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[AZA 0] 
I 572/99 Ge 
 
III. Kammer  
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiber Scartazzini 
 
Urteil vom 23. Mai 2000  
 
in Sachen 
 
T.________, 1953, Beschwerdeführer, vertreten durch 
Rechtsanwalt Hans Schmidt, Ulrichstrasse 14, Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, Zürich, 
Beschwerdegegnerin, 
und 
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
    A.- Mit Verfügung vom 6. März 1997 sprach die IV-Stel- 
le des Kantons Zürich dem 1953 geborenen T.________ mit 
Wirkung ab 1. Juli 1995 eine halbe Invalidenrente sowie 
eine entsprechende Zusatzrente für die Ehefrau und eine 
Kinderrente für das 1988 geborene Kind zu. 
    B.- Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich 
wies eine dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher sinnge- 
mäss die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente verlangt 
wurde, mit Entscheid vom 16. August 1999 ab. 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt T.________ 
sein vorinstanzliches Rechtsbegehren erneuern und 
beantragen, es sei die Sache an die Beschwerdegegnerin zu- 
rückzuweisen, damit diese den Sachverhalt weiter abzuklären 
und die gesetzlichen Leistungen zu erbringen habe. Im Übri- 
gen sei ihm ein unentgeltlicher Rechtsbeistand beizugeben. 
    Die IV-Stelle des Kantons Zürich schliesst auf Abwei- 
sung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für 
Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen. 
    Nach Abschluss des Schriftenwechsels liess der Be- 
schwerdeführer ein psychiatrisches Gutachten vom 12. Feb- 
ruar 2000 einreichen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Die Vorinstanz hat die massgebenden gesetzlichen 
Bestimmungen über die Voraussetzungen und den Umfang des 
Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG), die 
Ermittlung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen 
(Art. 28 Abs. 2 IVG) sowie die Rechtsprechung zur Bedeutung 
ärztlicher Auskünfte bei der Invaliditätsbemessung (BGE 115 
V 134 Erw. 2) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen 
werden. 
 
    2.- Im Verwaltungsverfahren wurde am 17. Juli 1996 von 
Dr. med. S.________ im Auftrag der IV-Stelle ein 
psychiatrisches Gutachten erstellt, in welchem dieser 
festhielt, es liege beim Versicherten eine Angst- und 
Somatisierungsstörung bei einer neurotischen 
Persönlichkeit, mit panikähnlichen Attackenzuständen und 
damit zusammenstehendem Hyperventilationssyndrom vor, die 
zu einer 50%igen Arbeitsunfähigkeit führe. 
    a) Der Beschwerdeführer wendet in seiner Verwaltungs- 
gerichtsbeschwerde ein, das zuhanden der Invalidenversiche- 
rung erstellte psychiatrische Gutachten sei aus mehreren 
Gründen nicht schlüssig, weshalb darauf nicht abgestellt 
werden könne. Zunächst beschwert er sich darüber, dass Dr. 
med. S.________ ihm nicht objektiv gegenübergetreten sei, 
sowohl in Bezug auf eine angebliche Alkoholabhängigkeit als 
auch in Würdigung seiner ausgewiesenen Ausbildung. Zudem 
sei die Dauer der durchgeführten Untersuchung zu kurz aus- 
gefallen und demzufolge unangemessen gewesen. Diese Bean- 
standungen erweisen sich nicht als stichhaltig und sind 
daher nicht in Betracht zu ziehen. 
 
    b) Der Beschwerdeführer rügt sodann den Umstand, dass 
die Bewertung seiner Arbeitsunfähigkeit im besagten Gutach- 
ten nur auf Grund der psychischen Ursachen ermittelt wurde, 
ohne dass dabei abgeklärt worden wäre, in welchem Ausmass 
sich die somatischen Beschwerden zusätzlich auf die Ar- 
beitsfähigkeit auswirken. 
    Diesbezüglich ist einmal festzuhalten, dass der behan- 
delnde Arzt des Versicherten, Dr. med. I.________, nachdem 
er in einem früheren Bericht vom 12. März 1996 trotz vieler 
Unterbrüche prinzipiell eine vollständige Arbeitsfähigkeit 
festgestellt hatte, im vorinstanzlichen Verfahren am 
26. September 1997 eine seit 1. Juli 1995 und bis auf wei- 
teres gegebene 100%ige Arbeitsunfähigkeit attestierte. Nach 
Abschluss des im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde 
durchgeführten Schriftenwechsels liess der Beschwerdeführer 
noch ein auf eigene Veranlassung erstelltes psychiatrisches 
Gutachten einreichen, in welchem Dr. med. H.________ am 12. 
Februar 2000 eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit bestätigte. 
    Es ist sodann zu beachten, dass Dr. med. I.________ 
- auch gestützt auf eine am 31. Januar 1996 erstellte 
neurologische Untersuchung von Dr. med. B.________ - im 
erwähnten Arztbericht vom 12. März 1996 nach einer voll- 
ständigen Arbeitsunfähigkeit ab 1. Januar 1992 eine 100%ige 
Arbeitsfähigkeit zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 
1994 festgestellt hatte, dann aber am 26. September 1997 
- nachdem von ihm bereits am 6. August 1994 vorübergehend 
volle Arbeitsunfähigkeit vom 15. Juli bis zum 5. August 
1994 ausgewiesen wurde - eine ebensolche erst wieder ab 1. 
Juli 1995 attestierte. Im psychiatrischen Gutachten vom 17. 
Juli 1996 hielt Dr. med. S.________ fest, die Gesundheits- 
störungen des Versicherten hätten ab 1. Juli 1996 zu einer 
Arbeitsunfähigkeit von 50 % geführt. Die Verwaltung hat 
ihrerseits die Eröffnung der Wartezeit auf den 1. Juli 1994 
festgelegt, nachdem sie erwogen hatte, dass der Versicher- 
te, dessen Gesundheitsschaden bereits in früher Kindheit 
entstand, vom 1. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1994 an einem 
Arbeitsprogramm teilgenommen hatte und danach jedoch nicht 
mehr arbeitstätig war. Daraus ist ersichtlich, dass für die 
Zeit nach dem 5. August 1994 und bis zum 1. Juli 1995 medi- 
zinisch nichts ausgewiesen ist und die ärztlichen Aussagen 
bezüglich Beginn und Ausmass der Arbeitsunfähigkeit sowie 
deren Berücksichtigung durch die Verwaltung nicht 
übereinstimmen. Unter diesen Umständen ist es notwendig, 
die Sache an die Verwaltung zurückzuweisen, damit diese, 
auch unter Berücksichtigung des am 12. Februar 2000 von Dr. 
med. H.________ neu erstellten Gutachtens, die Durchführung 
einer zusätzlichen psychiatrischen Untersuchung anordne. 
 
    3.- a) In erwerblicher Hinsicht lässt der Beschwerde- 
führer geltend machen, im vorinstanzlichen Entscheid sei 
das Valideneinkommen nicht korrekt ermittelt worden. Auszu- 
gehen sei von den tatsächlichen Einkommen der Jahre 1989 
bis 1991. Da sich das im Jahr 1989 erzielte Einkommen von 
Fr. 56 650.- im Folgejahr auf Fr. 61 274.- und im Jahr 1991 
auf Fr. 64 805.- steigerte, müsse eine durchschnittliche 
Lohnentwicklung von 6,95 % berücksichtigt werden. Bei deren 
Weiterführung bis zum hier massgebenden Jahr 1995 ergebe 
sich ein Valideneinkommen von Fr. 84 782.-, wobei dieses, 
dem durch die Vorinstanz festgelegten Invalideneinkommen 
von Fr. 28 539.- gegenübergestellt, zu einem Invaliditäts- 
grad von 66,33 % führe. Schliesslich sei zu berücksichti- 
gen, dass die in medizinisch-theoretischer Hinsicht bewer- 
tete Einschränkung der Arbeitsfähigkeit mehr als nur gerade 
50 % betrage, weshalb ohnehin klar sei, dass im vorliegen- 
den Fall vom Anspruch auf eine ganze Rente auszugehen sei. 
 
    b) Für die Bezifferung des hypothetischen Validenein- 
kommens kann in der Regel vom letzten Lohn, welchen der 
Versicherte vor Eintritt der Gesundheitsschädigung erzielt 
hat, ausgegangen werden. Dieses Einkommen ist der Lohnent- 
wicklung anzupassen, welche bis zum in tatbeständlicher 
Hinsicht massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses 
(BGE 116 V 248 Erw. 1a) eingetreten ist (ZAK 1991 S. 320 
Erw. 3a); dabei sind nicht nur die teuerungsbedingten Lohn- 
anpassungen, sondern auch die Reallohnentwicklung zu be- 
rücksichtigen (Locher, Grundriss des Sozialversicherungs- 
rechts, Bern 1997, S. 263 Nr. 14). Der ohne Invalidität 
erzielbare Verdienst ist somit unter Berücksichtigung der 
individuellen, persönlichen und beruflichen Verhältnisse 
des Versicherten zu bestimmen (AHI 1998 S. 171 Erw. 5a mit 
Hinweisen), während auf Erfahrungs- und Durchschnittswerte 
- im Sinne der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen 
Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) - nur zurückzu- 
greifen ist, wenn aussagekräftige Anhaltspunkte fehlen 
(Omlin, Die Invalidität in der obligatorischen Unfallver- 
sicherung, Diss. Freiburg 1995, S. 180 f.). Dabei sind nach 
der Rechtsprechung zu Art. 28 Abs. 2 IVG und Art. 18 Abs. 2 
UVG theoretisch vorhandene berufliche Entwicklungs- oder 
Aufstiegsmöglichkeiten jedoch nur dann zu beachten, wenn 
sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eingetreten wären. 
Für die Annahme einer mutmasslichen beruflichen Weiterent- 
wicklung wird daher der Nachweis konkreter Anhaltspunkte 
dafür verlangt, dass der Versicherte einen beruflichen Auf- 
stieg und ein entsprechend höheres Einkommen auch tatsäch- 
lich realisiert hätte, wenn er nicht invalid geworden wäre. 
Es müssen konkrete Hinweise für das behauptete berufliche 
Fortkommen bestehen, so z.B. wenn der Arbeitgeber dies kon- 
kret in Aussicht gestellt oder gar zugesichert hat. Sodann 
genügen blosse Absichtserklärungen des Versicherten nicht. 
Vielmehr muss die Absicht, beruflich weiterzukommen, be- 
reits durch konkrete Schritte kundgetan worden sein 
(AHI 1998 S. 171 Erw. 5a mit Hinweisen). 
 
    c) Verwaltung und Vorinstanz sind von einem dem durch- 
schnittlichen Tabellenlohn entsprechenden Validenlohn aus- 
gegangen, ohne die Reallohnentwicklung zu berücksichtigen, 
die beim Versicherten in den Jahren 1989 - 1991 stattgefun- 
den hatte. Im Lichte der dargelegten Grundsätze ist nicht 
zu beanstanden, dass das kantonale Gericht für die Ermitt- 
lung des Valideneinkommens davon abgesehen hat, einen Lohn- 
zuwachs von jährlich 6,95 % zu berücksichtigen, zumal die 
gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers 
schon damals bestanden. Folglich war nicht damit zu rech- 
nen, dass er die als Presseauditor/Lektor bei der Firma 
Argus von Juni 1988 bis Dezember 1991 ausgeübte Tätigkeit 
auf längere Zeit hätte weiterführen können, noch konnte 
somit für die Zeit bis zum Verfügungserlass (vgl. Erw. 3b) 
eine Lohnsteigerung im erwähnten Umfang angenommen werden. 
 
    4.- Zusammenfassend ergibt sich, dass die Sache zur 
Einholung eines neuen psychiatrischen Gutachtens und zur 
Neubeurteilung des Rentenanspruchs an die Verwaltung 
zurückzuweisen ist. Insoweit ist die Verwaltungsgerichtsbe- 
schwerde gutzuheissen. 
    5.- Da es im vorliegenden Prozess um Versicherungs- 
leistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichts- 
kosten zu erheben. Zufolge Obsiegens steht dem Beschwerde- 
führer eine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 1 in Ver- 
bindung mit Art. 135 OG). Damit wird das Gesuch um unent- 
geltlichen Rechtsbeistand im Verfahren vor dem Eidgenössi- 
schen Versicherungsgericht gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wer-  
    den der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des 
    Kantons Zürich vom 16. August 1999 und die Verfügung 
    vom 6. März 1997 aufgehoben, und es wird die Sache an 
    die IV-Stelle des Kantons Zürich zurückgewiesen, damit 
    diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägun- 
    gen, über den Rentenanspruch neu befinde. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
III. Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerde-  
    führer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen 
    Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
    Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezah- 
    len. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-  
    rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für 
    Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 23. Mai 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident  Der Gerichts- 
der III. Kammer:  schreiber: