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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_605/2007 
 
Urteil vom 18. April 2008 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Seiler, 
Gerichtsschreiber Schmutz. 
 
Parteien 
K.________, Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Firma X.________, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn 
vom 30. Juli 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
K.________, geboren 1919, vermietet Dauerstandplätze an Besitzer von Wohnwagen. Am 13. März 2006 meldete die Steuerveranlagungsbehörde der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn für K.________ für das Jahr 2004 ein aus selbstständiger Erwerbstätigkeit erzieltes Einkommen von Fr. 62'357.- und ein im Betrieb investiertes Kapital von Fr. 0.-. Gestützt auf diese Angaben setzte die Ausgleichskasse mit Nachtragsverfügung vom 22. März 2006 die persönlichen Beiträge von K.________ für das Jahr 2004 unter Abzug des Einkommensfreibetrags für AHV-Rentner auf Fr. 5'068.80 fest. Die dagegen eingereichte Einsprache wies sie mit Entscheid vom 26. Juni 2006 ab. 
 
B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn wies die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 30. Juli 2007 ab. 
 
C. 
K.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, sie sei unter Aufhebung der angefochtenen Entscheide von ihrer Einstufung als selbstständig Erwerbende und damit von der AHV-Beitragspflicht zu befreien. 
Vorinstanz und Ausgleichskasse beantragen Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob der von der Beschwerdeführerin im Jahre 2004 mit der Vermietung von Campingplätzen erzielte Ertrag AHV-beitragspflichtiges Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit darstellt. 
 
2.1 Gemäss Art. 4 Abs. 1 AHVG schulden die erwerbstätigen Versicherten Beiträge auf dem aus einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit fliessenden Einkommen. Nach Art. 9 Abs. 1 AHVG (in der seit 1. Januar 1948 geltenden, unverändert gebliebenen Fassung) ist Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit jedes Erwerbseinkommen, das nicht Entgelt für in unselbstständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt. Als selbstständiges Einkommen gelten laut Art. 17 AHVV (in der hier anwendbaren Fassung gemäss Änderung vom 1. März 2000, in Kraft seit 1. Januar 2001, in Verbindung mit SchlBest der Änderung Abs. 1) alle in selbstständiger Stellung erzielten Einkünfte aus einem Handels-, Industrie-, Gewerbe-, Land- und Forstwirtschaftsbetrieb, aus einem freien Beruf, sowie aus jeder anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit, einschliesslich der Kapital- und Überführungsgewinne nach Art. 18 Abs. 2 DBG und der Gewinne aus der Veräusserung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken nach Art. 18 Abs. 4 DBG, mit Ausnahme der Einkünfte aus zu Geschäftsvermögen erklärten Beteiligungen nach Art. 18 Abs. 2 DBG
 
2.2 Nach Art. 23 Abs. 1 AHVV obliegt es in der Regel den Steuerbehörden, das für die Berechnung der Beiträge Selbstständigerwerbender massgebende Erwerbseinkommen auf Grund der rechtskräftigen Veranlagung für die direkte Bundessteuer und das im Betrieb investierte Eigenkapital auf Grund der entsprechenden rechtskräftigen kantonalen Veranlagung zu ermitteln. Die Angaben der Steuerbehörden hierüber sind für die Ausgleichskassen verbindlich (Art. 23 Abs. 4 AHVV). 
 
2.3 Die absolute Verbindlichkeit der Angaben der Steuerbehörden für die Ausgleichskassen und die daraus abgeleitete relative Bindung des Sozialversicherungsgerichts an die rechtskräftigen Steuertaxationen sind auf die Bemessung des massgebenden Einkommens und des betrieblichen Eigenkapitals beschränkt. Diese Bindung betrifft also nicht die beitragsrechtliche Qualifikation und beschlägt daher die Frage nicht, ob überhaupt Erwerbseinkommen vorliegt und ob die Person, die das Einkommen bezogen hat, beitragspflichtig ist. Somit haben die Ausgleichskassen ohne Bindung an die Steuermeldung auf Grund des AHV-Rechts zu beurteilen, ob für ein von der Steuerbehörde gemeldetes Einkommen eine Beitragspflicht besteht und wer allenfalls beitragspflichtig ist. 
Auch hinsichtlich der Beurteilung, ob selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit vorliegt, sind die Ausgleichskassen nicht an die Meldungen der kantonalen Steuerbehörden gebunden. Allerdings sollen sie sich bei der Qualifikation des Erwerbseinkommens in der Regel auf die Steuermeldungen verlassen und eigene nähere Abklärungen nur dann vornehmen, wenn sich ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Steuermeldung ergeben. Diese Beurteilungskompetenz der Ausgleichskassen gilt umso mehr dann, wenn bestimmt werden muss, ob eine versicherte Person überhaupt erwerbstätig ist oder nicht. Daher rechtfertigt es sich, die Ausgleichskassen auch selbstständig beurteilen zu lassen, ob ein von der Steuerbehörde gemeldetes Kapitaleinkommen als Erwerbseinkommen zu qualifizieren ist (BGE 111 V 294, 110 V 85 E. 4 S. 86 und 369 E. 2a S. 370, 102 V 27 E. 3b S. 30, 98 V 18 E. 2 S. 20 mit Hinweisen). 
 
3. 
Im vorinstanzlichen Entscheid sind die von Lehre und Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und selbstständiger Erwerbstätigkeit entwickelten Kriterien zutreffend wiedergegeben. Ob eine Erwerbstätigkeit vorliegt, ist immer nach der Gesamtheit der Umstände zu beurteilen (BGE 112 Ib 79 E. 2a S. 81; 122 II 446 E. 3a S. 449). 
 
3.1 Wie die kantonale Instanz richtig darlegt, kann bei der Vermietung von Campingplätzen in Dauermiete die Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zur Verwaltung von Liegenschaften resp. Vermietung von Wohnungen analog übernommen werden. In Anwendung von BGE 111 V 81 E. 2a S. 83 f. kommt sie zum Schluss, dass der hier zu beurteilende Tatbestand der Vermietung von Campingplätzen in Dauermiete allein eine reine Vermögensverwaltung darstellt und gemäss der Rechtsprechung nicht AHV-beitragspflichtig ist. Sie entnimmt jedoch den Akten, dass die Beschwerdeführerin neben der Vermietung der Campingplätze einen Kiosk und ein Camping-Restaurant auf derselben Liegenschaft betreibe (beziehungsweise das Patent dafür innehabe). Insofern komme dem Campingplatz der Charakter einer wirtschaftlichen Unternehmung zu und die Vermietung erweise sich nicht als blosse Vermögensverwaltung. Für das Vorliegen eines Betriebes spreche auch die Tatsache, dass der Campingplatz im Internet auf der Homepage der kantonalen Tourismusorganisation als "gemütlicher Zeltplatz im Grünen" mit Gartenrestaurantbetrieb angeboten werde. Als Folge davon unterliege der Campingplatz als organisierter Betrieb mit Dienstleistungskomponenten der Beitragspflicht (E. 2c). Für das Vorliegen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit sei ebenfalls entscheidend, dass hier das Unternehmerrisiko getragen werde. Aus den Akten sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin in den Jahren 1997/98 aus Eigenkapital Fr. 174'017.- und 2001 Fr. 401'564.- in ihre geerbte Liegenschaft investiert habe. Diese für einen Campingplatzunterhalt beträchtlichen Investitionen seien ein erhebliches Indiz für ein vorhandenes Unternehmerrisiko (E. 3a/b). Zudem habe die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin im Jahr 2000 die Anstellung einer Abwartin für den Campingplatz gemeldet. Die damit verbundenen finanziellen Aufwendungen (Lohnzahlungspflicht, Kündigungsfrist) müssten ebenfalls unter das von der Beschwerdeführerin zu tragende Unternehmerrisiko subsumiert werden (E. 3c). 
 
3.2 Die Beschwerdeführerin rügt, Verwaltung und Vorinstanz hätten den rechtserheblichen Sachverhalt unvollständig oder unrichtig festgestellt. So betreibe weder sie noch eine beauftragte Person einen Kiosk oder ein Camping-Restaurant. Was als Restaurant bezeichnet werde, sei eine einfache Sitzgelegenheit für Campingbenutzer. Vom Internet-Auftritt der Tourismusorganisation habe sie keine Kenntnis gehabt und inzwischen die dort von fremder Seite gemachten Angaben sperren lassen. Der darin enthaltene Hinweis auf die grosse Gartenwirtschaft habe sich zweifellos auf das benachbarte Restaurant Y.________ bezogen und mit dem Campingplatz nichts zu tun gehabt. Dies sei auch bei den genannten Investitionen der Fall gewesen, sie hätten die Liegenschaft mit dem Restaurant Y.________ betroffen. Für das hier massgebende Jahr 2004 habe die Steuerverwaltung denn auch ein im Betrieb investiertes Kapital von Fr. 0.- gemeldet, was von der Beschwerdegegnerin übergangen worden sei. Der Schluss auf ein durch die Anstellung einer Platzwartin zu tragendes Unternehmerrisiko sei unzulässig, da jede Liegenschaft mit Mietwohnungen ab einer gewissen Grösse eine Hauswartung benötige, dort aber kein speziell zu tragendes Unternehmerrisiko hinein interpretiert werde; dies habe auch für eine Platzwartin zu gelten, die praktisch dieselben Aufgaben wie ein Hauswart wahrnehme. 
 
4. 
Die von der Vorinstanz festgestellte, als solche nicht bestrittene, Tatsache, dass die Beschwerdeführerin Inhaberin des Patents für einen Kiosk und ein Camping-Restaurant ist, bildet ein Indiz für Erwerbstätigkeit, ist allerdings für sich allein nicht ausschlaggebend, zumal die Beschwerdeführerin schon vorinstanzlich geltend gemacht hat, das Patent habe nichts mit dem Betrieb des Campingplatzes zu tun. Analoges gilt für die Anstellung einer Abwartin, was auch bei reinen Vermögensanlageobjekten erforderlich ist. Sodann kann entgegen der Ansicht der Vorinstanz aus der Tatsache, dass Investitionen getätigt wurden, nicht auf ein Unternehmerrisiko einer selbstständig erwerbstätigen Person geschlossen werden. Auch in Liegenschaften, die als reine Vermögensanlagen verwaltet werden, müssen häufig Investitionen zum Unterhalt getätigt werden. Die Beschwerdeführerin hat zudem in der Begründung zur vorinstanzlichen Beschwerde dargelegt, sie verwalte als (damals) bald 87-Jährige seit ihrer Verwitwung (1992) und zunehmend mit fremder Hilfe ihr Vermögen, das praktisch ausschliesslich aus privatem Grundbesitz bestehe. Der Campingplatz und die vermieteten Schiffsanlegestege befänden sich auf derselben Parzelle wie das von ihr verpachtete Restaurant Y.________ (dessen Verpachtung offensichtlich nicht als Erwerbstätigkeit qualifiziert wird). Die Parzelle sei mit Hypotheken belastet und ein wesentlicher Teil der Mieterträge für die langjährige Dauerbenutzung diene dazu, den Zinsen- und Amortisationsdienst zu leisten. Dass die Vorinstanz angesichts dieser Ausführungen ohne aktenkundige weitere Abklärungen zu treffen und ohne die von der Beschwerdeführerin beantragte mündliche Anhörung zur Sachverhaltsfeststellung gelangte, die "für einen Campingplatzunterhalt doch beträchtlichen Investitionen" der Jahre 1997-2001 von beinahe Fr. 600'000.- seien "ein erhebliches Indiz für ein vorhandenes Unternehmerrisiko", erweist sich damit als rechtsfehlerhaft. Nach den Akten und auf Grund der Vorbringen der Beschwerdeführerin spricht einiges für, aber auch einiges gegen eine AHV-beitragsrechtliche Qualifikation der Beschwerdeführerin als selbstständig Erwerbende. Wie es sich effektiv verhält, bedarf jedoch der ergänzenden Abklärung im Sinne der gemachten Erwägungen durch die Vorinstanz. 
 
5. 
Zu dem im früheren Verfahrensstadium vorgebrachten beschwerdegegnerischen Argument, der Ertrag aus der betreffenden Liegenschaft sei steuerlich immer als Verdienst aus selbstständiger Erwerbstätigkeit veranlagt worden, ist in E. 2.3 bereits auf die fehlende Verbindlichkeit der Angaben der Steuerbehörden bei der Qualifizierung eines Einkommens als Erwerbseinkommen hingewiesen worden. Die Bindung der Ausgleichskassen an die Meldungen der Steuerbehörden betrifft nicht die beitragsrechtliche Qualifikation und die Ausgleichskassen haben ohne Bindung an die Steuermeldung auf Grund des AHV-Rechts zu beurteilen, wer für ein von der Steuerbehörde gemeldetes Einkommen beitragspflichtig ist. Bei der Übernahme steuerrechtlicher Grundsätze im Zusammenhang mit der Frage, ob Einkünfte und Vermögenszuwächse der AHV-Beitragspflicht unterliegen, ist immer auch im Auge zu behalten, dass im Steuerrecht sowohl Ertrag aus Geschäfts- als auch aus Privatvermögen besteuert wird, und die Qualifikation eines Vermögensbestandteils als Privat- oder Geschäftsvermögen steuerrechtlich häufig ohne Belang ist, da im Steuerbereich der Einkommensbegriff (Art. 16 ff. DBG) auf der Reinvermögenszugangstheorie beruht. Dementsprechend stellt der Vermögensertrag auf Privatvermögen unbekümmert darum, ob ihm eine erwerbliche Tätigkeit zu Grunde liegt oder nicht, steuerbares Einkommen dar. In diesem Sinne ist der AHV-beitragsrechtliche Einkommensbegriff enger als der im Bundessteuerrecht verwendete (BGE 125 V 383 E. 2b S. 386 mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung). 
 
6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 30. Juli 2007 wird aufgehoben. Die Sache wird an das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn zurückgewiesen, damit es im Sinne der Erwägungen verfahre. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2000.- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
Luzern, 18. April 2008 
 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
 
Meyer Schmutz