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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_466/2011 
 
Verfügung vom 7. Februar 2012 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, als Einzelrichter, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
1. Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
2. Y.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
1. Einwohnergemeinde Bellikon, 
Mutschellenstrasse 19, 5454 Bellikon, 
2. Einwohnergemeinde Widen, Bremgartenstrasse 1, 8967 Widen, 
beide vertreten durch den Gemeinderat Bellikon, Gemeindekanzlei, Mutschellenstrasse 19, 5454 Bellikon. 
 
Gegenstand 
formelle Enteignung; vorzeitige Besitzanweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 13. September 2011 des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 
3. Kammer. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Gemeinden Bellikon und Widen beabsichtigen, den Fuss- und Radweg zwischen den beiden Ortschaften auszubauen. Die geplante Wegverbindung tangiert die Parzelle Nr. 377 in Bellikon und die Parzelle Nr. 255 in Widen. Beide Grundstücke stehen im Miteigentum von X.________ und Y.________. 
Das Wegbauprojekt wurde in beiden Gemeinden öffentlich aufgelegt. Es gingen dagegen mehrere Einsprachen ein. Am 23. Juni 2008 bewilligten die Gemeinderäte von Bellikon und Widen das Wegbauprojekt und wiesen die Einsprachen ab, soweit sie darauf eintraten. Die Baubewilligung erwuchs in Rechtskraft. 
Parallel zum neuen Wegabschnitt soll hangseits ein Tiefgraben angelegt werden, um das Hangwasser aufzufangen. Das entsprechende Wasserbauprojekt wurde am 7. Februar 2008 vom Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau rechtskräftig bewilligt. 
Mit der Zustimmung der Gemeinde Widen ersuchte der Gemeinderat Bellikon am 17. Juli 2006 die kantonale Schätzungskommission nach Baugesetz um Einleitung des Enteignungsverfahrens für das Wegbauprojekt. Der Präsident der Schätzungskommission führte eine Einigungsverhandlung durch, bei welcher sich jedoch keine umfassende Einigung ergab. Die Einsprachen, welche X.________ und Y.________ erhoben hatten, wurden deshalb an den Regierungsrat des Kantons Aargau überwiesen. Mit Beschluss vom 13. Mai 2009 wies dieser die Einsprachen ab und ordnete die Enteignung für den Fuss- und Radweg an. Der Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft, worauf die Schätzungskommission das Verfahren wieder aufnahm. 
Am 17. August 2010 entschied die Schätzungskommission im Wesentlichen, dass von der Parzelle Nr. 377 ca. 1065 m² zugunsten der Einwohnergemeinde Bellikon und von der Parzelle Nr. 255 ca. 821 m² zugunsten der Einwohnergemeinde Widen enteignet werden. Die Entschädigung wurde auf Fr. 8.--/m² festgelegt. Weiter wurde festgestellt, dass sich die Parteien bezüglich der Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten auf eine Entschädigungssumme von Fr. 2'940.-- geeinigt hatten. In Bezug auf die Entschädigungsforderungen entschied die Schätzungskommission, dass diese 20 Tage nach Rechtskraft des Entscheids fällig werden. Weitergehende Forderungen wies sie ab. Auf die von X.________ und Y.________ betreffend ein Pachtverhältnis erhobenen Forderungen trat sie nicht ein. Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau wies eine gegen den Entscheid der Schätzungskommission erhobene Beschwerde mit Urteil vom 13. April 2011 ab. Daraufhin gelangten X.________ und Y.________ mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Dieses wies das Rechtsmittel mit Urteil vom 26. Oktober 2011 ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren 1C_246/2011). 
Am 15. Juli 2009 beantragten die Gemeinden Bellikon und Widen die vorzeitige Besitzeinweisung, damit die Arbeiten am Fussweg zusammen mit denjenigen am Wasserbauprojekt ausgeführt und die Liegenschaften in der Imbismatt vor Hochwasser geschützt werden könnten. Mit Entscheid vom 22. September 2009 ermächtigte die Schätzungskommission die beiden Gemeinden zur vorzeitigen Besitzergreifung an den im Enteignungsplan vorgesehenen Flächen von Parzelle Nr. 377 (ca. 1065 m²) und Parzelle Nr. 255 (ca. 821 m²). Gleichzeitig bestimmte es die Höhe der zu leistenden Abschlagszahlung und ordnete die Verzinsung ab Besitzergreifung an, soweit die definitive Entschädigung die Abschlagszahlung übersteigen sollte. Eine gegen den Entscheid der Schätzungskommission erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 13. September 2011 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 24. Oktober 2011 beantragen X.________ und Y.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. September 2011 sei aufzuheben. Eventualiter seien die Gemeinden Bellikon und Widen zu verpflichten, die geforderte Entschädigung von Fr. 36'748.-- an die Eigentümer, von Fr. 1'296.-- für den Pächter und von Fr. 3'456.-- als Entschädigung für die vorzeitige Pachtauflösung auszurichten. 
Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Einwohnergemeinden Bellikon und Widen vertreten in ihrer Vernehmlassung die Auffassung, die Beschwerde sei durch das Urteil des Bundesgerichts vom 26. Oktober 2011 hinfällig geworden. Im Übrigen beantragen sie die Abweisung der Beschwerde. 
 
C. 
Mit Eingabe vom 6. Januar 2012 an das Bundesgericht informierten die Gemeinden Bellikon und Widen darüber, dass die Enteignungsentschädigung an X.________ und Y.________ mittlerweile bezahlt worden sei, und wiesen einen Zahlungsbeleg über den Betrag von Fr. 18'028.-- vor. In der Folge teilte das Bundesgericht den Verfahrensbeteiligten mit, das Verfahren scheine gegenstandslos geworden zu sein, und räumte ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme ein. Das Verwaltungsgericht hielt in seiner Vernehmlassung fest, das Verfahren sei gegenstandslos geworden, soweit die Beschwerdeführer die Beschwerde nicht noch zurückziehen würden. Da die Beschwerde mutmasslich abzuweisen wäre, seien die Beschwerdeführer kostenpflichtig. Die Beschwerdeführer äusserten dagegen die Ansicht, das Verfahren sei nicht gegenstandslos geworden. Sie halten an ihren Anträgen fest. Die Gemeinden Bellikon und Widen haben sich nicht mehr vernehmen lassen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid über eine vorzeitige Besitzeinweisung in einem Enteignungsverfahren. Dieser Entscheid unterliegt der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG). 
 
1.2 Die Beschwerdeberechtigung der Beschwerdeführer richtet sich nach Art. 89 Abs. 1 lit. a-c BGG. Die Beschwerdeführer haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen (vgl. lit. a) und sind als direkte Adressaten vom angefochtenen Entscheid bzw. der diesem zugrunde liegenden vorzeitigen Besitzeinweisung besonders berührt (vgl. lit. b). Indessen ist fraglich, ob sie nach der Bezahlung der Enteignungsentschädigung noch ein aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung oder Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts haben (vgl. lit. c). Mit der Leistung der Entschädigung erwirbt nämlich der Enteigner das enteignete Recht (§ 147 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Aargau vom 19. Januar 1993 über Raumentwicklung und Bauwesen [BauG; SAR 713.100]). Die vorzeitige Besitzeinweisung, welche dem Enteigner die Beanspruchung des enteigneten Rechts schon vor dessen Erwerb ermöglicht, wird in diesem Zeitpunkt hinfällig. Daraus folgt, dass es vorliegend an einem aktuellen praktischen Interesse fehlt und das Verfahren somit gegenstandslos geworden ist, zumal auch keine Umstände vorliegen, die ein ausnahmsweises Absehen vom Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses rechtfertigen (vgl. BGE 137 I 120 E. 2.2, 296 E. 4.3 S. 299 ff.; je mit Hinweisen). Das Verfahren wird deshalb mit einzelrichterlichem Entscheid vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben (Art. 32 Abs. 2 BGG). 
 
1.3 Erklärt das Bundesgericht einen Rechtsstreit als erledigt, entscheidet es mit summarischer Begründung über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes (Art. 71 BGG in Verbindung mit Art. 72 BZP [SR 273]). Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen. Dem Bundesgericht steht dabei ein weites Ermessen zu. Nach ständiger Praxis kann es nicht darum gehen, bei der Beurteilung des Kostenpunkts über die materielle Begründetheit der Beschwerde abschliessend zu befinden (BGE 125 V 373 E. 2a S. 374 f.; 118 Ia 488 E. 4a S. 494 f.; je mit Hinweisen). 
Im Folgenden ist summarisch zu prüfen, ob die Beschwerde erfolgreich gewesen wäre. 
 
2. 
2.1 Die Beschwerdeführer erheben verschiedene Rügen, die nicht in Zusammenhang mit der vorzeitigen Besitzeinweisung stehen. Der angefochtene Entscheid wird insoweit gar nicht in Frage gestellt. So kritisieren sie das Bauprojekt, welches sie im Landwirtschaftsgebiet für unzulässig halten, und die ausgerichtete Entschädigung. Sie behaupten in diesem Zusammenhang, ein rechtskräftiger Enteignungstitel liege nicht vor, weil überhaupt nicht abgeklärt worden sei, wie viel Fläche beansprucht werden müsse. Die Schätzungskommission und das Verwaltungsgericht hätten zudem die Regelung über den ökologischen Leistungsnachweis missachtet. Viele Fragen seien nicht abgeklärt worden, so z.B., ob es sich beim Kreuzweidbach und dem Wassergraben entlang des vorgesehenen Fuss- und Radwegs um ein offenes Gewässer handle. Es fehlten damit die Grundvoraussetzungen für die vorzeitige Besitzeinweisung. Weiter kritisieren die Beschwerdeführer, dass mit einer Drittperson eine Entschädigungsvereinbarung geschlossen worden sei, wobei deren Inhalt nicht bekannt sei. Sie machen rechtsungleiche Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) und Willkür (Art. 9 BV) geltend. Sie übersehen jedoch, dass sowohl das Weg- wie auch das Wasserbauprojekt rechtskräftig bewilligt worden sind und dass auch hinsichtlich der Enteignungsentschädigung ein rechtskräftiger Entscheid vorliegt (Urteil des Bundesgerichts 1C_246/2011 vom 26. Oktober 2011). Ihre Rügen hätten deshalb nicht gutgeheissen werden können. 
 
2.2 Die Beschwerdeführer bringen vor, dass das Departement Bau, Verkehr und Umwelt in seiner Verfügung vom 26. November 2007 die Zustimmung zur Wegverbindung zwischen Bellikon und Widen nur unter einschränkenden Auflagen erteilt habe. Es sei festgehalten worden, dass für eine Terrainveränderung von über 100 m² Fläche oder über 80 cm Höhe/Tiefe eine separate Baubewilligung erforderlich sei. Eine solche Bewilligung sei aber bis heute nicht ausgestellt worden. Die Beschwerdeführer übersehen mit ihrer Kritik, dass die betreffende Auflage lediglich einen abstrakten Hinweis auf das geltende Recht darstellt und nur für den Fall bedeutsam wird, dass das Projekt überhaupt zu einer derartigen Terrainveränderung führen sollte. Dass dies im konkreten Fall zutrifft, behaupten sie nicht. Ihre Kritik wäre somit nicht erfolgreich gewesen. 
 
2.3 Die Beschwerdeführer kritisieren, dass die Entschädigungsvereinbarung mit der erwähnten Drittperson erst am 8. August 2011 eingereicht worden sei. Der Sachverhalt sei somit klar falsch dargelegt worden, das Vorgehen sei willkürlich und rechtsungleich. Sie empfinden es als unhaltbar, dass sie ihre Beschwerde ans Verwaltungsgericht unter anderen Voraussetzungen eingereicht haben, als sie im Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Entscheid bestanden. 
Das Verwaltungsgericht forderte die Gemeinden Bellikon und Widen auf darzulegen, dass sie über sämtliche Rechtstitel verfügten, die für die Ausführung des Bachöffnungsprojekts erforderlich seien (Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer oder Enteignungstitel). Damit wollte es offensichtlich sicherstellen, dass der Umsetzung dieses Projekts, mit welchem die Dringlichkeit des Wegbauprojekts gerechtfertigt wurde, nichts entgegenstand. Die Zustimmung wurde in Form einer Entschädigungsvereinbarung beigebracht. Die Beschwerdeführer konnten sich dazu im vorinstanzlichen Verfahren äussern. Eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts (Art. 97 Abs. 1 BGG), rechtsungleiche Behandlung oder Willkür ist in dieser Hinsicht nicht erkennbar. Die Beschwerdeführer sind zudem darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht ihnen das rechtliche Gehör gewährte (Art. 29 Abs. 2 BV). Wären sie aufgrund der neuen Gegebenheiten zum Schluss gekommen, dass ihre Beschwerde nicht mehr Erfolg versprechend ist, so hätten sie Gelegenheit gehabt, sie zurückzuziehen. Die zu diesem Punkt erhobenen Rügen wären deshalb voraussichtlich abzuweisen gewesen. 
 
3. 
Eine summarische Prüfung der erhobenen Rügen ergibt, dass die Beschwerde voraussichtlich abzuweisen gewesen wäre, soweit darauf hätte eingetreten werden können. Dementsprechend tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie haben keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
Demnach verfügt der Einzelrichter: 
 
1. 
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt. 
 
3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4. 
Diese Verfügung wird den Beschwerdeführern, der Einwohnergemeinde Bellikon, der Einwohnergemeinde Widen und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 7. Februar 2012 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Einzelrichter: Raselli 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold