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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6A.8/2005 /gnd 
 
Urteil vom 6. April 2005 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Kolly, Zünd, 
Gerichtsschreiber Borner. 
 
Parteien 
B.________, Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecherin Annette Vogt, 
 
gegen 
 
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern, Reiterstr. 11, 3011 Bern, 
Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern, Kramgasse 20, 3011 Bern. 
 
Gegenstand 
Vorsorglicher Entzug des Führerausweises, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung der Rekurskommission des Kantons Bern für Mass-nahmen gegenüber Fahrzeugführern vom 31. Januar 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern entzog B.________ am 7. Januar 2005 vorsorglich den Führerausweis für Motorfahrzeuge bis zur Abklärung der Fahrtauglichkeit (Art. 14 Abs. 3 SVG in Verbindung mit Art. 30 VZV) und einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. 
B. 
Die Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern wies am 31. Januar 2005 eine Beschwerde des Be-troffenen ab. Sie gewährte ihm die unentgeltliche Prozessführung und bestimmte das Honorar der amtlichen Anwältin mit Fr. 1'200.--. 
C. 
B.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der Führerausweis sei ihm umgehend zurückzugeben, eventuell sei die Sache zur Neubeur-teilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Rekurskommission beantragt in ihrer Vernehmlassung die Abwei-sung der Beschwerde (act. 9). 
D. 
Der Präsident des Kassationshofes hat mit Verfügung vom 17. März 2005 ein Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung abge-wiesen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der angefochtene Entscheid ist eine auf das Strassenverkehrsrecht des Bundes gestützte letztinstanzliche kantonale Verfügung, welcher der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegt (Art. 97 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG sowie Art. 98 lit. g OG; Art. 24 Abs. 2 SVG). Mit diesem Entscheid haben die kantonalen Behörden dem Beschwerdeführer den Führerausweis vorsorglich wegen ernsthafter Bedenken an der Fahreignung gestützt auf Art. 35 Abs. 3 VZV entzogen. Es handelt sich um einen Zwischenentscheid im Verfahren betreffend Sicherungsentzug gemäss Art. 16d SVG, der wie ein Endentscheid (Art. 101 lit. a OG, e contrario) beim Bundesgericht angefochten werden kann, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass er einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirkt (Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 und 2 VwVG; BGE 127 II 132 E. 2a S. 136 mit Hinweisen). Das trifft hier zu, weil dem Beschwerde-führer der Führerausweis sofort abgenommen wurde. Die Frist für die Anfechtung eines Zwischenentscheides von 10 Tagen (Art. 106 Abs. 1 OG) ist eingehalten. 
2. 
2.1 Führerausweise dürfen unter anderem nicht erteilt werden, wenn der Bewerber an einer die Fahreignung ausschliessenden Sucht leidet (Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG). Wird dieser Umstand nachträglich fest-gestellt, ist der Führerausweis zu entziehen (Art. 16d Abs. 1 lit. b SVG). Bis zur Abklärung von Ausschlussgründen kann der Führer-ausweis sofort vorsorglich entzogen werden (Art. 35 Abs. 3 VZV). Diese Regelung trägt der besonderen Interessenlage Rechnung, welche bei der Zulassung von Fahrzeugführern zum Strassenverkehr zu berücksichtigen ist. Angesichts des grossen Gefährdungspotentials, welches dem Führen eines Motorfahrzeugs eigen ist, erlauben schon Anhaltspunkte, die den Fahrzeugführer als besonderes Risiko für die anderen Verkehrsteilnehmer erscheinen lassen und ernsthafte Bedenken an seiner Fahreignung wecken, den vorsorglichen Ausweis-entzug. Der strikte Beweis für die Fahreignung ausschliessende Umstände ist nicht erforderlich; wäre dieser erbracht, müsste unmittelbar der Sicherungsentzug selbst verfügt werden. Können die notwendigen Abklärungen nicht rasch und abschliessend getroffen werden, soll der Ausweis schon vor dem Sachentscheid selbst entzogen werden können und braucht eine umfassende Auseinander-setzung mit sämtlichen Gesichtspunkten, die für oder gegen einen Sicherungsentzug sprechen, erst im anschliessenden Hauptverfahren zu erfolgen (BGE 125 II 492 E. 2b; 122 II 359 E. 3a mit Hinweisen). 
Der vorsorgliche Entzug während eines Sicherungsentzugs-Verfahrens bildet zum Schutz der allgemeinen Verkehrssicherheit die Regel (BGE 127 II 122 E. 5; 125 II 396 E. 3). Dies ergibt sich aus dem genannten Sinn und Zweck des Sicherungsentzugs. Es verhält sich hier entsprechend wie beim Entscheid über die Gewährung der aufschiebenden Wirkung bei einer Beschwerde gegen den Siche-rungsentzug selbst. Einer derartigen Beschwerde ist, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die aufschiebende Wirkung zu ver-weigern (BGE 106 Ib 115 E. 2b; 122 II 359 E. 3a). 
2.2 Der angefochtene Entscheid, mit welchem dem Beschwerdeführer der Führerausweis vorsorglich entzogen wurde, hat eine längere Vorgeschichte: 
Wegen einer Trunkenheitsfahrt am 6. Mai 2001, bei der der Beschwer-deführer eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von mindestens 2,74 Gewichtspromille aufwies, wurde ihm der Führerausweis am 30. Mai 2001 bis zur Abklärung einer allfälligen Trunksucht vorsorglich entzogen. Eine solche wurde in der Folge fachärztlich jedoch verneint, weshalb mit Verfügung vom 26. September 2001 der Führerausweis für drei Monate entzogen, die weitere Belassung des Ausweises aber aufgrund des diagnostizierten schädlichen Gebrauchs von Alkohol mit der Auflage verbunden wurde, mit einer Suchtberatungsstelle Kontakt aufzunehmen, den Kurs für alkoholauffällig gewordene Fahrzeuglenker zu besuchen und die begonnene ärztliche Betreuung während mindestens zwölf Monaten fortzuführen unter Einreichung eines ärztlichen Zeugnisses per Ende März und Ende September 2002. 
Nach einem Mahnschreiben hielt der behandelnde Arzt am 20. April 2002 fest, der Beschwerdeführer habe sich vom 4. bis 12. Dezember 2001 stationär ins Kriseninterventionszentrum des Inselspitals bege-ben. Seither halte er die regelmässige ärztliche Betreuung nicht mehr für nötig. Trotzdem sei es zu mindestens zwei akuten Alkoholexzessen gekommen, zuletzt am 23. Februar 2002. Am 15. April 2002 habe der Beschwerdeführer angegeben, seit Wochen generell auf alkoholische Getränke zu verzichten. Aufgrund dieses Berichtes wurde dem Beschwerdeführer am 8. Mai 2002 der Führerausweis erneut vor-sorglich entzogen. Der Untersuchung unterzog sich der Beschwerde-führer am 23. August 2002. Das entsprechende Gutachten vom 31. Oktober 2002 verneinte erneut eine Trunksucht, diagnostizierte jedoch einen exzessiven Akoholmissbrauch, der auf die affektiven Episoden begrenzt gewesen und insofern als symptomatisch einzustufen sei, weshalb die Fahreignung bejaht, allerdings die Auflage regelmässiger psychiatrischer Behandlung über einen Zeitraum von fünf Jahren als unerlässlich erachtet wurde. 
Am 30. Oktober 2002 wurde der Beschwerdeführer erneut wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand (BAK von 2,32 - 2,92 Gewichts-promille) sowie Fahrens trotz Ausweisentzugs, begangen am 17. Ok-tober 2002, verzeigt. Daher dehnte das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt das mit dem vorsorglichen Ausweisentzug vom 8. Mai 2002 eröffnete Administrativverfahren aus und ordnete nochmals eine Eignungsuntersuchung an. Auf Intervention des Psychiaters Dr. Grossenbacher erstattete die Klinik Südhang in Kirchlindach am 10. September 2003 einen Bericht, wonach der Beschwerdeführer vom 20. Dezember 2002 bis 10. Juni 2003 in einer stationären Entwöh-nungstherapie gewesen sei. Er wolle alkoholabstinent leben, und es lasse sich ihm eine relativ gute Prognose stellen, wenn er sich weiterhin einer ambulanten Nachbehandlung unterziehe. Gestützt auf diesen Bericht verzichtete das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt auf die Eignungsuntersuchung und sprach wegen der Widerhandlung vom 17. Oktober 2002 am 21. Oktober 2003 einen Warnungsentzug von 24 Monaten aus, wobei dem Beschwerdeführer für die Wieder-erteilung bzw. weitere Belassung des Ausweises nach Ablauf der Entzugsdauer die Auflage gemacht wurde, weiterhin in hausärztlicher und psychiatrischer Behandlung zu bleiben, eine Alkoholabstinenz-verpflichtung bei einer autorisierten Beratungsstelle für die Dauer von 12 Monaten zu unterzeichnen, während der Dauer des Abstinenz-versprechens die Leberwerte alle drei Monate kontrollieren zu lassen und ein entsprechendes Zeugnis zuzustellen sowie nach Ablauf eines Jahres einen Bericht des ihn betreuenden Psychiaters zum Betreu-ungsverlauf und zur Fahreignung einzureichen. 
Ein erster Bericht wäre Ende Januar 2004 fällig gewesen. Trotz Mahnungen vom 10. Februar und 3. März 2004 reichte der Beschwer-deführer keinen Bericht ein, weshalb ihm nach Eröffnung eines Administrativverfahrens mit Verfügung vom 17. Juni 2004 der Führer-ausweis wegen Missachtens von Auflagen für die Dauer eines Monats entzogen wurde. 
Mit der Entzugsverfügung wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, umgehend den fälligen Arztbericht und die Abstinenzverpflichtung einzureichen. Der Beschwerdeführer reagierte darauf jedoch nicht. Auf Mahnung hin, den Führerausweis einzusenden, ersuchte sein Arbeitgeber am 11. August 2004 um Vollstreckungsaufschub, welchen das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt unter der Bedingung der Einreichung von Arztbericht und Abstinenzverpflichtung innert 10 Tagen in Aussicht stellte. Darauf teilte die Lebenspartnerin des Beschwerdeführers mit, er könne nicht so rasch zu einem Arzt gehen und die Anmeldung bei einer autorisierten Beratungsstelle sei umständlich. Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt akzeptierte diese Erklärung nicht, worauf am 13. September 2004 ein Arztzeugnis des Hausarztes Dr. Andreas Giger eingereicht wurde, wonach der Beschwerdeführer aktuell abstinent sei, die Leberwerte sich norma-lisiert hätten und der Arzt zusammen mit dem Psychotherapeuten Dr. Grossenbacher die weitere Betreuung übernehme und sicherstelle, dass die verlangten Untersuchungen und Kontrollen durchgeführt würden. Laut dem beigelegten Laborbericht lagen die Leberwerte im Normalbereich. Am 15. September 2004 reichte die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers Kopien von Arztterminen bei Dr. Grossenbacher ein mit dem Hinweis, dieser Arzt werde die verlangten Bestätigungen schicken. Nach weiteren Mahnungen teilte Dr. Grossenbacher am 13. Dezember 2004 telefonisch mit, der Beschwer-deführer komme regelmässig zu Gesprächen, eine Alkoholabstinenz-verpflichtung aber wolle er nicht unterzeichnen, da er nicht auf gele-gentlichen massvollen Alkoholkonsum verzichten wolle. Gleichentags schrieb Dr. Grossenbacher, der Beschwerdeführer komme seit Mitte September regelmässig in die ambulante Behandlung und sei konse-quent abstinent. Bedingt durch seine Persönlichkeitsstruktur habe der Beschwerdeführer aber Mühe, eine Abstinenzverpflichtung zu unter-zeichnen, da er sich nicht zu etwas verpflichten wolle, was er nicht hundertprozentig garantieren könne. Schliesslich reichte am 3. Januar 2005 Dr. Giger einen Bericht ein, wonach er den Beschwerdeführer am 20. Dezember 2004 untersucht habe und sich sein gesundheitlicher Zustand stabilisiert habe, was sich in den Laborwerten äussere. Die beigelegte Laboruntersuchung zeigte jedoch, dass sich der CDT-Wert von 2.0 am 10. September 2004 auf 2.9 am 20. Dezember 2004 erhöht hatte, wobei dieser Wert bei einem Graubereich ab 2.6 nur noch knapp unter dem Toleranzwert von 3.0 liegt. 
3. 
Angesichts dieser Vorgeschichte, kann den kantonalen Behörden keine Verletzung von Bundesrecht vorgeworfen werden, wenn sie zu der Auffassung gelangt sind, im heutigen Zeitpunkt sei eine umfassende Abklärung der Fahreignung des Beschwerdeführers angezeigt. Auf eine solche Abklärung wurde nach der letzten Trunken-heitsfahrt nur darum verzichtet, weil sich der Beschwerdeführer einer stationären Behandlung unterzogen hatte und die Behörden seiner Beteuerung Glauben schenkten, dass er nunmehr abstinent leben werde. Daher hielten sie es für ausreichend, lediglich die Einhaltung der Abstinenz während 12 Monaten zu kontrollieren. Gerade dieser Kontrolle aber entzog sich der Beschwerdeführer beharrlich, so dass schliesslich erhebliche Zweifel an der Fahreignung des Beschwerde-führers verbleiben mussten. Diese wurden noch durch die Tatsache genährt, dass der Beschwerdeführer erklärtermassen keine Absti-nenzverpflichtung eingehen wollte und sich die Leberwerte zwischen den beiden durchgeführten Laboruntersuchungen verschlechtert hatten. Unter diesen Umständen kommt auch nichts darauf an, ob die am 21. Oktober 2003 angeordneten Massnahmen nach zwölf Monaten abgelaufen sind bzw. ob der Beschwerdeführer auch nach dem 20. Oktober 2004 noch dagegen verstossen hat oder nicht. Ebenso wenig lässt sich beanstanden, dass mit der Einleitung einer erneuten Abklärung der vorsorgliche Entzug des Führerausweises verbunden wurde, denn hierfür reichen wie dargelegt ernsthafte Bedenken an der Fahreignung aus. Die Beschwerde erweist sich darum insoweit als unbegründet. 
4. 
Der Beschwerdeführer beanstandet die Entschädigung, die seiner Anwältin als unentgeltlicher Rechtsvertreterin gewährt wurde. Insoweit fehlt es ihm am schutzwürdigen Interesse, das für die Legitimation zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erforderlich ist (Art. 103 Abs. 1 lit a OG). Ihm kommt vielmehr eine möglichst niedrige Ent-schädigung gelegen, zumal der Staat ihn zur Rückerstattung erbrach-ter Leistungen anhalten könnte, während die unentgeltliche Vertreterin nicht befugt ist, von ihm eine zusätzliche Entschädigung zu verlangen, selbst wenn die staatliche Entschädigung nicht dem vollen Honorar entsprechen sollte (BGE 108 Ia 11 E. 1; 117 Ia 22 E. 4E S. 26; 122 I 322 E. 3b). 
5. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist damit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechts-pflege. Da seine Begehren von vornherein aussichtslos erschienen, ist das Gesuch abzuweisen (Art. 152 OG). Folglich wird der Beschwer-deführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Bei der Bemessung der Gerichtsgebühr ist jedoch seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern und der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern sowie dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 6. April 2005 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: