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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 412/04 
 
Urteil vom 22. Dezember 2004 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger; Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Parteien 
IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
K.________, 1967, Beschwerdegegner, vertreten durch den Rechtsdienst für Behinderte, Schützenweg 10, 3014 Bern 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn 
 
(Entscheid vom 14. Juni 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 16. September 2002 sprach die IV-Stelle des Kantons Solothurn K.________, geboren 1967, mit Wirkung ab November 1996 eine halbe Rente der Invalidenversicherung zu. Nachdem die Verwaltung mit Verfügung vom 13. November 2002 die von K._______ im Oktober 2002 im Weiteren beantragte Arbeitsvermittlung zugesprochen hatte, stellte sie mit Verfügung vom 22. Juli 2003 ihre diesbezüglichen Bemühungen ein, da keine Stelle gefunden werden konnte. Diese Verfügung wurde durch Einspracheentscheid vom 5. November 2003 bestätigt. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 14. Juni 2004 gut und stellte fest, dass K.________ weiterhin Anspruch auf Arbeitsvermittlung habe. 
C. 
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den vorinstanzlichen Entscheid aufzuheben. 
 
K.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Am 1. Januar 2004 ist die 4. IVG-Revision in Kraft getreten. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 129 V 4 Erw. 1.2), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheides (hier: 5. November 2003) eingetretenen Sachverhalt abstellt (RKUV 2001 Nr. U 419 S. 101), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Bestimmungen anwendbar. 
1.2 Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG bestimmt, dass eingliederungsfähigen invaliden Versicherten nach Möglichkeit geeignete Arbeit vermittelt wird (zu den Voraussetzungen im Detail vgl. BGE 116 V 80 sowie AHI 2003 S. 268). 
2. 
Streitig ist allein die Dauer des Anspruches auf Arbeitsvermittlung; nicht umstritten ist dagegen, dass die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. 
2.1 Die Vorinstanz ist der Auffassung, dass vorliegend eine Betreuungszeit von sieben Monaten zu kurz bemessen war, denn die Vermittlung des Versicherten mit seinen Einschränkungen (seit langer Zeit nicht mehr erwerbstätig, 50% restarbeitsfähig für körperlich nicht belastende Tätigkeiten in lufthygienisch einwandfreier Umgebung) sei äusserst schwierig; so sei es denn auch nicht möglich gewesen, dem Beschwerdegegner einen einzigen Hinweis auf eine offene Stelle zu geben. 
 
Die Beschwerde führende IV-Stelle geht demgegenüber davon aus, dass ihr Stellenvermittler während sieben Monaten aktiv nach einer Stelle gesucht habe und als Fachperson abschätzen könne, ob eine weitere Unterstützung sinnvoll sei. Im Weiteren hätten die Stellenvermittler mehrerer IV-Stellen beschlossen, Arbeitsvermittlung nur in begründeten Ausnahmefällen über sechs Monate hinaus weiterzuführen; abgesehen davon fehlten der Verwaltung die personellen Ressourcen. 
 
Der Beschwerdegegner schliesslich ist der Meinung, dass sich die Verwaltung nicht oder nur am Rande um seine Eingliederung bemüht habe. Je schwieriger die Situation für einen Versicherten sei, desto intensiver müsse die Unterstützung sein resp. die Angemessenheit sei im Verhältnis zur Schwierigkeit der Aufgabe der Stellenvermittlung zu definieren; eine Beschränkung auf sechs Monate sei jedenfalls problematisch. 
2.2 Das Gesetz ist in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text zu Grunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben (BGE 130 II 71 Erw. 4.2, 130 V 50 Erw. 3.2.1, 232 Erw. 2.2, 129 V 284 Erw. 4.2, je mit Hinweisen). 
 
Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG enthält in allen drei Sprachfassungen keine Aussage über die Dauer der Arbeitsvermittlung und auch aus den Materialien lässt sich in dieser Hinsicht nichts ableiten (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung und eines Bundesgesetzes betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 24. Oktober 1958, Sonderdruck S. 44 f. und 123; Stenographisches Bulletin der Bundesversammlung 1959 S. 110 f. sowie 138). 
2.3 Die Arbeitsvermittlung ist eine berufliche Eingliederungsmassnahme, d.h. damit soll die Erwerbsfähigkeit wieder hergestellt, verbessert, erhalten oder ihre Verwertung gefördert werden (Art. 8 Abs. 1 IVG). Anspruch auf Arbeitsvermittlung besteht grundsätzlich sobald und solange die dafür notwendigen Voraussetzungen (BGE 116 V 80, AHI 2003 S. 268) erfüllt sind. Notwendig ist in dieser Hinsicht insbesondere die subjektive Eingliederungsbereitschaft; fehlt diese, so besteht kein Anspruch. Nur in diesem Sinn kann das Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherung über die beruflichen Eingliederungsmassnahmen verstanden werden, in dessen Ziff. 5016 festgehalten wird, dass die Bemühungen zur Arbeitsvermittlung eingestellt werden, wenn sie nicht "innert angemessener Frist zum Ziel [führen], insbesondere weil die vP subjektiv nicht eingliederungsfähig ist, und ... keine konkreten Aussichten auf Erfolg [bestehen]", wobei die Einstellung im Sinne der Ziff. 1009 zu erfolgen hat, welche das Mahn- und Bedenkzeitverfahren bei Verletzung der Schadenminderungs- oder Mitwirkungspflicht regelt. 
2.4 Solange die Voraussetzungen erfüllt sind, ist der Anspruch auf Arbeitsvermittlung grundsätzlich in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzt, sondern besteht - dem Sinn dieser Massnahme entsprechend - bis zur erfolgreichen Eingliederung. In diesem Sinne ist denn auch BGE 103 V 20 Erw. 1 (mit Hinweis auf ZAK 1965 S. 236 Erw. 3) zu verstehen: In diesem Urteil wird festgehalten, dass die Arbeitsvermittlung grundsätzlich beendet ist, sobald der Versicherte platziert und eingegliedert ist (jedoch lag im Fall des BGE 103 V 20 Erw. 1 nicht die Dauer der Eingliederungsmassnahme im Streit, sondern es ging um den Anspruch auf eine Rente, nachdem eine erfolgreich vermittelte Tätigkeit aufgegeben worden war). Trotz dieses Grundsatzes unterliegt aber auch der Anspruch auf Arbeitsvermittlung dem Prinzip der Verhältnismässigkeit (vgl. dazu BGE 119 V 254 Erw. 3a mit Hinweisen), d.h. die Arbeitsvermittlung ist nur solange zu erbringen, als der dafür notwendige Aufwand nicht unverhältnismässig ist. In dieser Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitsvermittlung keine besonders kostspielige Eingliederungsmassnahme darstellt, weshalb zur Anspruchsbegründung bereits ein relativ geringes Mass an gesundheitlich bedingten Schwierigkeiten bei der Suche einer neuen Arbeitsstelle genügt (BGE 116 V 81 Erw. 6a in fine). Dieser Gesichtspunkt ist auch im Hinblick auf die Dauer des Anspruches massgebend. 
 
Die Gewährung der Arbeitsvermittlung wird allerdings dann unverhältnismässig, wenn von weiteren Bemühungen der Verwaltung keinerlei Erfolg erwartet werden kann, obwohl sich die IV-Stelle vorher intensiv bemüht hat. Wann dies der Fall ist, kann nicht generell und für alle denkbaren Fälle gleich festgelegt werden, jedoch erscheint im vorliegenden Fall die von den Stellenvermittlern diverser IV-Stellen festgesetzte Regeldauer von sechs Monaten als zu kurz bemessen, weil es sich um einen schwierigen Fall der Eingliederung handelt. Dass die Organe der Invalidenversicherung nicht über die notwendigen personellen Ressourcen verfügen, um den Auftrag der Arbeitsvermittlung in diesem Ausmass durchführen zu können, ist nicht massgebend, denn solange der Anspruch besteht, kann der Versicherte auf der Erfüllung beharren. Der Gesetzgeber kann zwar - gerade auch aus finanzpolitischen Gründen - die Anspruchsvoraussetzungen strenger ausgestalten oder den Anspruch als solchen zeitlich terminieren, jedoch ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der (hier nicht massgebenden; vgl. Erw. 1.1 hievor) 4. IVG-Revision die Arbeitsvermittlung im Gegenteil eher noch stärker betont worden ist, wird doch seit dem 1. Januar 2004 neu explizit von "aktiver Unterstützung" gesprochen, während bis zum 31. Dezember 2003 nur (aber immerhin) davon gesprochen worden ist, "nach Möglichkeit" geeignete Arbeit zu vermitteln. 
2.5 Im konkreten Fall erscheint eine weitere Gewährung der Arbeitsvermittlung nicht als unverhältnismässig, dies insbesondere deshalb, weil die Verwaltung nicht nachgewiesen hat, dass sie ihrem Vermittlungsauftrag hinreichend nachgekommen ist: Im Gegensatz zum Sommer 2001, als ebenfalls Arbeitsvermittlungsbemühungen stattgefunden haben, findet sich im Jahr 2003 kein einziger Eintrag im Verlaufsprotokoll. Dass sich innerhalb einer Zeitspanne von sieben Monaten (Dezember 2002 bis Juli 2003) keine einzige Stelle finden lassen sollte, welche mindestens eine telephonische Nachfrage rechtfertigen würde, ist nicht leichthin anzunehmen. Die IV-Stelle hat deshalb im Sinne des Gesagten weiterhin Arbeitsvermittlung zu gewähren. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle Solothurn hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 800.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 22. Dezember 2004 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: 
i.V.