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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_426/2021  
 
 
Urteil vom 5. September 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiberin Dambeck. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ GmbH, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Regierungsrat des Kantons Uri, 
Rathausplatz 1, 6460 Altdorf UR, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Arnold. 
 
Gegenstand 
Erteilung Enteignungsrecht, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 18. Juni 2021 (OG V 21 3). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die A.________ GmbH ist Eigentümerin der Parzelle Nr. 562 an der Strasse B.________ in Erstfeld. Auf dem 743 m2 grossen Grundstück befinden sich ein Gebäude, eine Gartenanlage und zwischen der Strasse B.________ und dem Gebäude ein asphaltierter Parkplatz mit Ein- und Ausfahrt auf die Strasse B.________. Der Kanton Uri plant auf der Strasse B.________ in Erstfeld innerorts einerseits die Sanierung der Werkleitungen und andererseits - in einem separaten Auflageprojekt - die Sanierung der in unmittelbarer Nachbarschaft zur Liegenschaft der A.________ GmbH befindlichen Bushaltestelle. Für die Errichtung eines Wartehäuschens ist unter anderem ein Landerwerb von 16 m2 auf der Parzelle der A.________ GmbH vorgesehen. Diese erhob Einsprache gegen das Projekt. 
Zwischen Vertretern der Baudirektion Uri und der A.________ GmbH wurden am 12. Mai 2020 und am 11. September 2020 erfolglos Einspracheverhandlungen geführt. Der Regierungsrat des Kantons Uri genehmigte das Projekt mit Beschluss vom 15. Dezember 2020 und erteilte die erforderlichen Enteignungsrechte. Die Einsprache der A.________ GmbH wurde abgewiesen. 
Die dagegen erhobene Beschwerde der A.________ GmbH wies das Obergericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, mit Entscheid vom 18. Juni 2021 ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde vom 10. Juli 2021 gelangt die A.________ GmbH an das Bundesgericht und beantragt sinngemäss die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids. 
Der Regierungsrat beantragt die Abweisung der Beschwerde und verzichtet im Übrigen auf eine Stellungnahme. Die Vorinstanz verzichtet unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid auf eine Stellungnahme. Die Beschwerdeführerin wurde darüber in Kenntnis gesetzt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als unterlegene Partei sowie Eigentümerin des von der Enteignung betroffenen Grundstücks zur Beschwerde legitimiert (vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG). Da auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde - unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägung - einzutreten.  
 
1.2. Anfechtungsobjekt im vorliegenden Verfahren bildet der Entscheid des Obergerichts vom 18. Juni 2021. Dieser hat den Beschluss des Regierungsrats ersetzt (sog. Devolutiveffekt). Soweit die Beschwerdeführerin dessen Aufhebung verlangt, ist auf die Beschwerde daher nicht einzutreten. Immerhin gilt der regierungsrätliche Beschluss als inhaltlich mitangefochten (BGE 146 II 335 E. 1.1.2; 134 II 142 E. 1.4; je mit Hinweis).  
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet dieses grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten prüft es dagegen nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG); hierfür gelten qualifizierte Begründungsanforderungen (BGE 147 I 47 E. 3.1 mit Hinweisen).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat, sofern dieser nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 sowie Art. 97 Abs. 1 BGG).  
 
3.  
Die Beschwerdeführerin rügt, ein Standort des Personenunterstands auf dem Nachbargrundstück, das im Eigentum des Kantons stehe, oder mittig auf der Grundstücksgrenze sei nicht geprüft worden. Ausserdem habe die kantonale Baudirektion einen geringeren Eingriff in ihr Eigentumsrecht für angemessen gehalten. 
 
3.1. Die Vorinstanz erwog, die von der Beschwerdeführerin eingebrachte Variante mit einer Haltekantenlänge von 13.75 m sehe vor, dass der Personenunterstand auf der Nachbarliegenschaft in einem rechten Winkel zur Fahrbahn zu liegen käme. Die Fahrgäste könnten so nicht direkt aus dem Wartebereich in den Bus einsteigen. Auch könnte der Wartebereich des Personenunterstands nicht als zusätzliche Manövrierfläche für Personen mit Rollstuhl genutzt werden. Zudem befinde sich an der betreffenden Stelle ein asphaltierter Zugang zum seitlichen Eingang des auf der benachbarten Liegenschaft stehenden Wohn- und Geschäftsgebäudes. Der Personenunterstand würde diesen Zugang bei der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Variante zumindest teilweise versperren, was für die Mieterinnen und Mieter des Gebäudes nicht zumutbar sei. Bei der Variante mit der rechtwinkligen Anordnung des Unterstands müssten die Fahrgäste zudem im Bereich des Zugangs warten, was sowohl für sie als auch für die Mieterinnen und Mieter des Gebäudes ein erheblicher Nachteil wäre. Zudem sei im Erdgeschoss des Gebäudes auf dem Nachbargrundstück ein Coiffeurgeschäft mit Schaufenstern gegen die Strasse eingemietet.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Der Beschwerdeführerin kann mit Blick auf diese vorinstanzlichen Erwägungen nicht gefolgt werden, wenn sie geltend macht, ein Standort des Personenunterstands auf der im Eigentum des Kantons stehenden Nachbarliegenschaft sei nicht geprüft worden; es dränge sich daher der Eindruck einer willkürlichen Entscheidung auf. Die Vorinstanz hat sich mit der von der Beschwerdeführerin eingebrachten Variante eines Standorts auf dem Nachbargrundstück auseinandergesetzt und diesen verworfen. Dass die Ausführungen der Vorinstanz nicht zuträfen oder rechtsverletzend seien, macht die Beschwerdeführerin weder geltend noch liegt dies auf der Hand.  
 
3.2.2. Die Beschwerdeführerin moniert, erst aufgrund ihrer Beschwerde an die Vorinstanz sei eine Auseinandersetzung mit einem Standort des Personenunterstands auf dem Nachbargrundstück erfolgt.  
Im Beschluss des Regierungsrats vom 15. Dezember 2020 hat namentlich eine Verhältnismässigkeitsprüfung stattgefunden. In seiner Stellungnahme an die Vorinstanz führte der Regierungsrat zudem aus, er habe diverse Varianten (vor-) geprüft und als nicht ausführbar verworfen. Sowohl in Bezug auf die Lage (ÖV-Anbindung), die Erreichbarkeit durch Personen mit Behinderung, die technische Machbarkeit und den Fahrkomfort für die Busse sei das vorliegende Projekt am besten geeignet und stehe ohne nennenswerte Alternative da. Auf der (vermieteten) kantonalen Liegenschaft befänden sich Schaufenster und ein Eingang, die zur Strasse orientiert seien. Auch an der Seite des Gebäudes sei ein Eingang platziert. Die Beschwerdeführerin nahm zu den Ausführungen des Regierungsrats im Rahmen des vorinstanzlichen Schriftenwechsels Stellung und im angefochtenen Entscheid erfolgte eine diesbezügliche Auseinandersetzung. Eine Rechtsverletzung vermag die Beschwerdeführerin mit ihren Vorbringen nicht darzutun. 
 
3.2.3. Weiter bemängelt die Beschwerdeführerin, dass sich die Vorinstanz bei ihrer Ermessenskontrolle zu Gunsten der Verwaltung beschränkt habe.  
Die Vorinstanz erwog zunächst, dass sie trotz voller Kognition gewisse Zurückhaltung übe und der Verwaltung einen gewissen Ermessensspielraum belasse - insbesondere, wenn der Entscheid, wie vorliegend, besonderes Fachwissen voraussetze. Dass sie sich bei der anschliessenden Prüfung in unzulässiger Weise zurückgehalten und ihre Kognition nicht ausgeschöpft hätte, vermag aber auch die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen. So beanstandet sie, die Vorinstanz nehme keine Stellung dazu, dass bei einer Einfahrt auf ihre Liegenschaft eine Bordsteinhöhe von 12 cm als angemessen erachtet worden sei, während für die kantonale Liegenschaft Absenkungen durch die Verschiebung von Einfahrten auf Nachbarliegenschaften mittels Enteignung ermöglicht würden. Die Beschwerdeführerin bezieht sich dabei auf ein Verfahren im Jahr 2009, das hier nicht Streitgegenstand bildet. Sie kann daraus vorliegend nichts zu ihren Gunsten ableiten. 
 
3.2.4. Die Beschwerdeführerin moniert weiter, ein Standort des Personenunterstands mittig auf der Grundstücksgrenze sei nicht geprüft worden.  
Die Vorinstanz hat sich im angefochtenen Entscheid ausführlich mit der von der Beschwerdeführerin eingebrachten Variante mit einem Personenunterstand auf der Nachbarliegenschaft in einem rechten Winkel zur Fahrbahn auseinandergesetzt. Dabei stellte sie namentlich fest, der Zugang zum seitlichen Eingang des sich auf dem Nachbargrundstück befindlichen Wohn- und Geschäftsgebäudes würde dadurch zumindest teilweise versperrt, was die Beschwerdeführerin nicht bestreitet. Inwiefern sich dies anders verhalten sollte, wenn der Personenunterstand nicht im rechten Winkel, sondern parallel zur Fahrbahn errichtet würde, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf und liegt auch nicht auf der Hand. Auch setzt sie sich nicht mit den Ausführungen der Vorinstanz auseinander, wonach ihr Grundstück bei einer Anordnung des Personenunterstands gemäss aufgelegtem Projekt im Vergleich bloss marginal betroffen sei. Weshalb die Vorinstanz die Variante mit einem Personenunterstand mittig auf der Grundstücksgrenze separat hätte prüfen müssen, erschliesst sich daher nicht. Wie im Übrigen bereits die Vorinstanz erwog, sind praxisgemäss nur Alternativen zu prüfen, die ernsthaft in Betracht fallen; Varianten, die gewichtige Nachteile oder keine wesentlichen Vorteile aufweisen, können bereits aufgrund einer summarischen Prüfung ausgeschieden werden (BGE 139 II 499 E. 7.3.1; Urteile 1C_567/2020 vom 1. Mai 2023 E. 5.1; 1C_758/2021 vom 2. September 2022 E. 5.3; je mit Hinweisen). 
 
3.3. Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, die kantonale Baudirektion habe ursprünglich eine Variante mit einem geringeren Eingriff in ihr Eigentumsrecht vorgesehen, bei der auf einen Personenunterstand und einen Landerwerb verzichtet worden sei.  
Dem angefochtenen Entscheid ist in diesem Zusammenhang zu entnehmen, dass der Vertrag, der die Neuauflage des Projekts ohne Personenunterstand vorgesehen hätte, nie zustande gekommen sei. Er sei unter dem Genehmigungsvorbehalt des Baudirektors gestanden, der seine Zustimmung bis heute nicht erteilt habe. Eine rechtsverbindliche Wirkung ergebe sich aus dem Vertrag somit nicht. Aus der Vorlage des Vertrags könne letztlich lediglich abgeleitet werden, dass die verhandlungsführenden Vertreter der Baudirektion eine Variante ohne Personenunterstand offenbar für vertretbar gehalten hätten. Ob diese Variante einer Überprüfung standgehalten hätte, hätte sich dagegen im Genehmigungs- und allenfalls Rechtsmittelverfahren der Neuauflage zeigen müssen, und stehe keineswegs fest. Im Rahmen der Variantenprüfung hielt die Vorinstanz sodann fest, es sei nicht nur im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes, sondern diene auch den Interessen des öffentlichen Verkehrs und der Verkehrssicherheit, wenn bei Bushaltestellen von gewisser Bedeutung ein Personenunterstand erstellt werde. Bei der vorliegend betroffenen Bushaltestelle handle es sich um eine Haltestelle mitten im Siedlungsgebiet auf der Hauptverkehrsverbindung (Kantonsstrasse) mit entsprechend reger Frequentierung. Die Sanierung dieser Haltestelle werde als prioritär eingestuft. Das bedeute, dass deren sofortiger Umbau auch mit den höheren Kosten als isolierte Massnahme verhältnismässig sei, weil der Nutzen-Kosten-Index den Schwellenwert deutlich übersteige. Es sei nachvollziehbar, dass eine solche Bushaltestelle einen Personenunterstand erfordere, und stehe jedenfalls nicht ausserhalb dessen, was die Vorinstanz im Rahmen ihres Planungsermessens vorsehen dürfe. 
Die Beschwerdeführerin setzt sich mit diesen nachvollziehbaren Erwägungen der Vorinstanz nicht auseinander, sondern stellt sich auf den Standpunkt, es sei unbeachtlich, welchen Schwellenwert ein Personenunterstand habe und ob ein Vertrag in Rechtskraft erwachsen sei. Entscheidend sei, dass die Baudirektion einen geringeren Eingriff in ihr Eigentum für angemessen gehalten habe. Zudem sei ein Personenunterstand nicht gesetzlich vorgeschrieben. Damit zeigt die Beschwerdeführerin nicht (rechtsgenüglich) auf, dass die Enteignung unverhältnismässig wäre; insbesondere macht sie nicht geltend, die Enteignung sei nicht zumutbar. 
 
3.4. Eine Verletzung der Eigentumsgarantie ist demnach nicht dargetan.  
 
4.  
Soweit die Beschwerdeführerin die Trennung der Sanierung der Werksleitungen von der Sanierung der Bushaltestelle bemängelt, ist dem angefochtenen Entscheid zu entnehmen, es sei fraglich, ob die Beschwerdeführerin an der Prüfung dieser Frage überhaupt ein rechtlich geschütztes Interesse habe. Es liege grundsätzlich im Planungsermessen des Regierungsrats, ob er die Sanierung der Bushaltestelle in einem separaten Projekt auflege. Inhaltlich mache die Beschwerdeführerin nicht geltend, dass zwischen dem aufgelegten Projekt und dem Projekt der Werkleitungen Unvereinbarkeiten bestünden. Solche seien auch nicht ersichtlich. Dass die Bauetappen sinnvoll zu koordinieren seien, sei im Übrigen Sache der Bauherrschaft. 
Mit ihren Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen, inwiefern in diesem Zusammenhang eine Rechtsverletzung vorliegen soll. Sie bringt im Wesentlichen vor, eine rechtswidrige Trennung der beiden Projekte geltend gemacht zu haben. Wenn der Regierungsrat nun beantragen würde, der "Beschwerde die aufschiebende Wirkung wegen finanziellem Schaden zu entziehen", käme dies dem Eingeständnis gleich, die Projekte in rechtswidriger Weise getrennt zu haben. 
 
5.  
Nach diesen Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Regierungsrat des Kantons Uri und dem Obergericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. September 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dambeck