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«AZA 0» 
U 211/98 Ge 
 
 
IV. Kammer 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiberin Keel 
 
 
Urteil vom 25. Mai 2000 
 
in Sachen 
R.________, , Beschwerdeführerin, vertreten durch die X.________, 
 
gegen 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt Luzern, Beschwerdegegnerin, 
und 
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur 
 
 
 
A.- Die 1969 geborene R.________ arbeitete seit Ende 1990 als Prägerin bei der Firma P.________ AG und war in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 15. Juni 1991 war R.________ als Beifahrerin in einen Auffahrunfall verwickelt. Der von ihr am nächsten Tag wegen Schmerzen im Kopf- und Nackenbereich sowie etwas Brechreiz und Übelkeit aufgesuchte Hausarzt Dr. med. C.________, Innere Medizin FMH, diagnostizierte ein Schleudertrauma im Bereich der Halswirbelsäule (HWS). Die SUVA kam für die Heilbehandlung auf und richtete Taggelder aus. Mit Verfügung vom 19. April 1994 sprach sie der Versicherten rückwirkend ab 1. April 1994 eine Invalidenrente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 33,33 % zu, woran sie mit Einspracheentscheid vom 16. September 1994 festhielt. Die von R.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 16. Dezember 1994 teilweise gut und wies die Sache an die SUVA zurück, damit sie über den Rentenanspruch neu befinde. Die SUVA beauftragte daraufhin Prof. Dr. med. M.________, Spezialarzt für Neurologie FMH, mit der Begutachtung und teilte R.________ gestützt auf dessen Expertise vom 20. September 1995 mit, dass sie eine reformatio in peius in Betracht ziehe. Nachdem die Versicherte von der Möglichkeit, das Begehren zurückzuziehen, keinen Gebrauch gemacht hatte, stellte die SUVA die Rente mit Wirkung auf den 1. Januar 1996 ein mit der Begründung, es lägen keine somatisch invalidisierenden Unfallfolgen mehr vor und die vorgebrachten psychischen Beschwerden stünden in keinem adäquat-kausalen Zusammenhang zum Unfallereignis vom 15. November 1995 (Verfügung vom 15. November 1995). Die von R.________ hiegegen erhobene Einsprache lehnte die SUVA mit Entscheid vom 24. September 1996 ab. 
 
B.- Beschwerdeweise liess R.________ beantragen, der Einspracheentscheid sei aufzuheben, es sei ein Gutachten durch einen unabhängigen Facharzt anzuordnen und Dr. med. E.________ als Gutachter zu bestellen; eventualiter sei ihr eine 15%ige Invalidenrente zu bestätigen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden holte bei Prof. Dr. med. D.________, Chefarzt Neurologie an der Klinik Y.________, ein Obergutachten vom 1. Juli 1998 (mit Bericht über ein psychiatrisches Konsilium der Dr. med. K.________, Oberärztin an der Psychiatrischen Klinik Z.________, vom 15. Mai 1997) ein und gab den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Entscheid vom 27. März 1998 wies es die Beschwerde ab. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt R.________ beantragen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr eine 30%ige Unfallinvalidenrente als Komplementärrente zur Invalidenversicherung zuzusprechen. 
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, lässt sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen. 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Zu prüfen ist, ob die SUVA die Rentenleistungen zu Recht mit Wirkung auf den 1. Januar 1996 eingestellt hat mit der Begründung, es lägen keine somatischen Unfallfolgen mehr vor und die psychischen Beschwerden ständen nicht in adäquat kausalem Zusammenhang mit dem Unfall vom 15. Juni 1991. 
 
2.- Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers zunächst vorausgesetzten natürlichen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) und adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 122 V 416 Erw. 2a, 121 V 49 Erw. 3a; vgl. auch BGE 123 V 103 Erw. 3d, 139 Erw. 3c, 123 III 112 Erw. 3a) zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Hinweise auf die unfallbezogenen Kriterien, nach welchen sich praxisgemäss beurteilt, ob es sich bei einer psychischen Fehlentwicklung um eine adäquate Unfallfolge handelt, für welche der Unfallversicherer einzustehen hat (BGE 115 V 138 Erw. 6). Darauf kann verwiesen werden. 
Zu ergänzen ist, dass nach der Rechtsprechung bei der Beurteilung der Adäquanz von psychischen Unfallfolgeschäden zunächst abzuklären ist, ob die versicherte Person beim Unfall ein Schleudertrauma der HWS, eine dem Schleudertrauma äquivalente Verletzung (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2) oder ein Schädel-Hirntrauma erlitten hat. Ist dies der Fall, sind bei Unfällen aus dem mittleren Bereich die in BGE 117 V 366 Erw. 6a und 382 Erw. 4b umschriebenen Kriterien anzuwenden. Andernfalls erfolgt die Adäquanzbeurteilung in den dem mittleren Bereich zuzuordnenden Fällen nach den Kriterien gemäss BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa (siehe zur Begründung der teilweise unterschiedlichen Kriterien: BGE 117 V 366 Erw. 6a, letzter Absatz). 
Ergeben die Abklärungen, dass die versicherte Person ein Schleudertrauma der HWS, eine diesem äquivalente Verletzung oder ein Schädel-Hirntrauma erlitten hat, ist zusätzlich zu beurteilen, ob die zum typischen Beschwerdebild einer solchen Verletzung gehörenden Beeinträchtigungen zwar teilweise vorliegen, im Vergleich zur psychischen Problematik aber ganz in den Hintergrund treten. Ist dies zu bejahen, sind für die Adäquanzbeurteilung bei Fällen aus dem mittleren Bereich die in BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa für Unfälle mit psychischen Folgeschäden festgelegten Kriterien (und nicht jene für Fälle mit Schleudertrauma der HWS, äquivalenter Verletzung oder Schädel-Hirntrauma gemäss BGE 117 V 366 Erw. 6a und 382 Erw. 4b) massgebend (BGE 123 V 99 Erw. 2a). 
 
3.- Dr. med. D.________ gelangte in seinem Obergutachten vom 1. Juli 1998 zum Ergebnis, dass das posttraumatische cervico-cephale Schmerzsyndrom, an welchem die Beschwerdeführerin leide, stark funktionell überlagert sei, wofür sowohl die anamnestischen Angaben mit dem spät hinzugekommenen Brachialsyndrom sprächen als auch die klinischen, etwas divergierenden und nicht typischen Befunde mit ruckartigen Innervationen der paravertebralen Muskulatur sowie die Unmöglichkeit, die Arme zu heben, ohne dass neurologisch bzw. neuropsychologisch ein Ausfall eruiert werden könne. Diese funktionelle Überlagerung und Aggravation der offensichtlich nach einem Trauma entstandenen Schmerzsymptomatik sei möglicherweise bzw. wahrscheinlich in Zusammenhang mit der prätraumatischen Persönlichkeitsstruktur der Versicherten zu verstehen und zu interpretieren. Allerdings sei der prätraumatischen Persönlichkeitsstruktur mit all den negativen Faktoren nicht alles anzulasten. Immerhin sei es der Versicherten gelungen, aus eigenem Willen der Drogensucht und auch im Langzeitverlauf nach dem Trauma der Invalidisierung bzw. der drohenden Arbeitslosigkeit zu entkommen. Verglichen mit ähnlich gelagerten Fällen und unter Berücksichtigung der möglichen, vorbestehenden und sich möglicherweise negativ auswirkenden Persönlichkeitsstruktur auf die Unfallfolgen gehe er zum jetzigen Zeitpunkt aus somatischer und neuropsychologischer Sicht von einer Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit um 30 % aus. Im Übrigen verwies er auf die Beurteilung durch Dr. med. K.________ vom 15. Mai 1997, wonach das heutige psychische Zustandsbild vorwiegend auf eine hirnorganische Genese im Sinne von posttraumatisch, bedingt durch das HWS-Schleudertrauma, hinweise. 
 
4.- a) Die Vorinstanz ist auf Grund dieser fachärztlichen Aussagen zutreffend davon ausgegangen, dass die festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 117 V 379 Erw. 3e, 115 V 142 Erw. 8b) zumindest teilweise auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, was für die Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhanges praxisgemäss genügt (BGE 119 V 338 mit Hinweisen). 
 
b) Im angefochtenen Entscheid wird die Adäquanz des Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfall und den Beschwerden zu Recht gestützt auf die Kriterien gemäss BGE 117 V 367 Erw. 6a geprüft, weil auf Grund der gutachtlichen Stellungnahmen nicht gesagt werden kann, die zum typischen Beschwerdebild der HWS-Verletzung gehörenden Beeinträchtigungen träten im Vergleich zur bestehenden psychischen Problematik ganz in den Hintergrund. Mit Blick auf die von der Rechtsprechung in vergleichbaren Auffahrkollisionen vor einem Lichtsignal oder einem Fussgängerstreifen vorgenommene Einteilung (nicht veröffentlichte Urteile Z. vom 19. November 1999, U 171/98, K. vom 20. März 1998, U 262/97, und D. vom 6. Juni 1997, U 187/95) ist der vorliegende Unfall, wovon die Vorinstanz zutreffend ausgegangen ist, dem Grenzbereich zu den leichten Fällen zuzuordnen. Damit die Adäquanz des Kausalzusammenhangs bejaht werden könnte, müssten demnach die weiteren zu berücksichtigenden Kriterien in gehäufter oder auffallender Weise erfüllt sein. Dies trifft vorliegend nicht zu. Denn die Dauerschmerzen, die nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz als einziges Kriterium erfüllt sind, genügen nicht für die Bejahung der Adäquanz des Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfall und den gesundheitlichen Störungen mit Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Da somit dem Unfallereignis für die Entstehung der festgestellten Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit keine massgebende Bedeutung zukommt, hat die Vorinstanz die Adäquanz des Kausalzusammenhanges zu Recht verneint. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge- 
richt des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für 
Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 25. Mai 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
 
 
 
Die Gerichtsschreiberin: