Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.621/2005 /ggs 
 
Urteil vom 10. Januar 2006 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann, 
Gerichtsschreiber Haag. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Beeler, 
 
gegen 
 
Bezirksamt Bischofszell, Poststrasse 5b, 9220 Bischofszell, 
Präsident der Anklagekammer des Kantons Thurgau, Marktgasse 9, Postfach 339, 9220 Bischofszell. 
 
Gegenstand 
Haftüberprüfungsverfahren, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Präsidenten der Anklagekammer des Kantons Thurgau 
vom 16. September 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Aufgrund eines Haftbefehls des Bezirksamts Bischofszell vom 6. September 2005 wurde X.________ am 9. September 2005 wegen Verdachts auf mehrfache Drohungen und Tätlichkeiten sowie Kollusions- und Fortsetzungsgefahr festgenommen und vom Untersuchungsrichter am selben Tag in Untersuchungshaft versetzt. Mit Entscheid vom 16. September 2005 erklärte der Präsident der Anklagekammer des Kantons Thurgau die Untersuchungshaft einstweilen bis zum 24. September 2005 für zulässig (Ziff. 2 des Dispositivs). Er verpflichtete X.________ zur Bezahlung der Verfahrensgebühr von Fr. 400.- und sprach seinem Offizialanwalt eine Entschädigung von Fr. 950.- zu Lasten des Staates zu (Ziff. 4 des Dispositivs). 
B. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 20. September 2005 (Mitteilung per Fax, Postaufgabe am 22. September 2005) beantragt X.________, die Ziff. 2 und 4 des Entscheids des Präsidenten der Anklagekammer seien aufzuheben, und er sei unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
C. 
Im Anschluss an eine Einvernahme durch den Bezirksstatthalter von Bischofszell wurde X.________ am 21. September 2005 aus der Untersuchungshaft entlassen. 
D. 
Der Präsident der Anklagekammer beantragt in der Sache, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Der Beschwerdeführer äussert sich mit Eingabe vom 14. Dezember 2005 zur Vernehmlassung des Präsidenten der Anklagekammer. Er verlangt Einsicht in die Weisungen des Präsidenten der Anklagekammer vom 12. September 2005 betreffend Haftanordnung durch den Untersuchungsrichter (act. 10). Am 16. Dezember 2005 stellte das Bundesgericht dem Beschwerdeführer eine Kopie der genannten Weisungen zu. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 88 OG muss ein Beschwerdeführer grundsätzlich ein aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids bzw. an der Überprüfung der erhobenen Rügen haben; dieses Rechtsschutzinteresse muss auch noch im Zeitpunkt der Urteilsfällung vorliegen (BGE 125 I 394 E. 4a S. 397; 120 Ia 165 E. 1a S. 166, je mit Hinweisen). 
1.1.1 Ein aktuelles Rechtsschutzinteresse fehlt insbesondere dann, wenn der Nachteil auch bei Gutheissung der Beschwerde nicht mehr behoben werden könnte (BGE 125 II 86 E. 5a S. 96; 118 Ia 488 E. 1a S. 490, je mit Hinweisen). Vom Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses wird allerdings dann abgesehen, wenn sich die aufgeworfene Frage jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnte, an ihrer Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und eine rechtzeitige verfassungsgerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (BGE 129 I 113 E. 1.7 S. 119; 127 I 164 E. 1a S. 166; 125 I 394 E. 4b S. 397, je mit Hinweisen). 
 
An diesen Voraussetzungen fehlt es bei der Mehrzahl der Beschwerden, mit denen die Verfassungs- und Konventionswidrigkeit der Anordnung oder Erstreckung einer inzwischen dahingefallenen Untersuchungshaft gerügt wird. Die damit aufgeworfenen Fragen können sich in der Regel nicht mehr unter gleichen oder ähnlichen Umständen stellen. Vielmehr ist das Vorliegen von Haftgründen im Einzelfall zu prüfen. Das Bundesgericht ist demnach auch nur ganz ausnahmsweise auf Beschwerden eingetreten, bei welchen das aktuelle praktische Interesse an der Haftprüfung dahingefallen war (BGE 125 I 394 E. 4b S. 397 f. mit Hinweisen). 
1.1.2 Im vorliegenden Fall wird in Bezug auf die Zulässigkeit der Untersuchungshaft in erster Linie die Weiterführung der Haft wegen Kollusionsgefahr sowie die kantonale Zuständigkeitsordnung beanstandet. Es stellen sich dabei keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die sofort höchstrichterlich beantwortet werden müssten. Vielmehr steht der Einzelfall im Vordergrund mit den Fragen, ob die Weiterführung der Haft im Einzelnen gerechtfertigt war und vor der Verfassung und der Menschenrechtskonvention standhielt. Entsprechende Fragen können sich bei jeder Haftanordnung stellen und lassen sich im Normalfall durch Haftbeschwerden bei den kantonalen Instanzen gerichtlich beurteilen. Soweit der Beschwerdeführer die im Kanton Thurgau für das Haftverfahren geltende Zuständigkeitsordnung kritisiert, ergibt sich aus der Stellungnahme des Präsidenten der Anklagekammer, dass die kantonalen Behörden beabsichtigen, den bundesgerichtlichen Erwägungen im Urteil 1P.500/2005 vom 7. September 2005 Rechnung zu tragen. Auch diesbezüglich ist somit nicht davon auszugehen, dass sich die aufgeworfenen Fragen jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnten und eine rechtzeitige verfassungsgerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre. 
1.1.3 Der Beschwerdeführer wurde am 21. September 2005, d.h. vor der Einreichung der vorliegenden Beschwerde, welche am 22. September 2005 der Post übergeben wurde, aus der Untersuchungshaft entlassen. Es liegt somit kein Fall vor, in welchem das Rechtsschutzinteresse erst nach Einreichung der Beschwerde beim Bundesgericht wegfiel. Die Mitteilung der Beschwerde am 20. September 2005 per Fax ändert daran nichts (vgl. BGE 121 II 252 E. 4b S. 256). 
 
Das Verfahren ist somit, soweit es die Zulässigkeit der Untersuchungshaft betrifft, nicht in Anwendung von Art. 40 OG in Verbindung mit Art. 72 BZP wegen des nachträglichen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses als erledigt abzuschreiben (vgl. BGE 118 Ia 488 E. 1a S. 490 und E. 3c S. 494). Vielmehr kann auf die Beschwerde im genannten Punkt nicht eingetreten werden, weil das Rechtsschutzinteresse bereits im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde nicht mehr bestand. 
1.2 Der Beschwerdeführer verlangt auch die Aufhebung der in Ziff. 4 des angefochtenen Entscheids enthaltenen Kostenregelung. Er macht geltend, die Entschädigung seines Offizialverteidigers sei zu tief festgesetzt worden. 
 
Zu dieser Rüge ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts nur der Offizialverteidiger selbst befugt. Das Mandat, für eine unbemittelte Partei als amtlicher Verteidiger tätig zu werden, kann verbindlich nur durch den Kanton selbst erteilt werden und stellt für den Offizialverteidiger die Übernahme einer staatlichen Aufgabe dar (BGE 122 I 1 E. 3 S. 2; 117 Ia 22 E. 4a S. 23; 113 Ia 69 E. 6 S. 71, je mit Hinweisen). Daraus ergibt sich, dass der Anwalt selbst ein rechtlich geschütztes Interesse an einer verfassungsrechtlich korrekten Festsetzung seiner Entschädigung hat. Dieser hätte somit die entsprechende Rüge in eigenem Namen erheben müssen. Da er dies unterlassen hat und die vorliegende Beschwerde ausschliesslich im Namen von X.________ erhob, kann im vorliegenden Verfahren auch auf die Kritik an der Entschädigung des Offizialverteidigers nicht eingetreten werden. Der Umstand, dass der Rechtsvertreter in anderen Verfahren für den Beschwerdeführer aufgrund eines privatrechtlichen Auftragsverhältnisses tätig ist, führt zu keiner anderen Beurteilung, da im vorliegenden Fall lediglich die Entschädigung für das Haftverfahren zur Diskussion steht. 
2. 
Es ergibt sich, dass auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden kann. 
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, weil die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 152 OG). 
 
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 159 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
1. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bezirksamt Bischofszell und dem Präsidenten der Anklagekammer des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 10. Januar 2006 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: