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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5D_15/2007 /blb 
 
Urteil vom 17. April 2007 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
1. X.________, 
2. Y.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Peter Kriesi, 
 
gegen 
 
Obergerichtskommission des Kantons Obwalden, 
als Rekursinstanz in Zivilsachen, Postfach 1260, 6061 Sarnen 1. 
 
Gegenstand 
Unentgeltliche Rechtspflege im Rechtsöffnungsverfahren, 
 
Subsidiäre Verfassungsbeschwerde gegen den Entscheid der Obergerichtskommission des Kantons Obwalden vom 7. Februar 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Im Rahmen zweier Rechtsöffnungsverfahren stellten X.________ und Y.________ beim Kantonsgerichtspräsidenten II des Kantons Obwalden ein Gesuch um vollumfängliche unentgeltliche Rechtspflege, welchem Gesuch die angerufene Instanz mangels Bedürftigkeit der Gesuchsteller nicht entsprach. 
B. 
Den hiergegen erhobenen Rekurs der Gesuchsteller wies die Obergerichtskommission des Kantons Obwalden mit Entscheid vom 7. Februar 2007 ab, weil auch sie die Bedürftigkeit als nicht erstellt erachtete. 
C. 
Die Gesuchsteller führen beim Bundesgericht Beschwerde mit den Begehren, den Entscheid der Obergerichtskommission aufzuheben, ihnen für sämtliche Instanzen die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und einen amtlichen Rechtsbeistand zu ernennen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersuchen sie ebenso um unentgeltliche Rechtspflege. 
D. 
Mit Verfügung vom 22. März 2007 ist der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, nachdem sich die Obergerichtskommission nicht hatte vernehmen lassen. 
E. 
In der Sache verweist die Obergerichtskommission auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheides und beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen (act. 6). 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht in Kraft getreten (BGG; SR 173.110; AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene Entscheid ist nach Inkrafttreten des Gesetzes ergangen, weshalb dieses Gesetz anzuwenden ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). 
1.2 Angefochten ist ein in einem hängigen kantonalen Verfahren ergangener letztinstanzlicher Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege; dabei handelt es sich um einen Zwischenentscheid, welcher in der Regel einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirkt (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1). Der Rechtsweg von Zwischenentscheiden folgt grundsätzlich jenem der Hauptsache. In der Hauptsache geht es um zwei Rechtsöffnungsverfahren; insoweit erweist sich die Beschwerde in Zivilsachen als zulässig (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG), wobei sie allerdings in vermögensrechtlichen Zivilstreitigkeiten nur bei einem Streitwert von mindestens Fr. 30'000.-- gegeben ist (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Bei Zwischenentscheiden bestimmt sich der Streitwert nach den Begehren, die vor der Instanz streitig sind, wo die Hauptsache hängig ist (Art. 51 Abs. 1 lit. c BGG). In der Hauptsache geht es nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid um Betreibungsforderungen von gesamthaft Fr. 23'000.--. Damit ist die Beschwerde in Zivilsachen unzulässig. Steht keine Beschwerde nach den Art. 72-89 BGG zur Verfügung, ist gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gegeben (Art. 113 BGG), mit welcher die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann (Art. 116 BGG). 
2. 
2.1 Die Obergerichtskommission hat ein relevantes Einkommen der Beschwerdeführer von Fr. 9'102.15 ermittelt und dabei insbesondere die monatliche Mietzinseinnahme für eine vermietete Wohnung der Beschwerdeführer im Betrag von Fr. 1'500.-- berücksichtigt. Dem Einkommen stellte sie einen Bedarf von Fr. 8'101.90 gegenüber, wobei sie die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Kosten für die vermietete Liegenschaft nicht darin aufnahm. Zur Begründung hielt sie dafür, unter dem Titel Wohnkosten seien nur die Kosten für die tatsächlich von den Beschwerdeführern bewohnte Liegenschaft anzurechnen; das Institut des Notbedarfs dürfe nicht dazu missbraucht werden, neben den Auslagen für die selber bewohnte Liegenschaft auch die Aufwendungen für vermietetes Grundeigentum zu sichern (Entscheid S. 12 f.). Im Weiteren hielt die Vorinstanz dafür, den Beschwerdeführern verbleibe ein Überschuss von Fr. 1'000.25 pro Monat bzw. Fr. 12'003.-- pro Jahr, womit sie in der Lage seien, die mutmasslichen Gerichts- und Anwaltskosten von Fr. 2'700.-- innert dreier Monate zu tilgen. Dabei könne offen bleiben, ob auf der Vermögensseite aus der Gegenüberstellung der Liegenschaftswerte und der Hypothekarschulden ein Passivenüberschuss resultiere, seien doch diese Schulden grundsätzlich ohne Belang (Entscheid S. 13 f. E. c). 
2.2 Die Beschwerdeführer machen geltend, es sei mit ihrem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege nicht zu vereinbaren, die aus der Vermietung der Liegenschaft resultierenden Mietzinseinnahmen als relevantes Einkommen zu berücksichtigen, die Kosten der betreffenden Liegenschaft aber vom massgebenden Bedarf auszuklammern. Bei einer Berücksichtigung des im Rekurs geltend gemachten Aufwandes aber ergebe sich kein Überschuss, sondern ein Fehlbetrag, so dass die Bedürftigkeit ohne weiteres gegeben sei; daran vermöchten auch die Vermögenswerte nichts zu ändern, zumal auf der Vermögensseite ein Passivenüberschuss von knapp Fr. 190'000.-- resultiere (Beschwerde S. 10 ff. Ziff. 14 und 15). 
3. 
3.1 Die Beschwerdeführer berufen sich in ihrer Eingabe mit Bezug auf den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege auf Art. 11 Abs. 4 KV OW, Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Sie erläutern jedoch nicht, inwiefern ihnen das kantonale Recht einen weitergehenden Anspruch gewährt als Art. 29 Abs. 3 BV (BGE 124 I 1 E. 2). Ob Art. 6 Ziff. 1 EMRK einen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege einräumt, ist umstritten, kann hier aber offen bleiben, zumal ein allfälliger Anspruch nicht weiter ginge als jener gemäss Art. 29 Abs. 3 BV (BGE 119 Ia 264 E. 3). Die Prüfung hinsichtlich des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege erfolgt daher einzig im Lichte von Art. 29 Abs. 3 BV. Insoweit erweist sich die Beschwerde als begründet: 
3.2 Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat nach Art. 29 Abs. 3 BV Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, steht ihr überdies von Verfassungs wegen ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu. Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, anderseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181; 124 I 1 E. 2a S. 2, je mit Hinweisen). Bei der Ermittlung des notwendigen Lebensunterhaltes soll nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt, sondern den individuellen Umständen Rechnung getragen werden. Ein allfälliger Überschuss zwischen dem zur Verfügung stehenden Einkommen und dem Zwangsbedarf der Gesuch stellenden Partei ist mit den für den konkreten Fall zu erwartenden Gerichts- und Anwaltskosten in Beziehung zu setzen (BGE 118 Ia 369 E. 4a S. 370 f.); dabei sollte es der monatliche Überschuss ihr ermöglichen, die Prozesskosten bei weniger aufwendigen Prozessen innert eines Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen. Entscheidend ist zudem, ob die Gesuch stellende Partei mit dem ihr verbleibenden Überschuss in der Lage ist, die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert absehbarer Zeit zu leisten (BGE 109 Ia 5 E. 3a S. 9 mit Hinweisen; 118 Ia 369 E. 4a S. 370). 
3.3 Der Kanton hält den Beschwerdeführern nicht entgegen, sie könnten ihre Liegenschaften höher belehnen oder mit Gewinn verkaufen, um so den Prozess zu finanzieren (dazu: BGE 119 Ia 11 E. 5 S. 12 f.; Bühler, Die Prozessarmut, in: Christian Schöbi [Hrsg.], Gerichtskosten, Parteikosten, Prozesskaution, unentgeltliche Prozessführung, Bern 2001, S. 150). Im Lichte der unter E. 3.2 aufgezeigten Grundsätze geht es nicht an, zwar die Einnahmen aus der Vermietung einer Liegenschaft, nicht jedoch den Aufwand zu berücksichtigen. Damit wird im Ergebnis den Beschwerdeführern ein Einkommensanteil angerechnet, über den sie gar nicht oder nicht vollumfänglich verfügen. Der angefochtene Entscheid ist auch insoweit im Ergebnis verfassungswidrig, als den Beschwerdeführern bei Berücksichtigung des Aufwandes der besagten Liegenschaft jedenfalls ein beträchtlich geringerer Freibetrag verbleiben wird. 
3.4 Laut den Ausführungen in der Beschwerde beträgt der Anteil der auf die vermietete Wohnung entfallenden Kosten Fr. 1'235.-- (Beschwerde S. 10). Aufgrund der Feststellungen der Obergerichtskommission steht nicht fest, wie hoch die Kosten der vermieteten Liegenschaft insgesamt ausfallen, werden doch im angefochtenen Entscheid nur gerade die diesbezüglichen Hypothekarzinsen erwähnt (Entscheid S. 12 E. cc: 25 % von Fr. 2'949.--), die übrigen Positionen (Entsorgungsgebühren, Gebäudeversicherung, sowie notwendige aufgelaufene Kosten für Heizung, unaufschiebbaren Unterhalt usw.) aber ausgespart, da die Kosten der vermieteten Liegenschaft nach Auffassung der Obergerichtskommission nicht zu berücksichtigen waren. Fehlen die Angaben zur Ermittlung der Bedürftigkeit, ist das Bundesgericht nicht in der Lage, über den materiellen Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zu befinden, weshalb die Sache zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen und zu neuem Entscheid an die Obergerichtskommission zurückzuweisen ist (Art. 117 i.V.m. 107 Abs. 2 BGG). 
4. 
Über den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege ist zwar - entgegen dem Antrag der Beschwerdeführer - nicht entschieden worden, doch sind sie mit ihrem Begehren auf Aufhebung durchgedrungen. Vom Kanton ist keine Gebühr zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Damit rechtfertigt es sich, auf eine Gerichtsgebühr zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Kanton hat den Beschwerdeführern für das bundesgerichtliche Verfahren dem nicht gänzlichen Obsiegen entsprechend eine reduzierte Entschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
5. 
Mit dem Entscheid über die Kosten und die Entschädigung wird das Gesuch der Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid der Obergerichtskommission des Kantons Obwalden vom 7. Februar 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen und zu neuem Entscheid an die Obergerichtskommission zurückgewiesen. 
2. 
Das Gesuch der Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
3. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
4. 
Der Kanton Obwalden hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen. 
5. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern und der Obergerichtskommission des Kantons Obwalden schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 17. April 2007 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: