Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1C_275/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 29. September 2016  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roger Brändli, 
 
gegen  
 
Verkehrsamt des Kantons Schwyz, 
Postfach 3214, 6431 Schwyz. 
 
Gegenstand 
Strassenverkehrsrecht (Führerausweisentzug), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 6. Mai 2016 des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz, Kammer III,. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Laut Rapport von Korporal B.________ von der St. Galler Kantonspolizei fuhr er am 12. September 2015 mit dem Gefreiten C.________ in einem zivilen Patrouillenfahrzeug auf der A53 von Hinwil in Richtung Reichenburg. Um ca. 06:48 Uhr fiel ihnen kurz vor dem Reichenburger Kreuz (Einmündung der A53 in die A3) auf der linken Fahrspur ein "Land Rover" auf, der zunächst einen Personenwagen überholte, auf die rechte Fahrspur einbog, unmittelbar vor dem ersten Überkopfsignal (Fahrziele Chur/linker Fahrstreifen bzw. Zürich/rechter Fahrstreifen) rechts an einem Lastwagen und einem Personenwagen vorbeifuhr um kurz vor der Verzweigung wiederum auf die linke Fahrspur zu wechseln. Die Polizeibeamten hielten das Fahrzeug in Reichenburg an und nahmen dem Lenker, A.________, den Führerausweis ab. 
Am 25. September 2015 gab das Verkehrsamt des Kantons Schwyz A.________ den Führerausweis zurück. Das Verwaltungsverfahren wurde in der Folge bis zum Abschluss des Strafverfahrens sistiert. 
Am 2. Februar 2016 verurteilte das Untersuchungsamt Uznach A.________ wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln ("Rechtsvorbeifahren mit anschliessendem Spurwechsel auf der Autobahn") zu einer Busse von Fr. 400.--. Dieser Strafbefehl blieb unangefochten. 
Am 16. Januar 2016 entzog das Verkehrsamt A.________ den Führerausweis in Anwendung von Art. 16b Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. a SVG sowie Art. 33 Abs. 1 VZV den Führerausweis für einen Monat unter Anrechnung der Deponierungszeit von 12. September bis zum 25. September 2015. 
A.________ focht diese Verfügung beim Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz an mit dem Antrag, den Ausweisentzug aufzuheben und eine Verwarnung anzuordnen. 
Am 6. Mai 2016 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, diesen Entscheid aufzuheben und gegen ihn eine Verwarnung auszusprechen. 
 
C.  
Das Verwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) beantragt, die Beschwerde abzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über eine Administrativmassnahme gegen einen Fahrzeuglenker. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.  
 
2.1. Das Gesetz unterscheidet zwischen der leichten, mittelschweren und schweren Widerhandlung (Art. 16a-c SVG). Gemäss Art. 16a SVG begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Abs. 1 lit. a). Die fehlbare Person wird verwarnt, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis nicht entzogen war und keine andere Administrativmassnahme verfügt wurde (Abs. 3). Gemäss Art. 16b SVG begeht eine mittelschwere Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Abs. 1 lit. a). Nach einer mittelschweren Widerhandlung wird der Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen (Abs. 2 lit. a) bzw. für mindestens vier Monate, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis bereits einmal wegen einer schweren oder mittelschweren Widerhandlung entzogen war (Abs. 2 lit. b). Leichte und mittelschwere Widerhandlungen werden von Art. 90 Ziff. 1 SVG als einfache Verkehrsregelverletzungen erfasst (BGE 135 II 138 E. 2.4 S. 143). Gemäss Art. 16c SVG begeht eine schwere Widerhandlung, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Abs. 1 lit. a). Nach einer schweren Widerhandlung, welche einer groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG entspricht (BGE 132 II 234 E. 3 S. 237), wird der Führerausweis für mindestens drei Monate entzogen (Abs. 2 lit. a). Eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindestentzugsdauer ist ausgeschlossen (Art. 16 Abs. 3 SVG; zum Ganzen: Urteil 1C_424/2012 vom 15. Januar 2013 E 2.1).  
 
2.2. Die mittelschwere Widerhandlung stellt nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG einen Auffangtatbestand dar. Sie liegt vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung nach Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG gegeben sind (Urteil 6A.16/2006 vom 6. April 2006 E. 2.1.1, in: JdT 2006 I S. 442; Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, BBl 1999 4487). Die Annahme einer schweren Widerhandlung setzt kumulativ eine qualifizierte objektive Gefährdung und ein qualifiziertes Verschulden voraus. Ist die Gefährdung gering, aber das Verschulden hoch, oder umgekehrt die Gefährdung hoch und das Verschulden gering, liegt eine mittelschwere Widerhandlung vor (Botschaft a.a.O. 4489; Cédric Mizel, Die Grundtatbestände der neuen Warnungsentzüge des SVG und ihre Beziehung zum Strafrecht, in ZStrR 124/2006, S. 31 ff., insbesondere S. 63 f.; zum Ganzen: Urteil 1C_456/2011 vom 28. Februar 2012 E. 2.2).  
 
2.3. Ein Strafurteil vermag die Verwaltungsbehörde grundsätzlich nicht zu binden. Allerdings gebietet der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, widersprüchliche Entscheide im Rahmen des Möglichen zu vermeiden, weshalb die Verwaltungsbehörde beim Entscheid über die Massnahme von den tatsächlichen Feststellungen des Strafrichters nur abweichen darf, wenn sie Tatsachen feststellt und ihrem Entscheid zugrunde legt, die dem Strafrichter unbekannt waren, wenn sie zusätzliche Beweise erhebt oder wenn der Strafrichter bei der Rechtsanwendung auf den Sachverhalt nicht alle Rechtsfragen abgeklärt, namentlich die Verletzung bestimmter Verkehrsregeln übersehen hat. In der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts - namentlich auch des Verschuldens - ist die Verwaltungsbehörde demgegenüber frei, ausser die rechtliche Qualifikation hängt stark von der Würdigung von Tatsachen ab, die der Strafrichter besser kennt, etwa weil er den Beschuldigten persönlich einvernommen hat (BGE 136 II 447 E. 3.1; 127 II 302 nicht publ. E. 3a; 124 II 103 E. 1c/aa und bb). Auch in diesem Zusammenhang hat er jedoch den eingangs genannten Grundsatz (Vermeiden widersprüchlicher Urteile) gebührend zu berücksichtigen (Urteil 1C_424/2012 vom 15. Januar 2013 E 2.3).  
 
3.  
 
3.1. Im Strafbefehl vom 2. Februar 2016 wird in tatsächlicher Hinsicht festgehalten, dass der Beschwerdeführer beim fraglichen Vorfall auf dem rechten Fahrstreifen an einem Lastwagen und einem Personenwagen vorbeigefahren sei. Nachdem er sich kurzfristig entschlossen hätte, anstatt nach Altendorf nach Reichenburg zu fahren, habe er vor dem (rechts überholten) Personenwagen auf die linke Fahrspur gewechselt. In rechtlicher Hinsicht hat das Untersuchungsamt dazu ausgeführt, nach dem Passieren des Überkopfsignals, welche die unterschiedlichen Fahrrichtungen anzeige (linke Spur: Richtung Chur, rechte Spur: Richtung Zürich), müssten die auf der linken Spur in Richtung Chur fahrenden Fahrzeuge damit rechnen, auf der rechten Fahrspur von in Richtung Zürich fahrenden Fahrzeugen überholt zu werden. Im Gegensatz zum Rechtsüberholen auf offener Strecke sei damit die Gefahr eines Unfalls kleiner. Dem Beschwerdeführer hätte indessen bewusst sein müssen, dass er, nachdem er zwei Fahrzeuge rechts überholt hatte, nicht wieder die Spur hätte wechseln dürfen. Er habe fahrlässig eine einfache Verkehrsregelverletzung begangen, indem er nach dem Rechtsvorbeifahren die Spur gewechselt habe.  
 
3.2. Das Verwaltungsgericht hat dazu, ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls, erwogen (E. 4.3 und 4.4 S. 8 ff.), der auf der linken Fahrspur in Richtung Chur fahrende Lenker habe nicht damit rechnen müssen, dass der ihn rechts überholende Beschwerdeführer unmittelbar vor dem "Reichenburger Kreuz" die Spur wechseln würde. Dazu sei aufgrund der Feststellungen der erfahrenen Polizeibeamten davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zu schnell gefahren sei. Das spreche gegen die Annahme, dass die Verkehrssicherheit durch das Manöver des Beschwerdeführers nur in geringem Mass gefährdet worden sei. In Bezug auf das Verschulden behaftete das Verwaltungsgericht den Beschwerdeführer auf sein Zugeständnis in der polizeilichen Befragung direkt nach seiner Anhaltung, dass er von Anfang an nach Reichenburg (wozu er in die linke Fahrspur in Richtung Chur hätte einspuren müssen) fahren wollte und die Aussage, er habe, nachdem er rechts an den beiden Fahrzeugen vorbeigefahren sei, spontan das Fahrziel gewechselt, eine blosse Ausrede darstelle. Es ging somit davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht die Geduld hatte, sich hinter dem Lastwagen und dem Personenwagen auf der linken Fahrspur einzureihen, sondern diese bewusst rechts überholte. Dies könne nicht als leichte Unaufmerksamkeit und nicht als leichtes Verschulden qualifiziert werden. Es sei mithin von einer mittelschweren Widerhandlung auszugehen.  
 
3.3. Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war. Dazu sind die Angaben der Polizeibeamten zuwenig konkret; der Vorwurf blieb im Strafverfahren denn auch unberücksichtigt. Hingegen handelt es sich beim Verbot des Rechtsüberholens um eine grundlegende Verkehrsregel, womit ein auf dem linken Einspurstreifen fahrender Lenker jedenfalls bei geringem Verkehrsaufkommen nicht damit rechnen muss, dass ihn ein Autofahrer rechts überholt um anschliessend vor ihm in die linke Spur einzubiegen. Ein solches Manöver gefährdet die Verkehrssicherheit jedenfalls in abstrakter Weise nicht unerheblich. Auch das Verschulden wiegt nicht leicht. Selbst wenn man mit dem Strafbefehl davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer in Richtung Zürich einspurte, an den beiden Fahrzeugen auf der linken Spur vorbeifuhr und sich dann spontan entschied, das Fahrziel und dementsprechend die Spur zu wechseln, hätte ihm klar sein müssen, dass sein Manöver objektiv ein verbotenes Rechtsüberholen darstellt und er dementsprechend auf der rechten Spur hätte bleiben müssen. Wie das Verwaltungsgericht indessen zu Recht anführt, hat der Beschwerdeführer in der polizeilichen Befragung, deren Protokoll er unterschieben hat, offen zugegeben, dass er von Anfang nach Reichenburg fahren und die beiden Fahrzeuge auf der linken Spur vor ihm rechts überholte wollte, weil sie für seinen Geschmack zu langsam waren, und dass es sich bei seinen Ausführungen zum angeblich (zu) spät erfolgten Fahrzielwechsel um eine blosse Ausrede handelt. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht das umstrittene Manöver des Beschwerdeführers als mittelschwere Widerhandlung beurteilte, und es hat im Ergebnis auch keinen Widerspruch zum Ausgang des Strafverfahrens geschaffen, da eine einfache Verkehrsregelverletzung sowohl einer leichten als auch einer mittelschweren Widerhandlung entspricht. Die minimale Entzugsdauer, die nicht unterschritten werden darf, beträgt nach einer mittelschweren Widerhandlung einen Monat (oben E. 2.1). Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts verletzt damit kein Bundesrecht, die Beschwerde ist unbegründet.  
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Verkehrsamt des Kantons Schwyz, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, und dem Bundesamt für Strassen Sekretariat Administrativmassnahmen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. September 2016 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi