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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_951/2017  
 
 
Urteil vom 7. März 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons 
Solothurn, 
Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Fahrlässige Körperverletzung, Fahren in fahrunfähigem Zustand; Willkür, Grundsatz in dubio pro reo, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 28. Juni 2017 (STBER.2015.81). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
X.________ wird vorgeworfen, am 19. August 2011 um 13.00 Uhr einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, wobei er mit zwei entgegenkommenden Personenwagen kollidierte. Am 23. September 2015 verurteilte ihn die Amtsgerichtspräsidentin Olten-Gösgen wegen fahrlässiger Körperverletzung und Fahrens in fahrunfähigem Zustand zu 25 Tagessätzen Geldstrafe bedingt sowie zu einer Verbindungsbusse von Fr. 900.--, ersatzweise fünf Tage Freiheitsstrafe. Auf Berufung von X.________ hin setzte das Obergericht des Kantons Solothurn die Geldstrafe am 28. Juni 2017 unter Verzicht auf die Verbindungsbusse auf 30 Tagessätze bedingt fest. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, er sei freizusprechen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung sowie eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo", indem die Vorinstanz gestützt auf die eingeholten, fehlerhaften Gutachten ein Vorhofflimmern (VHF) während des Unfalls verneint habe. Richtigerweise hätte sie auf die Berichte der behandelnden Ärzte abstellen und eine seit 2008 bestehende, progrediente VHF-Erkrankung bejahen müssen. 
 
1.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser ist offensichtlich unrichtig oder beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1). Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht. Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 141 IV 305 E. 1.2 mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 142 III 364 E. 2.4). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 138 V 74 E. 7 mit Hinweisen).  
 
1.2. Die Vorinstanz legt ausführlich und überzeugend dar, weshalb sie als erstellt erachtet, dass der Unfall vom 19. August 2011 auf Sekundenschlaf infolge Übermüdung zurückzuführen ist. Sie stützt sich dabei auf zahlreiche fachärztliche Gutachten sowie die Aussagen des Beschwerdeführers selbst und setzt sich mit sämtlichen seiner Einwände zu alternativen Unfallursachen, wie Kreislaufkollaps, Schlafapnoe, Herzrhythmusstörungen resp. Synkopen detailliert auseinander. Was er vorbringt, belegt, soweit es den gesetzlichen Anforderungen überhaupt genügt, keine Willkür.  
 
1.3.  
 
1.3.1. Gemäss den verkehrsmedizinischen Gutachten der Institute für Rechtsmedizin der Universitäten Zürich und Bern sprechen der Unfallablauf und die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers, etwa die Weckreaktion beim Aufprall, eindeutig für einen Sekundenschlaf als Unfallursache. So sei er seit mehreren Stunden unterwegs gewesen und habe trotz Temperaturen von über 30 Grad seit dem Frühstück nichts mehr getrunken. Gegenüber der Polizei habe er ausgesagt, nach einem "Blackout" als erstes das Auslösen des Airbags gehört zu haben. Eine Blut- und Urinprobe habe subtherapeutische Mengen von Schlaf- und Beruhigungsmedikamenten ergeben, welche zusammen mit der Hitze und der langen Fahrdauer zu erhöhter Schläfrigkeit und zum Nachlassen der Konzentration führen könnten. Daran ändere nichts, dass der Beschwerdeführer in der Nacht davor ausreichend geschlafen habe bzw. dass seine Schlafapnoe adäquat therapiert sei. Er habe weder vor noch nach dem Unfall gesundheitliche Symptome, namentlich Begleiterscheinungen eines Vorhofflimmerns, wie z.B. Übelkeit, Schwitzen, Kältegefühl, Herzrasen oder Herzstolpern beklagt. Für die behauptete kardiologisch bedingte kurze Bewusstlosigkeit (sog. Synkope) gebe es keine Anzeichen. Diese stelle eine bloss theoretische Möglichkeit dar, welche nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" keine vernünftigen Zweifel an der festgestellten Unfallursache auszulösen vermöge.  
 
1.3.2. Dem Beschwerdeführer wurde am 13. Mai 2013 wegen des Verdachts auf eine bradykarde Rhythmusstörung als mögliche Ursache für den behaupteten einmaligen Bewusstseinsverlust am Ereignistag ein Ereignisrekorder (sog. Reveal Recorder) eingesetzt, welcher abnorme Abweichungen des Rhythmus registriert. Gemäss dem von der Vorinstanz eigens eingeholten Gutachten von PD Dr. A.________, Oberarzt Kardiologie, Leiter Elektrophysiologie im Bereich Rhythmologie des Universitären Herzzentrums B.________ vom 31. August 2016 sowie dessen Ergänzungen stellte das Gerät wiederholt zahlreiche Episoden von paroxysmalem Vorhofflimmern fest, welche vom Beschwerdeführer immer als Pulsunregelmässigkeiten, Herzrasen und Palpitationen wahrgenommen wurden, nie als Schwindel oder Synkopen. Es konnten auch keine symptomatischen bradykarden Rhythmusstörungen im Sinne signifikanter Pausen der Sinusknotenaktivität dokumentiert werden, welche die These einer Konversionspause, eines sog. stillen Vorhofflimmerns, während des Autounfalls untermauern würden. Ebenso fehlten signifikante Blockierungen der AV-Knoten-Überleitung als Ursache von rhythmogenen Synkopen. Der entsprechende Verdacht der behandelnden Ärzte konnte gemäss Gutachter durch den Einsatz des Reveal Recorders während einer überdurchschnittlich langen Zeit von drei Jahren nicht bestätigt, sondern im Gegenteil entkräftet werden. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer im Nachgang zur Diagnose des Vorhofflimmerns täglich ein Medikament eingenommen habe, welches einen allfälligen kranken Sinusknoten weiter verlangsamt hätte und damit erst Recht zu entsprechenden Aufzeichnungen im Reveal Recorder hätte führen müssen. Soweit er die Medikamenteneinnahme nachträglich bestreitet, weicht er vom für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhalt ab, ohne Willkür darzutun. Wie die Vorinstanz nachvollziehbar ausführt, handelte es sich bei dieser Begründung lediglich um ein zusätzliches Argument des Gutachters. Schliesslich decken sich gemäss dessen Einschätzung die objektiven Befunde mit den Aussagen des Beschwerdeführers, welcher vor oder nach dem Autounfall keine Episoden von Synkopen, Präsynkopen oder Schwindelzuständen und keine klinischen Anzeichen für eine kardiologische Symptomatik beschrieben habe. Die nicht restlos geklärte Frage von Vorhofflimmern anlässlich des Unfalls sei im Übrigen nicht relevant, weil eine hypothetische Episode von Vorhofflimmern nicht zu einer Synkope geführt hätte, wie dies auch nach der Diagnosestellung nachweislich nicht der Fall gewesen sei. Es sei daher sehr unwahrscheinlich, dass Vorhofflimmern oder eine andere rhythmologische Erkrankung am Ereignistag zu einer rhythmogenen Synkope geführt hätten.  
 
1.3.3. Der Beschwerdeführer verweist in seiner Eingabe auf Berichte seines ehemaligen Kardiologen. Diese würden beweisen, dass bereits am 10. Dezember 2008 eine erste gut dokumentierte Episode von Vorhofflimmern aufgetreten und es in der Folge zu Befunden von supraventrikulären Salven, welche als Trigger für Vorhofflimmern gelten würden, gekommen sei. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers erschüttern diese Befunde die Argumentationsbasis des Gutachters nicht. Zunächst trifft es offensichtlich nicht zu, dass der Experte eine VHF-Erkrankung verneint hätte. Er hat diese im Gegenteil bestätigt, aber ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Episoden von Vorhofflimmern immer als Pulsunregelmässigkeiten, Herzrasen und Palpitationen, nie als Schwindel oder Synkopen wahrgenommen. Auch hat er am Ereignistag über keine Symptome von Vorhofflimmern berichtet. Angesichts der Tatsache, dass es während des Einsatzes des Reveal Recorders nachweislich nie zu einer Synkope kam, ist ebenso die Annahme des Experten, dass selbst eine hypothetische Episode von Vorhofflimmern anlässlich des Unfalls höchstwahrscheinlich zu keiner Synkope geführt hat, plausibel. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern die Feststellung des Gutachters, wonach die Erkrankung im Ereigniszeitpunkt jedenfalls noch nicht manifest war, offensichtlich unzutreffend sein soll. Im Übrigen weist er selber darauf hin, dass die Berichte des behandelnden Arztes dem Gutachter bekannt waren. Er behauptet nicht, dieser habe sie nicht in seine Beurteilung miteinbezogen. Wenn er aber argumentiert, die Berichte hätten den Gutachter zu einer Korrektur seiner Einschätzung bewegen müssen, so begründet er dies nicht.  
Sodann ist nicht ersichtlich, was der Beschwerdeführer mit Blick auf den Ereigniszeitpunkt aus der Behauptung ableiten will, dass der Reveal Recorder lediglich während eines Jahres im Einsatz gewesen sei. Wie er selber ausführt, fand damals noch keine Überwachung des Herzrhythmus statt. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die Einschätzung des Gutachters, wonach das Auftreten einer Synkope am Ereignistag sehr unwahrscheinlich sei, offensichtlich falsch wäre. Er behauptet auch nicht, dass das Gerät während seiner Einsatzdauer jemals eine Synkope, wie sie angeblich am Ereignistag aufgetreten sein soll, aufgezeichnet hätte. Überhaupt verkennt der Beschwerdeführer mit seiner Kritik am vorinstanzlichen Gutachten in grundsätzlicher Weise, dass der Umstand, dass eine andere Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, mithin die Einschätzung seiner behandelnden Ärzte zutreffen könnte, für die Annahme von Willkür nicht genügt (oben E. 1.1). Gleiches gilt für seine weiteren Einwände. 
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. März 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt