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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
7B.155/2005 /bnm 
 
Urteil vom 7. Oktober 2005 
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Marazzi, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Parteien 
Verein X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
Zustellung eines Zahlungsbefehls, 
 
SchKG-Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 4. August 2005 (ABS 05 251). 
 
Die Kammer zieht in Erwägung: 
1. 
Das Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Bern, drohte Y.________ am 20. Juni 2005 in der gegen ihn laufenden Betreibung Nr. 1 den Konkurs an. Gegen die Konkursandrohung erhob Y.________ Beschwerde mit der Begründung, dass ihm kein Zahlungsbefehl zugestellt worden sei, da er entgegen dem Zustellungsvermerk auf dem Zahlungsbefehl (Gläubigerdoppel) am 31. Januar 2005 landesabwesend gewesen sei. Das Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, stellte mit Entscheid vom 4. August 2005 die Nichtigkeit des Zahlungsbefehls und der Konkursandrohung fest. 
 
Der Betreibungsgläubiger Verein X.________ hat den Beschluss der kantonalen Aufsichtsbehörde mit Beschwerdeschrift vom 16. August 2005 (Postaufgabe) rechtzeitig an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und beantragt im Wesentlichen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei die Gültigkeit von Zahlungsbefehl und Konkursandrohung festzustellen; eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Die Aufsichtsbehörde hat anlässlich der Aktenüberweisung auf Gegenbemerkungen (Art. 80 OG) verzichtet. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
2. 
Die Aufsichtsbehörde hat festgestellt, dass in der fraglichen Betreibung der Zahlungsbefehl vom 1. November 2004 nach erfolglosen Zustellungsversuchen am 3. Januar 2005 der Polizei übergeben worden sei. Gemäss Bescheinigung auf dem Zahlungsbefehl (Gläubigerdoppel) sei die Zustellung am 31. Januar 2005 an den Empfänger Y.________ erfolgt. Die Vorinstanz hat erwogen, aus dem Reisepass des Betreibungsschuldners gehe anhand der Stempeleintragungen hervor, dass er auf dem Luftweg am 14. Januar 2005 in die Ukraine eingereist und am 27. Februar 2005 von dort ausgereist sei. Sie hat geschlossen, der Schuldner habe unmöglich Ende Januar 2005 einen Zahlungsbefehl in A.________ entgegennehmen können. Folglich sei der Nachweis im Sinne von Art. 9 ZGB erbracht, dass die auf dem Zahlungsbefehl beurkundete Tatsache der Zustellung unrichtig sei, was zur Feststellung der Nichtigkeit des Zahlungsbefehls und der sich darauf stützenden Konkursandrohung führe. 
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die Aufsichtsbehörde habe zu Unrecht ohne weitere Abklärungen aus den Passeintragungen auf die Unrichtigkeit der Zustellungsbescheinigung geschlossen, zumal bekannt sei, dass in der Ukraine Passstempel gegen Dollars ohne weiteres erhältlich seien. 
3. 
Im Anfechtungsfall trägt in erster Linie das Betreibungsamt die Beweislast für die ordnungsgemässe Zustellung von Betreibungsurkunden. Dazu dient ihm namentlich die gemäss Art. 72 Abs. 2 SchKG vorgeschriebene Bescheinigung des Zustellungsbeamten, an welchem Tage und an wen die Zustellung des Zahlungsbefehls erfolgt ist; als öffentliche Urkunde im Sinne von Art. 9 ZGB kommt der Bescheinigung, Gegenbeweis vorbehalten, für ihren Inhalt volle Beweiskraft zu (BGE 120 III 117 E. 2 S. 118). 
3.1 Der Beschwerdeführer rügt sinngemäss eine Verletzung von Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG. Nach dieser Bestimmung stellen die kantonalen Aufsichtsbehörden den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Die Aufsichtsbehörde hat zur strittigen Frage - die (Un-)Richtigkeit der Zustellungsbescheinigung - Tatsachenfeststellungen getroffen: Sie hat festgehalten, dass der Schuldner aufgrund der Passeintragungen Ende Januar 2005 unmöglich einen Zahlungsbefehl in A.________ habe entgegennehmen können. Inwiefern die Aufsichtsbehörde den rechtlich relevanten Sachverhalt (Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, N. 34 zu Art. 20a) verkannt habe, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Insoweit kann auf die Beschwerde mangels Substantiierung nicht eingetreten werden (Art. 79 Abs. 1 OG). 
3.2 Soweit der Beschwerdeführer der Aufsichtsbehörde vorwirft, sie habe gestützt auf die Passeintragungen zu Unrecht angenommen, dass die Unrichtigkeit der Angabe betreffend Zustellungsbescheinigung nachgewiesen sei, ist sein Vorbringen unzulässig. Der Beschwerdeführer verkennt, dass der Nachweis der Unrichtigkeit (Art. 9 ZGB) der im Zahlungsbefehl bescheinigten Zustellung eine Frage der Beweiswürdigung ist (vgl. BGE 73 III 72 E. 2 S. 75, betreffend die im Pfändungsprotokoll als öffentlicher Urkunde aufgeführten Tatsachen; vgl. Urteil 7B.98/2005 vom 17. August 2005, E. 3.3 und 3.4). Die - vom kantonalen Recht beherrschte - Beweiswürdigung kann indessen mit Beschwerde gemäss Art. 19 SchKG nicht überprüft werden (BGE 120 III 114 E. 3a S. 116). Insoweit kann auf die Vorbringen des Beschwerdeführers, welche sich gegen die Beweiswürdigung richten, nicht eingetreten werden. 
3.3 Im Weiteren schliesst die Geltung der Untersuchungsmaxime (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG) - gleich wie in gewissen Zivilprozessverfahren - eine antizipierte Beweiswürdigung nicht aus (vgl. BGE 114 II 200 E. 2b). Ob hier im Rahmen der Beweiswürdigung das Absehen von der Erhebung weiterer Beweismittel (z.B. Einvernahme des Zustellungsbeamten, vgl. BGE 107 III 1 E. 2 S. 3) ohne Verletzung des Willkürverbotes (Art. 9 BV) erfolgt ist, kann im vorliegenden Verfahren nicht überprüft werden (vgl. E. 3.2). 
3.4 Der Beschwerdeführer bestreitet schliesslich das Ergebnis der Beweiswürdigung (Unrichtigkeit der Zustellungsbescheinigung) unter Hinweis darauf, dass er im kantonalen Verfahren keine Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt habe, denn die Verfügung der Aufsichtsbehörde vom 12. Juli 2005, mit welcher eine Frist von 15 Tagen zur Stellungnahme zur Beschwerde eröffnet worden war, sei dem Betreibungsgläubiger zugesandt und "nicht rechtzeitig" an den Gläubigervertreter weitergeleitet worden. 
3.4.1 Nach Art. 79 Abs. 1 OG sind neue tatsächliche Vorbringen nur dann zulässig, wenn sie von der kantonalen Aufsichtsbehörde hätten berücksichtigt werden können, aber im kantonalen Verfahren deshalb nicht geltend gemacht wurden, weil die an der Geltendmachung interessierte Partei in diesem Verfahren nicht angehört worden ist (BGE 96 III 83 E. 2 S. 85; 91 III 87 E. 2 S. 91; Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Ziff. 1.4.1 zu Art. 79, S. 758 f.). 
3.4.2 Vorliegend sind die Voraussetzungen, damit die vom Beschwerdeführer als neu vorgebrachte Tatsachenbehauptung - die Bestreitung der Unrichtigkeit der Zustellungsbescheinigung - berücksichtigt werden könnte, nicht erfüllt. Die Aufsichtsbehörde hat die Verfügung vom 12. Juli 2005 mit der Einladung zur Vernehmlassung zur Beschwerde des Schuldners an diejenige Adresse des Betreibungsgläubigers gesandt, welche in der angefochtenen Konkursandrohung aufgeführt ist. Der Beschwerdeführer behauptet selber nicht, dass es dem Gläubigervertreter nicht möglich gewesen wäre, bei der kantonalen Behörde um Wiederherstellung der abgelaufenen Vernehmlassungsfrist zu ersuchen. Im Übrigen ist die in diesem Zusammenhang sinngemäss vorgebrachte Rüge des Beschwerdeführers, das Betreibungsamt habe übergangen, dass mit dem Fortsetzungsbegehren die Person des Gläubigervertreters mitgeteilt worden sei, verspätet. Der Beschwerdeführer hat die Konkursandrohung, welche im Doppel (Art. 161 Abs. 2 SchKG) dem Gläubiger zuzustellen ist, wegen eines angeblich fehlerhaften oder unvollständigen Inhalts offensichtlich nicht in Frage gestellt. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass zur Annahme, dass der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren keine Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe. Folglich bleibt es dabei, dass die Bestreitung der Unrichtigkeit der Zustellungsbescheinigung im vorliegenden Verfahren als neues tatsächliches Vorbringen gilt und daher unzulässig ist. 
3.5 Nach dem Dargelegten kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. 
4. 
Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG), und es darf keine Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG). 
 
Demnach erkennt die Kammer: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Beschwerdegegner, dem Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Bern, und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 7. Oktober 2005 
Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: