zumutbare Arbeitsfähigkeit im Zeitpunkt des Erlasses des Einspracheentscheids (vgl. BGE 122 V 422 Erw. 4a, 121 V 366 Erw. 1b, je mit Hinweisen) anbelangt, ist aus den Akten ersichtlich und unbestritten, dass die Beschwerdeführerin an einer Berufskrankheit nach Art. 9 Abs. 1 UVG in Form einer Sensibilisierung auf Isocyanate leidet und aus diesem Grund in der bisherigen Tätigkeit nicht mehr arbeitsfähig ist. Ebenfalls unbestritten ist, dass die Versicherte aus somatischen Gründen in einer Tätigkeit, welche nicht mit der Exposition zu Isocyanaten verbunden ist, voll arbeitsfähig ist. Während im vorinstanzlichen Verfahren noch eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aus psychischen Gründen geltend gemacht wurde, wird im vorliegenden Verfahren nicht mehr bestritten, dass die psychischen Beschwerden nicht in einem adäquaten Kausalzusammenhang zur Berufskrankheit stehen und deshalb bei der Prüfung der Leistungspflicht der Unfallversicherung - im Gegensatz zur Invalidenversicherung - keine Berücksichtigung finden. Mit Verwaltung und Vorinstanz ist somit von einer vollen Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit auszugehen. 
3. 
Streitig und zu prüfen ist sodann, ob die Unverträglichkeit mit Isocyanaten eine Erwerbseinbusse zur Folge hat. 
3.1 Das hypothetische Valideneinkommen wurde von der SUVA für das Jahr 2000 gestützt auf eine Auskunft der früheren Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin vom 9. November 2000 auf Fr. 47'970.- festgesetzt, was unbestritten und auf Grund der Akten nicht zu beanstanden ist. 
3.2 
3.2.1 Das Invalideneinkommen hat die SUVA auf Grund von Lohnangaben aus der internen Dokumentation von Arbeitsplätzen (DAP) auf Fr. 47'000.- bis Fr. 50'000.- festgesetzt und den Anspruch auf eine Invalidenrente daher verneint. Die Vorinstanz hielt das Vorgehen der SUVA für korrekt und hat das Ergebnis bestätigt. Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, die Unfallversicherung sei an das seitens der Invalidenversicherung festgelegte Invalideneinkommen gebunden. Sie verlangt die Ermittlung dieses Einkommens gestützt auf die Tabellenlöhne sowie die Vornahme eines 15%igen Abzuges, was im Vergleich zum Valideneinkommen einen Invaliditätsgrad von 23 % ergebe. 
3.2.2 Für die Bestimmung des Invalideneinkommens ist primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität eine Erwerbstätigkeit aus, bei der - kumulativ - besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass sie die ihr verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft, und erscheint zudem das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn, gilt grundsätzlich der tatsächlich erzielte Verdienst als Invalidenlohn. Ist kein solches tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen gegeben, namentlich weil die versicherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, so können nach der Rechtsprechung entweder Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) oder die so genannten DAP-Zahlen herangezogen werden (BGE 126 V 76 Erw. 3b mit Hinweisen; RKUV 1999 Nr. U 343 S. 412). Zum Verhältnis der beiden Methoden hat das Eidgenössische Versicherungsgericht im letztgenannten Urteil festgestellt, den DAP-Zahlen komme kein genereller Vorrang gegenüber den Tabellenlöhnen zu. Offen blieb, auf welche Methode im Einzelfall abzustellen ist. 
Im zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteil C. vom 28. August 2003, U 35/00 und U 47/00, räumte das Eidgenössische Versicherungsgericht ein, dass ein ungeregeltes Nebeneinander der beiden Verfahren in dem Sinne, dass nach freiem Ermessen entweder die eine oder die andere Methode gewählt werden kann, nicht zu befriedigen vermöge. Eine einheitliche und rechtsgleiche Praxis liesse sich am ehesten über eine Prioritätenordnung gewährleisten. Diese abschliessend festzulegen sei beim gegenwärtigen Stand der Dinge indessen schwierig (oben zitiertes Urteil, Erw 4.2.1). Nach Darstellung der sich je aus ihrer Entstehung und Eigenart ergebenden Vor- und Nachteile der beiden Methoden umschrieb das Eidgenössische Versicherungsgericht die Voraussetzungen dafür, dass die Ermittlung des Invalideneinkommens gestützt auf die Lohnangaben aus der DAP im Einzelfall bundesrechtskonform ist. Das Abstellen auf DAP-Löhne setzt demnach voraus, dass, zusätzlich zur Auflage von mindestens fünf DAP-Blättern, Angaben gemacht werden über die Gesamtzahl der auf Grund der gegebenen Behinderung in Frage kommenden dokumentierten Arbeitsplätze, über den Höchst- und den Tiefstlohn sowie über den Durchschnittslohn der entsprechenden Gruppe. Sind die erwähnten verfahrensmässigen Anforderungen nicht erfüllt, könne nicht auf den DAP-Lohnvergleich abgestellt werden (zitiertes Urteil, Erw. 4.2.1 und 4.2.2). Schliesslich seien bei der Ermittlung des Invalideneinkommens gestützt auf DAP-Profile Abzüge nicht sachgerecht und nicht zulässig (zitiertes Urteil, Erw. 4.2.3). 
3.2.3 Im vorliegenden Fall bilden die von der SUVA verwendeten DAP-Profile allein im Lichte von Erw. 3.2.2 hievor keine genügende Grundlage für die Festsetzung des Invalideneinkommens, lässt sich doch mangels der verlangten zusätzlichen Angaben und entsprechenden Unterlagen in diesem Verfahren das Auswahlermessen der SUVA nicht überprüfen. Das Invalideneinkommen ist daher gestützt auf die LSE zu ermitteln. Nicht gefolgt werden kann der Beschwerdeführerin, wenn sie behauptet, die SUVA sei diesbezüglich an das von der Invalidenversicherung festgelegte Einkommen gebunden, sind doch dort - entgegen den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde - die psychischen Faktoren, für welche die Unfallversicherung nicht leistungspflichtig ist, miteingeschlossen worden. 
 
Gemäss Tabelle TA1 der LSE 2000 belief sich der Zentralwert für die mit einfachen und repetitiven Arbeiten (Anforderungsniveau 4) beschäftigten Frauen für eine 40-Stundenwoche im privaten Sektor, auf welchen bei der Festsetzung des Invalideneinkommens anhand von Tabellenlöhnen grundsätzlich abgestellt wird (zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil C. vom 28. August 2003, U 35/00 und U 47/00, Erw. 4.3.2; RKUV 2001 Nr. U 439 S. 347), auf Fr. 3658.-, was umgerechnet auf die betriebsübliche durchschnittliche Arbeitszeit für das Jahr 2000 von 41,8 Stunden (Die Volkswirtschaft, 9/2003, S. 102 Tabelle B 9.2) einem Jahreseinkommen von Fr. 45'871.- entspricht. Was den Abzug vom Tabellenlohn anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass das Eidgenössische Versicherungsgericht in BGE 126 V 75 ff. die bisherige Praxis dahingehend präzisiert hat, dass die Frage, ob und in welchem Ausmass Tabellenlöhne herabzusetzen sind, von sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen des konkreten Einzelfalls (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad) abhängig ist. Der Einfluss sämtlicher Merkmale auf das Invalideneinkommen ist nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen, wobei der Abzug auf höchstens 25 % zu begrenzen ist (BGE 126 V 79 Erw. 5b/aa-cc). Vorliegend ist unter Würdigung der gesamten Umstände ein Abzug vom Tabellenlohn nicht gerechtfertigt, dies im Gegensatz zur Invalidenversicherung, wo ein solcher zufolge der psychischen Beschwerden hauptsächlich mit dem Beschäftigungsgrad und der lohnmässigen Benachteiligung der gesundheitlich beeinträchtigten Versicherten begründet wurde. Vielmehr ist hier davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin aus somatischer Sicht vollumfänglich arbeitsfähig ist und in einer Tätigkeit ohne Exposition zu Isocyanaten keine weiteren Einschränkungen erleidet. Stellt man das Invalideneinkommen von Fr. 45'871.- dem Valideneinkommen von Fr. 47'970.- gegenüber, ergibt sich ein Invaliditätsgrad von rund 4 %. Angesichts der Geringfügigkeit der ermittelten Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit lässt es sich im Ergebnis somit nicht beanstanden, wenn SUVA und Vorinstanz von der Zusprechung einer Invalidenrente abgesehen haben (vgl. Urteil Z. vom 5. Februar 2001, U 414/00, und Urteil M. vom 3. Februar 2003, U 151/00), dies auch in Anbetracht der Tatsache, dass Art. 18 Abs. 1 UVG in der ab 1. Juli 2001, somit nur 3 ½ Monate nach Erlass des Einspracheentscheids, geltenden Fassung für den Anspruch auf eine Invalidenrente einen Invaliditätsgrad von mindestens 10 % voraussetzt. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 29. Dezember 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: