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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_230/2022  
 
 
Urteil vom 30. September 2022  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Stadelmann, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
nebenamtliche Bundesrichterin Truttmann, 
Gerichtsschreiber Williner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Sozialversicherungsamt Schaffhausen, 
AHV-Ausgleichskasse, 
Oberstadt 9, 8200 Schaffhausen, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 8. April 2022 (63/2019/18). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Anfangs 2016 zog der mittlerweile geschiedene (Scheidungsurteil vom 17. Dezember 2018) A.________ in den Kanton Schaffhausen, nachdem er zuvor als "Weltenbummler" während Jahren über keinen festen Wohnsitz verfügt hatte. Am 28. Mai 2019 meldete er sich beim Sozialversicherungsamt Schaffhausen, AHV-Ausgleichskasse (nachfolgend: Ausgleichskasse), als Nichterwerbstätiger an. Die Ausgleichskasse verfügte am 25. Juni 2019 Akontobeiträge (einschliesslich Verwaltungskosten) für die Jahre 2016 bis 2019 in der Höhe von insgesamt Fr. 98'674.- (je Fr. 24'617.- für die Jahre 2016 bis 2018 und Fr. 24'823.- für das Jahr 2019) sowie Verzugszinsen für die Jahre 2016 bis 2018 in der Höhe von insgesamt Fr. 5488.-. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 10. Juli 2019 fest. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen ohne Durchführung der replikweise beantragten öffentlichen Verhandlung ab (Entscheid vom 30. Dezember 2020). 
 
B.  
Die von A.________ hiegegen eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hiess das Bundesgericht teilweise gut und hob den angefochtenen Entscheid vom 30. Dezember 2020 mit der Begründung auf, es habe für das kantonale Gericht keine Veranlassung und keine Rechtfertigung bestanden, von der grundsätzlichen Verpflichtung zur Durchführung einer öffentlichen Verhandlung ausnahmsweise abzuweichen. Indem die Vorinstanz dennoch auf eine solche verzichtet habe, sei der in Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleisteten Verfahrensgarantie nicht Rechnung getragen worden. Das Bundesgericht wies die Sache deshalb zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück; im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Urteil 9C_71/2021 vom 20. September 2021). Am 25. März 2022 führte das Obergericht des Kantons Schaffhausen eine öffentliche Verhandlung durch. Mit Entscheid vom 8. April 2022 wies es die Beschwerde ab. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, es sei der Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen aufzuheben und die verfügten Verzugszinsen für die Akontobeiträge der Jahre 2016 bis 2018 in der Höhe von insgesamt Fr. 5488.- auf Fr. 0.- zu reduzieren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4). 
 
2.  
Streitig sind einzig die Verzugszinsen für die Jahre 2016 bis 2018. 
 
3.  
 
3.1. Für fällige Beitragsforderungen und Beitragsrückerstattungsansprüche sind Verzugs- und Vergütungszinsen zu leisten (Art. 26 Abs. 1 Satz 1 ATSG i.V.m. Art. 1 AHVG). Gemäss Art. 41bis Abs. 1 lit. b AHVV haben Beitragspflichtige auf für vergangene Kalenderjahre nachgeforderten Beiträgen ab dem 1. Januar nach Ablauf des Kalenderjahres, für welches die Beiträge geschuldet sind, Verzugszinsen zu entrichten. Der Satz für die Verzugs- und der Vergütungszinsen beträgt 5 Prozent im Jahr (Art. 42 Abs. 2 AHVV).  
 
3.2. Davon ausgehend schützte die Vorinstanz die Verzugszinsforderung der Ausgleichskasse betreffend die Jahre 2016 bis 2018. Sie erwog insbesondere, es komme dem Verzugszins die Funktion eines Vorteilsausgleichs wegen verspäteter Zahlung der Hauptschuld zu. Demgegenüber habe er keinen pönalen Charakter, weshalb er unabhängig vom Verschulden (der Beitragspflichtigen, der Ausgleichskasse oder einer anderen Amtsstelle) am Verzug geschuldet sei. Daran ändere auch das gegenwärtig sehr niedrige Zinsniveau nichts, nachdem das Bundesgericht jüngst den Verzugszinssatz von 5 Prozent als nicht willkürlich bezeichnet habe (vgl. dazu Urteil 9C_1/2022 vom 23. Februar 2022 E. 4.2.3).  
 
 
3.3. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, beschränkt sich in weiten Teilen darauf, den Erwägungen des kantonalen Gerichts seine eigene, abweichende Sichtweise gegenüberzustellen, womit er unzulässige, rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid übt (vgl. BGE 145 I 26 E. 1.3). Darauf ist nicht einzugehen.  
Es sind indessen auch die darüber hinausgehenden Vorbringen nicht stichhaltig: 
 
3.3.1. Der Beschwerdeführer behauptet ein Verschulden der Verwaltung und weist in diesem Zusammenhang auf die bundesrätliche Stellungnahme vom 28. Februar 2007 zum Postulat Reimann "Verzugszinsen bei nicht persönlich verursachter Nachzahlung von AHV-Beiträgen" (AB 2007 N. 304 f.) und die in der Folge vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) erlassene Mitteilung an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen Nr. 200 hin. Daraus vermag er nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Abgesehen davon, dass derlei Verwaltungsweisungen für das Gericht nicht verbindlich sind (vgl. BGE 145 V 84 E. 6.1.1; 142 V 442 E. 5.2), sieht die Mitteilung Nr. 200 lediglich die Möglichkeit vor, in den seltenen Fällen, in denen die Ausgleichskasse offensichtlich ein Verschulden an der Entstehung von Verzugszinsen trifft, eine "einzelfallbezogene Lösung" zu treffen. Es wird indessen ausdrücklich betont, dass sich der Bundesrat dagegen ausgesprochen habe, die Verzugszinspflicht vom Verschulden abhängig zu machen. Im Lichte dessen kann mit dem kantonalen Gericht auch offen bleiben, inwiefern den Beschwerdeführer selbst ein Verschulden trifft. Konkret braucht nicht geklärt zu werden, ob dieser nicht von sich aus verpflichtet gewesen wäre, sich nach seiner Rückkehr in die Schweiz bei der zuständigen Ausgleichskasse anzumelden oder sich zumindest bei dieser zu erkundigen, nachdem ihm auch nach mehreren Jahren keine Beitragsrechnungen zugegangen waren.  
 
3.3.2. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, das kantonale Gericht habe Art. 26 Abs. 1 Satz 2 ATSG nicht berücksichtigt, wonach der Bundesrat für geringe Beiträge und kurzfristige Ausstände Ausnahmen vorsehen kann. Mit diesem Einwand lässt er ausser Acht, dass es sich bei Art. 26 Abs. 1 Satz 2 ATSG (und ebenso bei Art. 14 Abs. 4 lit. e AHVG in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung, aufgehoben durch Anhang Ziff. 7 ATSG) um eine Gesetzesdelegation an die Exekutive handelt (vgl. UELI KIESER, Kommentar zum ATSG, 4. Aufl. 2020, N. 32 zu Art. 26 ATSG; AHI-Praxis 2004 S. 55ff.). Von dieser Kompetenz hat der Bundesrat auf dem Gebiet des AHV-Rechts keinen Gebrauch gemacht. Im Gegenteil hat er sich diesbezüglich seit je her für eine strenge Ordnung im Bereich des Verzugszinsinkassos eingesetzt (vgl. AHI-Praxis 2004 S. 55ff.). Der Verzugszins ist in Bezug auf die Nachzahlung von AHV-Beiträgen somit grundsätzlich auch für geringe Beiträge und kurzfristige Ausstände geschuldet. Es braucht deshalb nicht geklärt zu werden, inwiefern sich denn überhaupt rechtfertigte, von solchen auszugehen. Mit Blick auf die Höhe der in Rechnung gestellten Zinsbeträge macht der Beschwerdeführer jedenfalls zu Recht nicht geltend, es wäre aus verwaltungsökonomischen Gründen auf das Inkasso zu verzichten gewesen (vgl. AHI-Praxis 2004 S. 55ff.).  
 
3.3.3. Insofern sich der Beschwerdeführer wie schon im vorinstanzlichen Verfahren auf den Grundsatz von Treu und Glauben beruft, fehlt eine Auseinandersetzung mit den massgeblichen vorinstanzlichen Erwägungen. Es betrifft dies namentlich die Erwägungen des kantonalen Gerichts, wonach das Berufen auf den Vertrauensschutz unter anderem voraussetzt, dass der Bürger im Vertrauen auf eine behördliche Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können. Solches sei, so das kantonale Gericht weiter, weder geltend gemacht noch aus den Akten ersichtlich.  
 
3.4. Ziffernmässig beanstandet der Beschwerdeführer die errechneten Verzugszinsen für die Jahre 2016 bis 2018 nicht und mangels ins Auge springender Sachverhalts- oder Rechtsfehler ist darauf nicht zurückzukommen (vgl. Art. 107 Abs. 1 BGG).  
 
4. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. September 2022 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Stadelmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Williner