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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
C 319/05 
 
Urteil vom 10. Juli 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Seiler; Gerichtsschreiber Lanz 
 
Parteien 
Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt, Hochstrasse 37, 4053 Basel, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
R.________, 1961, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel 
 
(Entscheid vom 27. Oktober 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1961 geborene R.________ erhielt im Rahmen der am 1. Februar 2003 eröffneten Rahmenfrist für den Leistungsbezug Arbeitslosenentschädigung. Vom 16. Juni bis 29. August 2003 ging sie - zunächst teil- und dann vollzeitlich - wieder einer Erwerbstätigkeit nach. Am 1. Oktober 2003 trat die Versicherte ein Nachdiplomstudium an der University X.________ in Grossbritannien an, welches sie gemäss der am 6. Oktober 2004 ausgestellten Bestätigung der Ausbildungsstätte erfolgreich abschloss. Zwischenzeitlich hatte R.________ am 22. September 2004 erneut Arbeitslosenentschädigung beantragt. Diese wurde der Versicherten vom 27. September bis 26. Dezember 2004 nach den bei Arbeitssuche in einem EU- oder EFTA-Land geltenden Regeln ausgerichtet. Am 24. Januar 2005 meldete sich die Versicherte erneut zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung ab 1. Februar 2005 an. Mit Verfügung vom 17. Februar 2005 verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt einen solchen Anspruch mit der Begründung, R.________ habe weder die Beitragszeit innerhalb der hiefür geltenden Rahmenfrist vom 1. Februar 2003 bis 31. Januar 2005 erfüllt noch sei sie davon befreit. Daran hielt die Verwaltung mit Einspracheentscheid vom 8. März 2005 fest. 
B. 
Die von R.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt gut. Es hob den Einspracheentscheid vom 8. März 2005 auf, bejahte unter Hinweis auf das an der University X.________ absolvierte Studium die Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit und wies die Sache zur Prüfung der übrigen Leistungsvoraussetzungen und zur neuen Verfügung über den Leistungsanspruch ab 1. Februar 2005 im Sinne der Erwägungen an die Verwaltung zurück (Entscheid vom 27. Oktober 2005). 
C. 
Die Arbeitslosenkasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. 
 
Die Versicherte und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf eine Vernehmlassung. Das kantonale Gericht schliesst sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Februar 2005 unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Erfordernisses der Erfüllung der Beitragszeit oder der Befreiung hievon (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG). 
 
Dabei steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin in der vom 1. Februar 2003 bis 31. Januar 2005 laufenden Rahmenfrist für die Beitragszeit (Art. 9 Abs. 1 und 3 AVIG; vgl. auch Art. 9 Abs. 4 AVIG) weniger als die vom Gesetz verlangten mindestens zwölf Monate beitragspflichtiger Beschäftigung oder dieser gleichgestellter Zeiten (Art. 13 Abs. 1 und 2 AVIG) aufweist. 
 
Zu prüfen ist, ob der Vorinstanz darin gefolgt werden kann, dass im absolvierten Studium an der University X.________ ein Befreiungstatbestand zu sehen ist. 
2. 
Die für die Beantwortung dieser Frage relevanten gesetzlichen Grundlagen sind im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt. Danach sind Personen von der Erfüllung der Beitragszeit befreit, welche innerhalb der Rahmenfrist (Art. 9 Abs. 3 AVIG) während insgesamt mehr als zwölf Monaten nicht in einem Arbeitsverhältnis standen und die Beitragszeit nicht erfüllen konnten wegen einer Schulausbildung, Umschulung oder Weiterbildung, sofern sie während mindestens zehn Jahren in der Schweiz Wohnsitz hatten (Art. 14 Abs. 1 lit. a AVIG). Richtig wiedergegeben ist auch die Rechtsprechung zum Begriff der Ausbildung und dem Erfordernis der Überprüfbarkeit (namentlich ARV 2000 Nr. 28 S. 146 Erw. 1b mit Hinweisen). Beizufügen bleibt, dass zwischen der Nichterfüllung der Beitragszeit und dem gesetzlich umschriebenen Hinderungsgrund ein Kausalzusammenhang bestehen muss (BGE 130 V 231 f. Erw. 1.2.3; ARV 2005 Nr. 10 S. 133 Erw. 2.1 [Urteil B. vom 4. Oktober 2004, C 139/04] und Nr. 18 S. 208 f. Erw. 2.2 [Urteil M. vom 8. Juli 2004, C 311/02], je mit Hinweisen). 
3. 
Gemäss der übereinstimmenden und nach Lage der Akten zutreffenden Auffassung der Parteien genügt das absolvierte Nachdiplomstudium an der University X.________ sowohl qualitativ als auch hinsichtlich der Überprüfbarkeit den Anforderungen an eine als Hinderungsgrund für die Erfüllung der Beitragszeit in Frage kommende Ausbildung. Unbestrittenermassen ist auch das Erfordernis des mindestens zehnjährigen Wohnsitzes in der Schweiz erfüllt. 
 
Uneinigkeit besteht in der Beantwortung der Frage, ob die Ausbildung die Versicherte tatsächlich während mehr als zwölf Monaten an der Erfüllung der Beitragszeit gehindert hat. 
3.1 Das kantonale Gericht hat erwogen, die Versicherte habe mit Erhalt der Bestätigung der University X.________ vom 6. Oktober 2004 Kenntnis vom erfolgreichen Abschluss des am 1. Oktober 2003 begonnenen Studiums erhalten. Erst in diesem Zeitpunkt sei die Ausbildung als beendet zu betrachten. Damit sei das Erfordernis der überjährigen Ausbildungszeit erfüllt. 
 
Demgegenüber beruft sich die Arbeitslosenkasse auf den Umstand, dass die Versicherte sich bereits am 22. September 2004 wieder zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung angemeldet hatte und diese ab 27. September 2004 auch bezog. Dies zeige, dass das Studium spätestens ab 27. September 2004 keinen Hinderungsgrund für die Erfüllung der Beitragszeit mehr dargestellt habe. 
3.2 Nach der Rechtsprechung gilt als Abschluss der Ausbildung jener Zeitpunkt, in welchem die versicherte Person davon Kenntnis erhält, dass sie die Schlussprüfung mit Erfolg bestanden hat (ARV 2000 Nr. 28 S. 146 Erw. 1b mit Hinweisen). Nachbesserungen von Diplomarbeiten oder Wiederholungen von Prüfungen zählen unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls zur Ausbildungsdauer (ARV 2000 Nr. 28 S. 147 Erw. 2c). 
 
Eine Ausbildung kann aber auch schon vor der Bekanntgabe des Ergebnisses der Abschlussprüfung als Hinderungsgrund für die Erfüllung der Beitragszeit dahinfallen. Dies ist dann der Fall, wenn feststeht, dass die versicherte Person auch bei einem negativen Prüfungsergebnis oder aber weil sie - aus welchen Gründen auch immer - sich eines positiven Prüfungsausgangs sicher ist, schon früher dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und somit vermittlungsfähig ist. Ob und ab wann dies zutrifft, ist aufgrund der gesamten Umstände zu beurteilen. Es gilt der im Sozialversicherungsrecht übliche (BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen) Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit. 
3.3 Die Beschwerdegegnerin hat sich am 22. September 2004 wieder zur Arbeitsvermittlung und zum Bezug von Arbeitslosentschädigung angemeldet. Sie bestätigte dabei unterschriftlich, für eine vollzeitliche Arbeitstätigkeit zur Verfügung zu stehen. Auf dieser Grundlage bezog sie ab 27. September 2004 Arbeitslosenentschädigung. 
 
Die Vorinstanz erklärt dieses Vorgehen damit, dass sich die Versicherte mit Blick auf die Zeit nach dem Abschluss der Ausbildung um versicherungsrechtliche Belange im Bereich der Arbeitslosenversicherung kümmerte. Dies vermöge nichts daran zu ändern, dass die Beschwerdegegnerin erst ab 6. Oktober 2004 und somit nach Ablauf von mehr als zwölf Monaten nicht mehr ausbildungsbedingt an der Erfüllung der Beitragszeit gehindert gewesen sei. 
 
Diese Beurteilung hält nicht Stich. Vielmehr gab die Versicherte mit ihrem Verhalten zu erkennen, dass ihr eine Arbeitsaufnahme spätestens ab 27. September 2004, somit vor Erhalt des offiziellen Prüfungsergebnisses und namentlich auch bevor die Ausbildung mehr als ein Jahr gedauert hatte, möglich gewesen wäre. Dass es sich diesbezüglich anders verhalten haben sollte, wurde von der Beschwerdegegnerin weder im Einsprache- noch im kantonalen Verfahren überzeugend begründet. Letztinstanzlich enthielt sie sich einer Stellungnahme. Es ist daher mit der Verwaltung festzustellen, dass die Versicherte spätestens am 27. September 2004 durch die Ausbildung nicht mehr an der Erfüllung der Beitragszeit gehindert war. Damit ist das Erfordernis der zwölf Monate übersteigenden Dauer nicht erfüllt und liegt kein Befreiungsgrund vor. 
3.4 Einspracheweise hatte die Versicherte noch vorgebracht, sie habe sich aufgrund einer ungenügenden Auskunft der Verwaltung zu früh wieder bei der Arbeitslosenversicherung angemeldet. Dieser Gesichtspunkt ist, obwohl vor- und letztinstanzlich nicht erwähnt, im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes in die Beurteilung einzubeziehen (Art. 114 Abs. 1 am Ende in Verbindung mit Art. 132 OG, BGE 125 V 500 Erw. 1 mit Hinweisen; vgl. auch ARV 2005 Nr. 22 S. 223 Erw. 2.1 mit Hinweisen und Erw. 2.2.1 [Urteil K. vom 20. Januar 2005, C 124/04]). 
 
Nach der Rechtsprechung können falsche Auskünfte oder eine Verletzung der Beratungspflicht durch Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des Rechtsuchenden gebieten (BGE 131 V 480 f. Erw. 5 mit Hinweisen, auch zum Folgenden). Zu diesen Voraussetzungen zählt, dass die rechtsuchende Person im Vertrauen auf die Richtigkeit (und Vollständigkeit) der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können. 
Dies kann von vornherein ausgeschlossen werden, wenn die rechtsuchende Person auch bei richtiger Auskunft oder genügender Beratung gar nicht anders hätte disponieren wollen oder können. Letzteres trifft hier zu. Gemäss Einsprachebegründung suchte die Versicherte am 22. September 2004 den zuständigen Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde auf. Dieser habe ihr mitgeteilt, dass sie in der noch laufenden Rahmenfrist für den Leistungsbezug ab 27. September 2004 Arbeitslosenentschädigung beziehen könne. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin hätte er sie dabei über die drohende Nichtanerkennung des Befreiungsgrundes informieren müssen und erst auf den 4. Oktober 2004 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung vormerken dürfen. Entscheidend ist indessen, dass die Versicherte, wie bereits festgestellt, spätestens ab dem 27. September 2004 durch die Ausbildung nicht mehr an der Erfüllung der Beitragszeit gehindert wurde. Dies war durch Dispositionen von ihrer Seite nicht mehr - jedenfalls nicht in arbeitslosenversicherungsrechtlich zulässiger Weise - beeinflussbar. Insofern hätte auch eine weitergehende Beratung zu keinem anderen Ergebnis geführt. Es bleibt somit dabei, dass die Verwaltung einen Anspruch der Beschwerdegegnerin ab Arbeitslosenentschädigung ab 1. Februar 2005 zu Recht in Ermangelung der Erfüllung der Beitragszeit und der Befreiung hievon verneint hat. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 27. Oktober 2005 aufgehoben. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Kantonale Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung, Basel, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 10. Juli 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: