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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
5A_743/2020  
 
 
Urteil vom 14. Oktober 2020  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Angela Roos, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde der Stadt Luzern, Pilatusstrasse 22, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Änderung des Unterbringungsortes, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 7. August 2020 
(3H 20 25 / 3H 20 35 / 3U 20 27 / 3U 20 37). 
 
 
Sachverhalt:  
Die rubrizierte Beschwerdeführerin hat aus einer Verbindung mit B.________ den Sohn C.________ (geb. September 2014), welcher seit seiner Geburt im Rahmen eines Pflegeverhältnisses bei den Grosseltern lebt. Sodann hat sie aus einer Verbindung mit D.________ die Tochter E.________ (geb. Mai 2018) und den Sohn F.________ (geb. September 2019). 
Aufgrund von Gewaltvorfällen in der Wohnung, wonach der Vater seine Tochter am 27./28. Oktober 2018 in die Wange gebissen, sie geschlagen und geschüttelt haben soll, entzog die KESB der Stadt Luzern der Beschwerdeführerin am 31. Oktober 2018 das Aufenthaltsbestimmungsrecht über E.________ und brachte diese im Kinderheim G.________ unter. Mit superprovisorischem Entscheid vom 13. August 2019 wurde auch dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen, nachdem dieser seine Tochter anerkannt hatte. 
Am 21. August 2019 hob die KESB das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern über den Nasciturus F.________ auf und brachte diesen nach dessen Geburt bei der Pflegefamilie H.________ unter. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern ab. 
Mit Entscheiden vom 31. März 2020 brachte die KESB die beiden Kinder F.________ und E.________ im Rahmen der vorbestehenden Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes neu bei der für das Wohl der Kinder als geeignet erachteten Pflegefamilie I.________ unter. Die hiergegen erhobenen Beschwerden wies das Kantonsgericht mit Urteil vom 7. August 2020 ab. 
Gegen dieses Urteil reichte die Mutter am 14. September 2020 beim Bundesgericht eine Beschwerde ein mit den Begehren um dessen Aufhebung, um gemeinsame Platzierung in einer Mutter-Kind-Institution, eventualiter um eine Platzierung in einer solchen Instutition gemeinsam mit der Tochter, subeventualiter um Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung. Ferner verlangte sie die unentgeltliche Rechtspflege und aufschiebende Wirkung, welche nach Einholung von Stellungnahmen mit Verfügung vom 7. Oktober 2020 nicht erteilt wurde. In der Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt, weil die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid betreffend eine durch die KESB veranlasste Umplatzierung von Kindern; dagegen steht die Beschwerde in Zivilsachen offen (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). 
Der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann nur eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt werden, für welche das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG), was bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am Sachverhalt nicht eintritt (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253). 
In rechtlicher Hinsicht hat die Beschwerde eine Begründung zu enthalten, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine sachbezogene Auseinandersetzung mit dessen Begründung erfordert (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 142 III 364 E. 2.4 S. 368). 
 
2.   
Im Zusammenhang mit der Feststellung des Kantonsgerichtes, wonach die Mutter ihre bisherige Wohnung nach eigenen Angaben gekündigt habe und dem Gericht bis heute keine neue Adresse bekannt sei, rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Offizialmaxime. Sie macht geltend, per August 2020 eine neue Wohnung bezogen und dies dem Kantonsgericht nicht gemeldet zu haben, weil sie mit den Umzugsarbeiten und den damit verbundenen Formalitäten beschäftigt gewesen sei. Das Kantonsgericht hätte bei ihr zufolge der Offizialmaxime nachfragen müssen, ob sie über eine neue Wohnung verfüge. 
Auch im Bereich der Offizialmaxime besteht eine Mitwirkungspflicht der Verfahrensparteien, welche gebietet, dass diese das Gericht auf erhebliche Tatsachen hinweisen (BGE 140 I 285 E. 6.3.1 S. 298; Urteil 2C_158/2020 vom 21. August 2020 E. 2.2). Die Beschwerdeführerin ist anwaltlich vertreten. Sie hat in ihrer Beschwerde selbst festgehalten, ihre bisherige Wohnung gekündigt zu haben, und es hätte an ihr gelegen, dem Gericht ihre neue Adresse bekanntzugeben. Weder ist eine Gehörsverletzung noch eine Verletzung der Offizialmaxime ersichtlich, umso weniger als die Wohnsituation nicht das entscheidtragende Element des angefochtenen Urteils ist (vgl. dazu E. 3). 
Ebenso wenig liegt eine Verletzung der Begründungspflicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs vor im Zusammenhang mit der Subsidiarität und Proportionalität der Unterbringung der Kinder in einer Pflegefamilie statt einer Platzierung gemeinsam mit der Beschwerdeführerin in einer Mutter-Kind-Institution: Das Kantonsgericht hat begründet, wieso dies nicht in Frage kommen kann, und die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin war in der Lage, den Entscheid diesbezüglich sachgerecht anzufechten (BGE 139 IV 179 E. 2.2 S. 183; 141 III 28 E. 3.2.4 S. 41; 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253), wie die nachfolgende Erwägung zeigt. 
 
3.   
Das Kantonsgericht hat festgehalten, dass die Mutter entgegen ihrer Beteuerung, die Beziehung zum Vater der Kinder endgültig beendet zu haben, am 14. Juni 2020 gegen zwei Uhr morgens in seinem Auto von der Polizei kontrolliert worden sei und sie gegenüber der Kinderbeiständin bestätigt habe, dass sie mit ihm regelmässig telefonisch und persönlich in Kontakt stehe. Im Übrigen bestehe die Gefährdung der Kinder weniger direkt in der Person des Vaters, als vielmehr im Umstand, dass sich die Mutter trotz eigener negativer Erlebnisse und mehrfacher selbst erfahrener Gewalt nicht gegenüber diesem distanzieren könne. Insofern müsse wie bis anhin auch bei ihr selbst von einer eingeschränkten Erziehungsfähigkeit ausgegangen werden. Eine Rückführung der Kinder zu ihr liesse eine Kindeswohlgefährdung befürchten. Ebenso wenig komme eine gemeinsame Unterbringung in einer Mutter-Kind-Institution in Frage, weil diese viel zu offen geführt sei; die Mutter, welche im Übrigen die gegen E.________ ausgeübte Gewalt verharmlose (und diese sinngemäss auch in der beim Bundesgericht eingereichten Beschwerde in Abrede stellt, vgl. S. 9, eingangs Ziff. 2.3.1), könnte sich unbeaufsichtigt und unkontrolliert mit den Kindern aus einer solchen Institution entfernen und den Vater treffen. Die konkrete Platzierung der Kinder in der Pflegefamilie I.________ hat das Kantonsgericht damit begründet, dass ein Kinderheim für einen längeren Aufenthalt nicht geeignet sei und sie in einem kleineren familiären Rahmen besser aufgehoben seien. F.________, für welchen die KESB einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen habe, sei zwar schon in einer Pflegefamilie (Familie H.________) untergebracht, aber dabei handle es sich um einen zeitlich befristeten Notaufnahmeplatz, was eine Umplatzierung notwendig mache. Im Übrigen sollten die beiden Geschwister gemeinsam aufwachsen können. 
Die Mutter rügt eine Verletzung von Art. 307 und Art. 310 ZGB. Die Fremdplatzierung müsse die ultima ratio darstellen und eine Unterbringung in einer Mutter-Kind-Institution stelle eine mildere Massnahme dar, welche den Schutz der Kinder ebenfalls und im Übrigen den Aufbau einer tragenden Bindung ermögliche; wenn die Kinder während längerer Zeit in einer Pflegefamilie verbleiben würden, sei dies später nicht mehr möglich. 
Bei diesen Ausführungen wie auch dem Vorbringen, wenn schon wäre für eine Fremdplatzierung eine fachkundige Abklärung und ein Gutachten zwingend nötig und es hätte den Kindern auch eine Vertretung gegeben werden müssen, übergeht die Beschwerdeführerin, dass es vorliegend nicht um den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechtes, worüber für beide Kinder bereits vor längerer Zeit formell rechtskräftig entschieden worden ist, sondern um die Umplatzierung an einen geeigneteren Ort geht. Das Kantonsgericht hat sich hierzu geäussert und beschwerdeweise wird diesbezüglich einzig vorgebracht, dass die Kinder sich an einem völlig neuen Ort bei ihnen unbekannten Pflegeeltern einleben müssten, was fatale Folgen namentlich für die Entwicklung von E.________ haben könne, indem Bindungsstörungen drohen würden. Mit solchen Ausführungen ist keine Rechtsverletzung in Bezug auf die kantonsgerichtliche Begründung darzutun, wieso die Unterbringung in der Pflegefamilie I.________ dem Kindeswohl am besten Rechnung trägt. 
Nur der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die im Zuge der Stellungnahmen des Kantonsgerichtes und der KESB zur Frage der aufschiebenden Wirkung bzw. der Übermachung der kantonalen Akten eingereichten echten Noven - welche indes im vorliegenden Beschwerdeverfahren keinerlei Berücksichtigung finden dürfen (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; 143 V 19 E. 1.2 S. 23; 144 V 35 E. 5.2.4 S. 39), sondern einzig bei einer späteren Neubeurteilung bzw. Prüfung der Wiederherstellung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes durch die zuständigen kantonalen Instanzen relevant wären - die Entscheidungsgrundlagen nicht in die von der Beschwerdeführerin beantragte Richtung verschieben würden: Zwischenzeitlich ist sie mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Luzern vom 7. September 2020 (in welchem noch weitere als die bereits erwähnten Gewaltvorfälle als erstellt erachtet wurden, z.B. dass der Vater E.________ in die Schublade einer Kommode legte, diese zustiess und das Kind 5-10 Minuten in der dunklen, sauerstoffarmen Schublade beliess, bis es mit Weinen aufgehört hatte) der fahrlässigen Vernachlässigung der Fürsorgepflicht nach Art. 219 Abs. 1 und 2 StGB schuldig gesprochen worden, während das Verfahren gegen den Vater wegen versuchter schwerer Körperverletzung noch hängig ist und diesbezüglich beim Gericht Anklage erhoben werden soll. Gemäss Bericht des Kinderheims G.________ vom 17. September 2020 hat sich der psychische und seelische Zustand von E.________ in der letzten Zeit stark verschlechtert. Dies wird auf die Veränderungen in der Besuchsrechtsregelung und in der Paarbeziehung der Eltern zurückgeführt. E.________ zeigt Rückschritte in ihrer Selbständigkeit, indem sie sich vermehrt wieder wie ein Baby verhielt; sodann ist sie dünnhäutig, orientierungslos, verunsichert und sehr bedürftig geworden. All dies würde, soweit der entsprechende Bericht berücksichtigt werden könnte, nur bestätigen, dass die Kinder in der nächsten Zeit eines stabilen sozialen Umfeldes und eines strukturierten Alltags bedürfen. Hierfür ist die Platzierung in einer Pflegefamilie I.________ geeignet und im Übrigen hat das Kantonsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass in allen Kinderbelangen oberste Richtschnur immer das Kindeswohl ist und allfällige Interessen der Eltern hinter den Bedürfnissen der Kinder zurückzustehen haben (BGE 130 III 585 E. 2.1 S. 587 f.; zuletzt Urteile 5A_23/2020 vom 3. Juni 2020 E. 4; 5A_56/2020 vom 17. August 2020 E. 4.1). 
 
4.   
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde offensichtlich unbegründet und deshalb im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. 
 
5.   
Angesichts der konkreten Umstände wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG). Damit ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Bezug auf diese gegenstandslos. Im Übrigen ist es abzuweisen, weil der Beschwerde, wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, von Anfang an kein Erfolg beschieden sein konnte und es folglich an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde der Stadt Luzern und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. Oktober 2020 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli