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[AZA] 
C 413/99 Vr 
 
II. Kammer  
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; 
Gerichtsschreiber Nussbaumer 
 
Urteil vom 16. Mai 2000  
 
in Sachen 
 
Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI, 
Zentralverwaltung, Werdstrasse 62, Zürich, Beschwerde- 
führerin, 
gegen 
 
D.________, 1957, Beschwerdegegner, vertreten durch den 
Verband X.________, 
und 
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
    A.- D.________ war vom 12. April 1995 bis Ende Februar 
1996 mit einem Pensum von rund 35 Stunden pro Woche als 
Sicherheitsbeamter bei der S.________ AG angestellt. Dane- 
ben arbeitete er vom 14. Dezember 1992 bis 28. Februar 1997 
als Verkäufer bei der O.________ AG. Nach dem Verlust der 
Arbeitsstelle bei der S.________ AG bezog er ab 1. März 
1996 Arbeitslosenentschädigung. Seither erzielte er auch 
einen Zwischenverdienst als Angestellter des Bewachungs- 
unternehmens Y.________ AG. Nach einem Unfall des Versiche- 
rten stellte die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & 
Industrie GBI fest, dass ihr D.________ die bei der 
O.________ AG ausgeübte Tätigkeit nicht gemeldet hatte. Mit 
Verfügung vom 25. April 1997 forderte sie deshalb vom Ver- 
sicherten für die Kontrollperioden März bis Juli 1996 zu 
viel bezogene Leistungen im Betrag von Fr. 4396.65 zurück. 
 
    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozial- 
versicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 
7. Oktober 1999 gut und hob die Rückforderungsverfügung 
auf. 
 
    C.- Die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & 
Industrie GBI führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem 
Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei 
ihre Verfügung vom 25. April 1997 vollumfänglich zu bestä- 
tigen. 
    D.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungs- 
gerichtsbeschwerde schliessen. Das kantonale Gericht und 
das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf eine 
Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- a) Nach Art. 95 AVIG hat die Kasse Leistungen der 
Versicherung, auf die der Empfänger keinen Anspruch hatte, 
zurückzufordern (Abs. 1 Satz 1). War der Leistungsempfänger 
beim Bezug gutgläubig und würde die Rückerstattung eine 
grosse Härte bedeuten, so wird sie auf Gesuch hin ganz oder 
teilweise erlassen (Abs. 2 Satz 1). 
    Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversiche- 
rungsrechts kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige 
Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richter- 
licher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, 
wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von 
erheblicher Bedeutung ist (BGE 122 V 21 Erw. 3a, 173 
Erw. 4a, 271 Erw. 2, 368 Erw. 3, 121 V 4 Erw. 6, je mit 
Hinweisen). 
    Von der Wiedererwägung ist die so genannte prozessuale 
Revision von Verwaltungsverfügungen zu unterscheiden. Da- 
nach ist die Verwaltung verpflichtet, auf eine formell 
rechtskräftige Verfügung zurückzukommen, wenn neue Tatsa- 
chen oder neue Beweismittel entdeckt werden, die geeignet 
sind, zu einer andern rechtlichen Beurteilung zu führen 
(BGE 122 V 21 Erw. 3a, 138 Erw. 2c, 173 Erw. 4a, 272 
Erw. 2, 121 V 4 Erw. 6, je mit Hinweisen). 
 
    b) Den Bezügerabrechnungen für die Monate März bis 
Juli 1996, welchen trotz Fehlen entsprechender Merkmale 
materiell Verfügungscharakter zukommt (BGE 125 V 476 
Erw. 1, 122 V 368 f. Erw. 2/3 mit Hinweisen), liegt ledig- 
lich der bei der Bewachungsfirma Y.________ erzielte Zwi- 
schenverdienst zu Grunde. Von der seit 14. Dezember 1992 
ausgeübten Teilzeitbeschäftigung bei der O.________ AG 
erfuhr die Arbeitslosenkasse erst im Zusammenhang mit dem 
Unfall vom 3. August 1996 im Herbst 1996. Da diese Tatsache 
im Zeitpunkt der Bezügerabrechnungen weder vom Beschwerde- 
gegner angegeben worden noch der Arbeitslosenkasse bekannt 
war, handelt es sich bei der nicht gemeldeten Beschäftigung 
bei der O.________ AG um eine neue Tatsache, die zur pro- 
zessualen Revision der Bezügerabrechnungen führt. Entgegen 
der Auffassung der Vorinstanz geht es somit nicht um die 
Wiedererwägung einer zweifellos unrichtigen Verfügung. 
 
    2.- a) Streitgegenstand im System der nachträglichen 
Verwaltungsrechtspflege ist das Rechtsverhältnis, welches - 
im Rahmen des durch die Verfügung bestimmten Anfechtungs- 
gegenstandes - den auf Grund der Beschwerdebegehren effek- 
tiv angefochtenen Verfügungsgegenstand bildet. Nach dieser 
Begriffsumschreibung sind Anfechtungsgegenstand und Streit- 
gegenstand identisch, wenn die Verwaltungsverfügung ins- 
gesamt angefochten wird. Bezieht sich demgegenüber die 
Beschwerde nur auf einzelne der durch die Verfügung be- 
stimmten Rechtsverhältnisse, gehören die nicht beanstan- 
deten, - verfügungsweise festgelegten - Rechtsverhältnisse 
zwar wohl zum Anfechtungs-, nicht aber zum Streitgegenstand 
(BGE 125 V 413 Erw. 2a). 
    In der Verwaltungsverfügung festgelegte - somit Teil 
des Anfechtungsgegenstandes bildende -, aber auf Grund der 
Beschwerdebegehren nicht mehr streitige Fragen gehören nach 
dem Gesagten zwar, soweit sie sich auf das gleiche Rechts- 
verhältnis beziehen, auch zum Streitgegenstand; indessen 
prüft das Gericht sie nur, wenn dazu nach der Aktenlage 
hinreichender Anlass besteht (BGE 110 V 52 f.). 
 
    b) Die Beschwerde führende Arbeitslosenkasse ist mit 
ihrer Rückerstattungsverfügung vom 25. April 1997 auf die 
Bezügerabrechnungen für die Kontrollperioden März bis Juli 
1996 zurückgekommen und hat diese durch neue Abrechnungen 
ersetzt. Bestandteil der ursprünglichen Bezügerabrechnungen 
bildet neben der Anrechnung der damals bekannten Zwischen- 
verdiensttätigkeit auch der versicherte Verdienst, welcher 
für die Anspruchsberechtigung ab 1. März 1996 erstmals 
festgelegt worden ist. Die Tätigkeit als Verkäufer bei der 
O.________ AG übte der Beschwerdegegner im Zeitraum vom 
14. Dezember 1992 bis 28. Februar 1997 aus. Damit erstreckt 
sich diese Tätigkeit sowohl auf den Zeitraum vor Eintritt 
der Arbeitslosigkeit wie auch auf die Zeit während der 
Arbeitslosigkeit. Sie wirkt sich mithin, je nach Qualifika- 
tion als Nebenverdienst oder nicht, sowohl beim versicher- 
ten Verdienst wie auch bei der Anrechnung als Zwischenver- 
diensttätigkeit aus. Entgegen der Auffassung der Arbeits- 
losenkasse führt daher die neu entdeckte Beschäftigung bei 
der O.________ AG zur Revision der Bezügerabrechnungen auch 
hinsichtlich des versicherten Verdienstes. Zu Recht hält in 
diesem Zusammenhang die Vorinstanz fest, die Arbeitslosen- 
kasse verhalte sich widersprüchlich, wenn sie die Beschäf- 
tigung lediglich bei der Frage der Zwischenverdienstabrech- 
nung berücksichtigt haben möchte. 
    3.- a) Gemäss Art. 23 Abs. 1 erster Teilsatz AVIG gilt 
als versicherter Verdienst der im Sinne der AHV-Gesetz- 
gebung massgebende Lohn, der während eines Bemessungszeit- 
raumes aus einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen norma- 
lerweise erzielt wurde. 
    Nicht versichert ist ein Nebenverdienst. Als solcher 
gilt jeder Verdienst, den ein Versicherter ausserhalb sei- 
ner normalen Arbeitszeit als Arbeitnehmer oder ausserhalb 
des ordentlichen Rahmens seiner selbstständigen Erwerbs- 
tätigkeit erzielt (Art. 23 Abs. 3 AVIG). 
    Als Zwischenverdienst gilt nach Art. 24 Abs. 1 AVIG 
jedes Einkommen aus unselbstständiger oder selbstständiger 
Erwerbstätigkeit, das der Arbeitslose innerhalb einer Kon- 
trollperiode erzielt. Laut Art. 24 Abs. 3 zweiter Satz AVIG 
bleibt ein Nebenverdienst (Art. 23 Abs. 3 AVIG) unberück- 
sichtigt. 
 
    b) In BGE 116 V 281 (bestätigt mit BGE 125 V 478 
Erw. 5a) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht den 
unbestimmten Rechtsbegriff "normalerweise" in Art. 23 
Abs. 1 erster Teilsatz AVIG im Zusammenhang mit einer Über- 
zeitentschädigung ausgelegt. Dabei hat es festgehalten, 
dass das AVIG den versicherten Personen einen angemessenen 
Ersatz für Erwerbsausfälle u.a. wegen Arbeitslosigkeit ga- 
rantieren will. Eine Entschädigung für ausgefallene Über- 
zeitarbeit widerspräche dem auch in anderen Bereichen des 
Gesetzes zum Ausdruck kommenden Grundgedanken der Arbeits- 
losenversicherung: Diese soll nur für eine normale übliche 
Arbeitnehmertätigkeit Versicherungsschutz bieten, dagegen 
keine Entschädigung für Erwerbseinbussen ausrichten, die 
aus dem Ausfall einer Überbeschäftigung stammen (BGE 116 V 
283 Erw. 2d mit Hinweisen). 
    Im Hinblick auf diese Ziele erwog das Eidgenössische 
Versicherungsgericht im nicht veröffentlichten Urteil H. 
vom 2. September 1996 (C 18/96) - in welchem es um die 
Ausscheidung des Nebenverdienstes bei einem Versicherten 
ging, der im Bemessungszeitraum für den versicherten Ver- 
dienst bei einem Arbeitgeber nahezu eine Vollzeit- und bei 
einem zweiten ungefähr eine Halbzeitbeschäftigung ausübte, 
- dass es darum richtig ist, den Verdienst ausser Acht zu 
lassen, der ausserhalb einer normalen üblichen Arbeitszeit 
erzielt wird. Wie Gerhards (Kommentar zum Arbeitslosenver- 
sicherungsgesetz, Bd. I, N 54 zu Art. 23), auf den im er- 
wähnten Urteil vom 2. September 1996 Bezug genommen wird, 
ausführt, liegt ein Nebenverdienst ausserhalb der in 
Art. 23 Abs. 1 AVIG festgeschriebenen Normalität; er hat 
ausserordentlichen Charakter, und zwar auch dann, wenn ein 
Versicherter durch eine Nebentätigkeit ein höheres Einkom- 
men erzielt als durch die eigentliche Haupttätigkeit (BGE 
125 V 478 Erw. 5a). 
 
    c) Laut der Arbeitgeberbescheinigung der S.________ AG 
vom 10. Februar 1996 war der Beschwerdegegner als Sicher- 
heitsbeamter während 35 Stunden pro Woche bei einer wö- 
chentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb von 44 Stunden und 
somit im Rahmen von rund 80 % einer Vollzeitbeschäftigung 
tätig. Bei der O.________ AG arbeitete er in den Monaten 
Februar bis Juli 1996 als Verkäufer zwischen 28 bis 
51 ½ Stunden pro Monat bei einer wöchentlichen Normal- 
arbeitszeit von 42,5 Stunden. Diese Tätigkeit geht über 
einen blossen Nebenverdienst hinaus und wurde angesichts 
der Teilzeitbeschäftigung bei der S.________ AG entgegen 
der Auffassung der Vorinstanz nicht ausserhalb einer nor- 
malen üblichen Arbeitszeit erzielt. Die Beschwerdeführerin 
hat daher zu Recht den bei der O.________ AG erzielten Lohn 
nachträglich als Zwischenverdienst herangezogen. Eine Be- 
rücksichtigung dieser Beschäftigung kommt jedoch entgegen 
der Auffassung der Beschwerdeführerin auch bei der Ermitt- 
lung des versicherten Verdienstes in Frage. In welchem 
Umfang er diese Tätigkeit im Zeitraum bis zum Eintritt der 
Arbeitslosigkeit am 1. März 1996 ausübte, lässt sich den 
Akten nicht in zuverlässiger Weise - namentlich auch im 
Hinblick auf die Ermittlung des versicherten Verdienstes 
(vgl. Art. 37 Abs. 1 bis 3 AVIV) - entnehmen. Immerhin wird 
für den Februar 1996 eine Beschäftigung von 30 Stunden im 
Monat bescheinigt. Es wird Sache der Arbeitslosenkasse 
sein, zu diesem Punkt noch nähere Abklärungen zu treffen. 
Festzuhalten ist jedoch, dass die Tätigkeit bei der 
S.________ AG nicht einer Vollzeitbeschäftigung entsprach. 
Sollten die beiden Tätigkeiten bei der S.________ AG und 
der O.________ AG zusammen mehr als eine Vollzeitbeschäfti- 
gung ergeben, so sind beim versicherten Verdienst die da- 
raus resultierenden Verdienste auf 100 % zu reduzieren 
(erwähntes Urteil in Sachen H. vom 2. September 1996, 
C 18/96). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne 
    gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversiche- 
    rungsgerichts des Kantons Zürich vom 7. Oktober 1999 
    und die Kassenverfügung vom 25. April 1997 aufgehoben 
    werden, und die Sache an die Arbeitslosenkasse der 
    Gewerkschaft Bau & Industrie GBI zurückgewiesen wird, 
    damit diese nach erfolgter Abklärung im Sinne der 
    Erwägungen neu verfüge. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche- 
    rungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirt- 
    schaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Zürich, 
    und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
 
 
Luzern, 16. Mai 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: